- Verhandlungen zwischen USA und China überraschten positiv mit starken Zollsenkungen.
- Das neue Abkommen ist nicht sehr detailliert und gibt Spielraum für weitere Vereinbarungen vor Ablauf der Frist im Juli.
- Angesichts dieser positiven Entwicklung erholen sich die Finanzmärkte, doch die Unsicherheit bleibt bestehen. Die Risikobereitschaft dürfte ebenfalls wieder steigen, sobald Marktteilnehmer das Potenzial für weitere Handelsabkommen abschätzen können.
- Das Abkommen stellt allerdings lediglich das am „wenigsten schlechte“ Ergebnis dar. Echte Handelskommen würden Barrieren und Kosten senken, erfordern jedoch wesentlich detailliertere Verhandlungen und die Zustimmung des Kongresses.
Erleben wir bereits den Anfang vom Ende des Handelskrieges zwischen den USA und China? Bei den Verhandlungen am Wochenende hatte der Markt nicht mit solch deutlichen Zollsenkungen gerechnet – auch wenn diese zunächst nur für 90 Tage gelten. Die US-Zölle auf chinesische Importe werden von 145 auf 30 Prozent sinken, während die chinesischen Zölle auf US-Importe von 125 auf 10 Prozent fallen.
Echtes Handelsabkommen steht noch aus – Zollsätze immer noch historisch hoch
Handelsabkommen senken in der Regel Barrieren und Kosten – die aktuellen Rahmenregelungen sind jedoch lediglich das am „wenigsten schlechte“ Ergebnis. Der Basiszollsatz von 10 Prozent ist immer noch höher als alles, was wir seit den 1930er Jahren erlebt haben. Hinzu kommt: Präsident Trump hat erklärt, dass die Gesamtzölle für Länder mit großen Handelsüberschüssen gegenüber den USA deutlich höher ausfallen könnten und 10 Prozent der Mindestsatz sei. Diese Basiszölle sind also nicht verhandelbar. Damit befinden sie sich auf einem Niveau, von dem Präsident Trump behaupten kann, sie bekämpften das US-Handelsdefizit und verlagerten die Produktion zurück in die USA, ohne dabei die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern zu beeinträchtigen, die mit den USA zusammenarbeiten. Dennoch: Auch wenn der Handelskrieg langsam deeskaliert, bleibt er für das Wirtschaftswachstum und die Unternehmen in den betroffenen Ländern nicht ohne Folgen.
Letztlich handelt es sich hier nicht um ein Handelsabkommen im eigentlichen Sinne: Die Rahmenregelung soll den Umfang der Zölle begrenzen, die die USA im letzten Monat verhängt haben. Im Falle Chinas ist dieser Rahmen zeitlich befristet, und die Uhr für Verhandlungen über die Senkung oder Aufhebung der gegenseitigen Zölle tickt bis Anfang Juli weiter. Bislang sind die Abkommen nicht sehr detailliert, es gibt also noch viel Diskussionsbedarf und Chancen für Deals. Ein detailliertes Handelsabkommen würde weitere Verhandlungen sowie die Zustimmung des Kongresses erfordern. Die Verhandlungen können jedoch als Vorbild für andere Länder dienen, Gespräche aufzunehmen.
Wirtschaft kommt ohne bleibende Schäden davon
Die extrem hohen Zölle zwischen China und den USA waren nur kurzfristig in Kraft, weshalb der wirtschaftliche Schaden nur oberflächlich sein sollte. Der verstärkte vorgezogene Handel vor dem Inkrafttreten der Zölle sowie der Rückgang von Lieferungen aus China in die USA in den letzten Wochen können jedoch immer noch für reichlich Verwirrung bei den Wirtschaftsdaten sorgen, bevor diese sich letztendlich wieder beruhigen.
Die Unsicherheit bleibt also bestehen – dennoch ist klar, dass die Verhandlungen ein sehr positiver Schritt sind und beide Seiten erkennen, dass ein Handelskrieg keinem der beiden Länder nützen wird. Die durch Pragmatismus motivierte Zollsenkung macht deutlich, wie eng die beiden globalen Wirtschaftsmächte weiterhin miteinander verflochten sind, und die Finanzmärkte erholen sich bereits. Auch die Risikobereitschaft dürfte wieder zunehmen, sobald die Marktteilnehmer das Potenzial für weitere Handelsabkommen in den kommenden Wochen abschätzen können.
Von Anthony Willis, Investment Manager bei Columbia Threadneedle Investments
Den englischsprachigen Originalkommentar von Anthony Willis, Senior Economist bei Columbia Threadneedle Investments, finden Sie hier.