Es waren einst goldene Zeiten: Vor knapp 30 Jahren, bis zum Jahr 1989, wuchs Japan zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt heran. Aktien- und Immobilienpreise stiegen in schwindelerregende Höhen. Das Wirtschaftswunder fand jedoch Ende Dezember 1989 sein jähes Ende. Denn an diesem Punkt notierte der japanische Aktienmarkt bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 51,1, nachdem er zu Beginn der 1970er Jahre nur ein moderates KGV von 11,1 aufgewiesen hatte. Natürlich konnte das nicht viel länger gut gehen. Innerhalb nur eines Jahres fiel der Nikkei-225-Index von 38.916 auf 23.849 Punkte. Im Jahr 2002 notierte er gar nur noch bei 8.579 Punkten. Ein historisch beispielloser Absturz.
Im Zuge des kräftigen Aufschwungs seit 2012 kam der japanische Aktienmarkt jedoch wieder zu Kräften und steuert aktuell auf die 24.000-Punkte-Marke zu. Ist angesichts der Historie nun Vorsicht angebracht? Nein, findet Carlo Capaul, Investment Manager bei GAM Investments. Eher ist er vom Gegenteil überzeugt: „Wir haben es mit einem völlig anderen Investmentumfeld zu tun als 1989. Unserer Meinung nach befindet sich der Markt an einem attraktiven Einstiegspunkt für strategische Investoren.“ Dafür sprächen sowohl die Verschiebung von Sektorrisiken als auch aktuelle Fundamentaldaten und Bewertungskennziffern.
Neue Stabilität
Anleger in japanische Aktien seien heute völlig anderen Sektorrisiken ausgesetzt als am Höhepunkt des Marktes. „Finanz- und IT-Unternehmen sind wesentlich unbedeutender als Ende der 1980er Jahre, während die Sektoren Industrie, zyklische Konsumgüter, Basiskonsumgüter und Telekommunikationsdienste an Bedeutung gewonnen haben“, so Capaul.
Zudem sei eine große Zahl führender japanischer Unternehmen jetzt viel stärker in die Weltwirtschaft integriert als Anfang der 1990er Jahre. Infolgedessen weise der japanische Aktienmarkt heutzutage eine wesentlich höhere Korrelation zum globalen Aktienmarkt auf. „Lange Phasen der Underperformance erscheinen deshalb weniger wahrscheinlich als in der Vergangenheit“, fährt der Experte fort.
Attraktiv bewertet
Aus fundamentaler Sicht führe die Höhe dieser Korrelation jedoch sogar zu einer Unterschätzung der Performance japanischer Unternehmen. „In den letzten zehn Jahren sind die Reingewinne börsennotierter Unternehmen pro Jahr um 9 Prozent gestiegen und damit fast doppelt so stark wie bei US-Unternehmen. Interessanterweise notiert der US-Markt derzeit mit einem nachlaufenden Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21 und Japan nur mit 13“, erläutert Capaul. Obwohl US-Aktien ihre Widerstandsfähigkeit im Jahr 2018 erneut bewiesen haben, stehe außer Zweifel, welcher dieser beiden Märkte attraktiver bewertet sei.
Im Vergleich zu globalen Aktien ergebe sich für Japan ein ähnliches Bewertungsargument. Trotz des verheerenden Einbruchs des japanischen Aktienmarktes zu Beginn der 1990er Jahre waren japanische Aktien in der Zeit danach zumeist noch teuer bewertet. Dies sei jedoch heute nicht mehr der Fall. „Auch nach anderen Bewertungsmaßstäben notieren japanische Aktien mit einem Abschlag, und das schon seit Ende 2013. Interessanterweise fällt diese Zeit mit einer kräftigen Rally japanischer Aktien zusammen. Das zeigt, dass die steigenden Aktienkurse einfach nicht mit der rasanten Verbesserung der Fundamentaldaten Schritt halten konnten“, so Capaul.
Verbesserte Rentabilität
Im historischen Vergleich lag die Dividendenrendite des japanischen Index am Höhepunkt des Marktes im Jahr 1989 bei 0,5 Prozent. Die globale Dividendenrendite bewegte sich zu dieser Zeit mit 2,4 Prozent in etwa auf dem gleichen Niveau wie heute, während die Dividendenrendite japanischer Aktien im gleichen Zeitraum auf 2,2 Prozent gestiegen ist. „Obwohl Japan gemessen an diesem Indikator tatsächlich mit einem Aufschlag notiert, ist dieser praktisch nicht existent. Außerdem ist eine magere Dividendenrendite für die Anleger heute nicht mehr so abschreckend wie früher“, fährt Capaul fort. Vor allem aber habe sich die Rentabilität in dieser Zeit erheblich verbessert. Die Differenz der Eigenkapitalrendite zum globalen Aktienmarkt sei im Vergleich zu den Niveaus der letzten drei Jahrzehnte derzeit sehr niedrig.
Wachstum in Sicht
„Aus fundamentaler Sicht könnten die Gewinne japanischer Unternehmen unserer Meinung nach trotz der anhaltenden Handelskonflikte und Instabilitäten an den Finanzmärkten der Schwellenländer auch in den nächsten Jahren um rund 8 Prozent jährlich wachsen“, glaubt Capaul. Die von den Unternehmen gewonnenen Daten deuteten insgesamt darauf hin, dass sich der stetige Wachstumskurs fortsetzen dürfte. „Zusammen mit den historisch niedrigen Bewertungskennziffern ist leicht zu verstehen, warum wir der Ansicht sind, dass sich der Markt an einem attraktiven Einstiegspunkt für strategische Investoren befindet. Trotz des kräftigen Anstiegs japanischer Aktien in den letzten Jahren sind die Fundamentaldaten robust genug für unsere Annahme, dass sie erst noch an Fahrt aufnehmen werden“, schließt Carlo Capaul.
Datenquellen: Bloomberg und Nikkei Inc.Carlo Capaul, Investment Manager, GAM Investments