Eine europäische Renaissance – und das Ende des US-amerikanischen Exzeptionalismus?

Donald Trumps zweite Amtszeit sorgte bei vielen Anlegern für Optimismus, man erwartete eine positive Entwicklung für US-Märkte und -Aktien. Doch jetzt sieht es immer mehr nach einem bösen Erwachen aus: Eine Vielzahl an Aktien erfuhr eine starke Korrektur, während Europa und China alle Markterwartungen übertrafen. Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments, erklärt in seinem Marktkommentar, wie es dazu kam, wo Anleger jetzt Chancen finden können und ob die Zeit der US-amerikanischen Outperformance tatsächlich vorbei ist. Columbia Threadneedle Investments | 19.03.2025 15:07 Uhr
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments / © e-fundresearch.com / Columbia Threadneedle Investments
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments / © e-fundresearch.com / Columbia Threadneedle Investments

  • Anleger erwarteten 2025 eine Outperformance der US-Märkte – und wurden enttäuscht, denn das genaue Gegenteil ist eingetreten. Nun ist die Unsicherheit rund um die US-Politik hoch.
  • Die wichtigsten US-Indizes erfahren eine Korrektur, während sich die Märkte in China und Europa gut entwickeln.
  • Die Anleger hatten sich stark auf die USA konzentriert – dabei bieten sich außerhalb der USA attraktive Gelegenheiten zu vernünftigen Preisen.
  • Die Fundamentaldaten in den USA sind nach wie vor solide, und es ist unwahrscheinlich, dass sich das ändert. Die jüngsten Kursschwankungen führten aber zu realistischeren Bewertungen bei ausgewählten Unternehmen.

Als Donald Trump im November vergangenen Jahres an die Macht kam, waren sich die Analysten einig: Die Steuersenkungs- und Deregulierungsagenda des neuen Präsidenten ist gut für Wirtschaft und Aktienmarkt. Dabei seien die Zölle zwar negativ, aber große Exporteure wie Europa und China würden wahrscheinlich am meisten darunter leiden. Da die europäische Wirtschaft stagnierte, bestand die Gefahr einer Rezession, und auch China hatte zu kämpfen. Aktien und die US-Wirtschaft hätten daher besser abschneiden müssen – doch das genaue Gegenteil ist eingetreten.

Europa und China profitieren, die USA verlieren

Die US-Aktien sind gefallen und befinden sich in der Korrekturzone der wichtigsten Indizes. Im Gegensatz dazu haben sich die Aktien in Europa und China gut entwickelt. Die prognostizierten Unternehmensgewinne und das Wirtschaftswachstum in den USA sanken, während sie in Europa und China stiegen. Währenddessen plant Deutschland eine drastische Änderung der Steuerpolitik, die, wenn sie umgesetzt wird, mittelfristig auch hier das Wachstum erhöhen dürfte. Die dramatischen Veränderungen in der US-Politik haben dagegen zu großer Unsicherheit für das Land geführt. Die neue Regierung scheint bereit zu sein, eine vorübergehende Schwäche der Wirtschaft und der Märkte in Kauf zu nehmen, um ihre langfristigen Ziele zu erreichen.

Neue Chancen außerhalb der USA

Ist damit die Zeit des US-Exzeptionalismus vorbei? Die Anleger haben in den vergangenen Jahren zu stark in die USA investiert. Mittlerweile ist der Bewertungsunterschied zu anderen Märkten jedoch zu groß geworden. Europa hat im vierten Quartal 2024 deutlich bessere Gewinne erzielt als erwartet, und die wirtschaftlichen Aussichten für Deutschland haben sich deutlich verbessert. Währenddessen wird auch die Politik in China zunehmend marktfreundlicher. Auf globaler Ebene haben wir US-Aktien untergewichtet und zum ersten Mal seit geraumer Zeit wieder in einige chinesische Unternehmen investiert. Die Asset-Allokation war dabei nicht der entscheidende Faktor – viel wichtiger war, dass es außerhalb der USA wieder attraktive Unternehmen zu vernünftigen Preisen gibt.

Zu früh für eine neue Ordnung

Wir können gerade viele große und langfristige Veränderungen beobachten: Zollturbulenzen schrecken Handel und Investitionen ab, und Europa muss in Verteidigungsfragen unabhängiger werden – die alte Ordnung ist in vielerlei Hinsicht ins Wanken geraten. Trotz alledem sind die Fundamentaldaten in den USA nach wie vor solide. Zwar waren die jüngsten Wirtschaftsdaten enttäuschend, doch handelt es sich dabei vor allem um Umfragedaten. Die tatsächlichen Daten, einschließlich der Beschäftigungszahlen, waren gut. Die Inflation ist unter Kontrolle und die Zinsen dürften weiter sinken. Zudem gibt es immer noch weltweit führende US-Unternehmen, die Anleger jetzt zu realistischeren Preisen erwerben können. Unserer Ansicht nach bleibt der US-Markt momentan also attraktiv.

Von Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments

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