US-Wirtschaft boomt weiter, US-Aktien bleiben teuer, Anleihemärkte erwartet mögliche Korrektur

Die US-Wirtschaft bleibt stark und die Inflation geht zurück – ganz ohne Rezession. „US-Aktien bleiben trotz hoher Bewertungen attraktiv, doch die steigende Staatsverschuldung könnte den Anleihemärkten gefährlich werden“, warnt Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments. Wie es für die USA weitergeht, wie er die Wirtschaft Europas einschätzt und was er für China erwartet, erläutert er in seinem Marktkommentar: Columbia Threadneedle Investments | 27.01.2025 11:38 Uhr
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments / © e-fundresearch.com / Columbia Threadneedle Investments
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments / © e-fundresearch.com / Columbia Threadneedle Investments

Es gibt drei vorherrschende Fragen, die Anleger im Jahr 2025 beschäftigen werden: Wie radikal wird der neue US-Präsident agieren? Wird sich die Wirtschaft in China und Europa erholen? Und werden steigende Anleiherenditen den Aktienmarkt einbrechen lassen? Die US-Wirtschaft ist in einer guten Verfassung und scheint das Goldlöckchen-Szenario einer Disinflation ohne nennenswerte Rezession zu erreichen – das zeigen die Inflationsprognosen für Ende 2025. Man erwartet zunehmend, dass die Inflation in den USA ansteigt, was die Stärke der Wirtschaft widerspiegelt. Für Europa gibt es angesichts seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten keine Überraschungen, während in Großbritannien die Signale in die falsche Richtung zeigen: Hier steigt die Inflation, das Wachstum verlangsamt sich jedoch.

US-Wirtschaft wächst weiter – doch Anleiheinvestoren könnten hohe Verschuldung abstrafen

Die US-Wirtschaft ist die größte der Welt und bleibt weiterhin stark, was ein klarer positiver Faktor für das globale Wachstum ist. Dadurch wird auch eine allmähliche Trendwende in China und Europa in diesem Jahr wahrscheinlicher. Die Konjunktur wird jedoch unter anderem durch das hohe Staatsdefizit angeheizt – dieses beträgt derzeit 7 Prozent, was für eine Volkswirtschaft, die sich weder in einer Rezession noch in einem Krieg befindet, ein sehr hoher Wert ist. Wenn es der Regierung nicht gelingt, das Haushaltsdefizit und die Inflation in den Griff zu bekommen, werden das die Marktteilnehmer tun. Dann könnten sogenannte „Bond Vigilantes“ auf den Plan treten – Anleger, die angesichts einer inflationären oder unverantwortlichen Fiskalpolitik Staatsanleihen verkaufen, so die Anleiherenditen nach oben treiben und, falls erforderlich, eine Korrekturrezession auslösen. So wollen sie den Staat zum Sparen zwingen. Erste Auswirkungen können bereits auf den US-Immobilienmarkt durch steigende Hypotheken beobachtet werden.

Dies könnte sich negativ auf die Aktienmärkte auswirken – die US-Regierung versucht jedoch, die Wirtschaft und den Aktienmarkt am Laufen zu halten. Angesichts fehlender politischer Barrieren übernehmen die Akteure auf den Anleihemärkten damit eine Kontrollfunktion und könnten dazu beitragen, Trumps radikale Agenda einzugrenzen, zumindest bei den Tagespunkten, die das Haushaltsdefizit eher erhöhen als senken würden.

Wir bleiben daher in US-Aktien übergewichtet, da das wirtschaftliche Umfeld positiv ist, die Zinsen sinken und die Deregulierung voranschreitet – auch wenn vieles bereits eingepreist ist.

Struktureller und politischer Gegenwind für Europas Konjunktur

Die deutsche und europäische Industrie steht weiterhin vor strukturellen Problemen, die der Verlust von billigem russischem Gas und die Umstellung auf Elektrofahrzeuge ausgelöst haben. Diese Probleme werden die Wirtschaft über viele Jahre belasten. Die Spannungen spiegeln sich auch im politischen System wider: Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland sind die Regierungen aufgrund der unzufriedenen Wählerschaft zusammengebrochen.

Es gibt jedoch noch Raum für Optimismus. Die Volkswirtschaften Südeuropas, die die Eurokrise schwer getroffen hatte, haben sich umstrukturiert und verzeichnen Wachstum. Außerdem haben die Verbraucher große Ersparnisse angesammelt und viel Konsum nachzuholen – sobald das Vertrauen zurückkehrt, werden die Verbraucherausgaben zu einem Wachstumsmotor. Das Wirtschaftswachstum in Europa dürfte zwar steigen, doch zu einem Boom wird es wohl nicht kommen.

Auch Chinas Wirtschaft hat das Potenzial für eine Kehrtwende – und das stärkt Europa, da dies den Exporten und insbesondere dem angeschlagenen verarbeitenden Gewerbe Auftrieb verleihen könnte. Das Land der Mitte kämpft zwar mit anderen strukturellen Problemen, vor allem der Immobilienkrise, aber es gibt nicht die gleichen politischen Hürden wie in Europa. Chinas Wirtschaft anzukurbeln und aus dem aktuellen Abschwung herauszuführen hat für Präsident Xi Jinping Priorität, und wir glauben, dass ihm dies auch gelingen wird.

US-Aktien attraktiv, doch Vorsicht bei Bewertungen

Die Ungewissheit ist aktuell sehr groß, weshalb unsere Investitionen moderat ausfallen. Eine niedrige Inflation sowie sinkende Zinssätze bei gleichzeitig starkem Wirtschaftswachstum machen Aktien in den USA attraktiv. Zwar sind US-Aktien teuer, aber die Bewertungen spiegeln das überdurchschnittliche Ertragswachstum wider. Das gilt sogar für Unternehmen außerhalb des Technologiesektors. Die hohen Bewertungen dürften die Performance von US-Aktien jedoch nicht einschränken – zumindest auf kurze Sicht. Rezessionen sind die großen Gleichmacher bei Bewertungen, aber in der absehbaren Zukunft sehen wir dafür keine Anzeichen, weshalb eine Korrektur vorerst ausbleiben dürfte.

Auch für Hochzinsanleihen sind wir positiv gestimmt, da sie vom gleichen Umfeld des Wirtschaftswachstums und der sinkenden Zinssätze profitieren werden. Die Anleiherenditen sind im Allgemeinen attraktiv, aber es besteht das Risiko, dass die Anleihemarktakteure angesichts steigender US-Staatsverschuldung die Renditen kurzfristig in die Höhe treiben. Deshalb sind wir bei dieser Anlageklasse aktuell eher untergewichtet.

Von Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments

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