Deal oder kein Deal: M&A-Umfeld bietet selektive Anlagechancen

Für Fusionen und Übernahmen (M&A) war das zweite Quartal 2020 eine schwierige Zeit. Als Folge der Covid-19-Krise ist das gesamte M&A-Geschehen auf einen historischen Tiefstand abgerutscht – besondes bedingt dadurch, dass es praktisch unmöglich war, zu reisen und Treffen zu vereinbaren. GAM | 06.07.2020 11:01 Uhr
Roberto Bottoli, Fondsmanager für nicht-direktionale Aktienstrategien bei GAM Investments / © GAM Investments
Roberto Bottoli, Fondsmanager für nicht-direktionale Aktienstrategien bei GAM Investments / © GAM Investments
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Transaktionen wurden aufgrund strategischer Überlegungen ausgesetzt, da die Aussichten für eine globale Konjunkturerholung nach dem Covid-19-Lockdown unverändert höchst unsicher sind. Obwohl wir davon ausgehen, dass das M&A-Geschehen auch in den kommenden Monaten verhalten bleiben dürfte, sollte die überwiegende Anzahl an Transaktionen unter Branchenkonkurrenten, die auf der Nutzung langfristiger Synergien basiert, mittelfristig trotz der Auswirkungen des Coronavirus stattfinden. Darüber hinaus dürften die massiven Hilfspakete zur Stützung der Wirtschaftstätigkeit auch Fusionen und Übernahmen zugutekommen.

Merger-Arbitrage-Spreads auf stabilem Niveau

Wo liegen die potenziellen Chancen aus Fusions- und Übernahmeaktivitäten? Sobald eine Übernahme angekündigt wird, nähert sich der Aktienkurs des Zielunternehmens dem Übernahmepreis. Die Aktienkurse des Zielunternehmens verhalten sich nicht mehr wie herkömmliche Aktienpreise, sondern wie die Kurse einer Null-Kupon-Anleihe. Der Merger-Arbitrage-Spread – sprich die Differenz zwischen dem Aktienkurs des Zielunternehmens und dem vom Übernahmeinteressenten gebotenen Preis – ergibt sich aus der Unsicherheit, ob die Transaktion zu den ursprünglich vereinbarten  wirtschaftlichen Bedingungen abgeschlossen wird. Im März 2020 erreichte der mittlere Arbitrage-Spread einen Höchstwert, der zuletzt während der globalen Finanzkrise 2008 beobachtet wurde. Unseres Erachtens nahmen die Spreads vom März eine allzu hohe Wahrscheinlichkeit vorweg, dass M&A-Transaktionen abgebrochen oder mit Preissenkungen abgeschlossen werden. Gegen Ende März gingen die Spreads zurück und spiegelten die Volatilitätsentwicklung der Aktien- und Credit-Märkte wider. Mittlerweile haben sie sich auf einem Niveau stabilisiert, das etwa 4% höher liegt als vor Covid-19.

Transaktionsabbrüche infolge von Covid-19

Doch nicht alle Transaktionen werden erfolgreich abgeschlossen. Häufige Ursachen für das Scheitern sind nachteilige Entscheidungen von Wettbewerbs- und ausländischen Investitionsbehörden, Probleme bei der Finanzierung der Transaktion und negative Ereignisse, die die Geschäftsentwicklung der an der Transaktion beteiligten Unternehmen belasten. Covid-19 ließ sicherlich Zweifel aufkommen, ob bestimmte Transaktionen aus finanzieller und wirtschaftlicher Sicht noch sinnvoll sind. Im 2. Quartal wurden zahlreiche M&A-Transaktionen abgebrochen, darunter die Übernahme von Front Yard Residential durch Amherst Holdings im Wohnimmobiliensektor und die Fusion von Texas Capital Bancshares und der Independent Bank Group im Bankensektor. In beiden Fällen vereinbarten die Parteien den Abbruch der Transaktion, da es im gegebenen wirtschaftlichen Umfeld unmöglich war, die erwarteten Synergien zu verwirklichen. Zudem verwiesen sie auf die Notwendigkeit, sich – ohne die zusätzliche Komplikation der Integration von zwei Unternehmen – auf die eigene Geschäftsentwicklung zu konzentrieren. In beiden Beispielen war der Abbruch nicht durch Finanzierungsprobleme bedingt.

Ein weiteres Beispiel war der Buy-out des Softwareunternehmens Forescout Technologies durch das Private-Equity-Unternehmen Advent. In diesem Fall brach der Private-Equity-Käufer die Transaktion mit der Begründung ab, die Pandemie habe «zunehmend überproportionale Auswirkungen» auf Forescout. Das Unternehmen reichte daraufhin Klage gegen Advent ein. Die Gerichtsverhandlung ist für Juli geplant. Formell ist die Transaktion noch nicht beendet. Abgesehen von diesem Beispiel sind die Transaktionen sicherer strukturiert als im Jahr 2008. Während der globalen Finanzkrise waren Entscheidungen von Private-Equity-Unternehmen der wichtigste Faktor für den Abbruch von Transaktionen. Da sich der Markt derzeit jedoch nicht mit einer Kreditverknappung konfrontiert sieht, ist offenbar die Mehrzahl der Private-Equity-Unternehmen dazu bereit, Transaktionen fortzuführen. Zudem beobachten wir allgemein, dass die negativen M&A-Risiken bei reinen Bartransaktionen deutlicher zutage treten als bei aktienbasierten Transaktionen.

Transaktionen, die von Covid-19 profitieren

LogMeIn, ein Anbieter von Fernzugriffssoftware, wird von einem Private-Equity-Konsortium (Elliott und Francisco Partners) übernommen. Die Transaktion wurde Mitte Dezember zu einem relativ moderaten Preisaufschlag vereinbart. Während der Pandemie gewannen Kommunikationslösungen massiv an Bedeutung, sodass der Käufer fest dazu entschlossen scheint, die Transaktion abzuschließen. Unterdessen entwickelten sich die Aktienkurse der übernehmenden Unternehmen analog zu bzw. besser (einschließlich der Übernahmeprämie) als LogMeIn. Mittlerweile liegen beinahe alle Genehmigungen durch Aufsichtsbehörden und Zustimmungen von Aktionären vor.

Derzeit findet die Übernahme von Qiagen, einem globalen Anbieter von Diagnostikgeräten für den Gesundheitssektor, durch den US-Konkurrenten Thermo Fisher Scientific statt. Die Transaktion wurde Anfang März nach einigen Verhandlungen zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis am unteren Ende der Sektorbandbreite vereinbart. Die Pandemie ließ die Nachfrage nach Testgeräten steigen, insbesondere nach Geräten für den Nachweis von Covid-19, wie sie Qiagen produziert. Die Aktie von Thermo Fisher Scientific entwickelte sich analog bzw. besser als Qiagen (einschließlich der Übernahmeprämie). Die kartellrechtlichen Zustimmungen stehen noch aus. Diese Beispiele implizieren eine Untergrenze oder sogar Aufwärtspotenzial für die Aktien, falls keine Transaktion zustande käme.

Transaktionen mit unverändertem Potenzial trotz Beeinträchtigungen

Grandvision, ein Einzelhändler für optische Produkte in Europa und Asien, wird vom Hersteller optischer Produkte EssilorLuxottica übernommen. Unseres Erachtens ist diese vertikale Integration für den Käufer durchaus sinnvoll, da dieser damit die gesamte Wertschöpfungskette des Konsumentengeschäfts mit optischen Produkten kontrollieren würde. Die Verschlechterung des Geschäfts von Grandvision aufgrund der Covid-19-Shutdowns ließ jedoch Zweifel an der Bereitschaft des Käufers aufkommen, die Transaktion zu Ende zu führen. Die Prüfung durch die EU-Wettbewerbsbehörden sorgt für zusätzliche Unsicherheit, da EssilorLuxottica eine Kaufpreisermäßigung fordert oder sich ganz aus der Transaktion zurückziehen könnte, falls sich die Auflagen als zu belastend erweisen. Für den Käufer handelt es sich jedoch um eine strategisch durchaus sinnvolle Transaktion. Zudem ist der Mehrheitsaktionär von Grandvision entschlossen, das Unternehmen notfalls mit Kapitalspritzen zu unterstützen, um finanzielle Auflagen zu erfüllen.

Der US-amerikanische Schmuckhersteller und -einzelhändler Tiffany vereinbarte Ende November die Übernahme durch das französische Luxusunternehmen LVMH zu einem beträchtlichen Aufschlag. Aufgrund des Markenwerts und der Größe von Tiffany ist die Übernahme für LVMH strategisch sehr sinnvoll. Die Pandemie und die Lockdown-Maßnahmen belasteten insbesondere die in den USA erzielten Gewinne des Unternehmens. Der Aktienkurs von Tiffany nimmt derzeit die Möglichkeit vorweg, dass LVMH eine Kaufpreisermäßigung fordern oder die Transaktion einstellen könnte.

Arbitragechancen außerhalb von Fusionen und Übernahmen

An volatilen Märkten kann es zu vielen Arten von Verzerrungen kommen, die Arbitragechancen in anderen Bereichen schaffen. Im Falle von Spin-offs verkaufen die Inhaber der Muttergesellschaft, insbesondere Benchmark-Fonds und ETFs, häufig Aktien des abgespaltenen Bereichs, da dieser nicht in ihrem Referenzindex enthalten ist. Nach einer anfänglichen Phase der Underperformance erregt das abgespaltene Unternehmen gewöhnlich aufgrund seiner günstigen Bewertung das Anlegerinteresse. Ein weiterer Bereich von Arbitragechancen ergibt sich, wenn indexorientierte Marktakteure ihre Portfolios zum Aufnahme- bzw. Ausschlusstermin anpassen. Dies führt zu einer absehbaren Out- oder Underperformance der aufgenommenen bzw. ausgeschlossenen Aktien gegenüber dem Index. Die Indexanbieter geben die Aufnahmen und Ausschlüsse einige Tage oder Wochen vor dem Ereignis offiziell bekannt.

Zweitnotierungen können ebenfalls Arbitragechancen bieten. So wich das Verhältnis der beiden Notierungen von Unilever im April erheblich vom historischen Durchschnitt ab. Unilever hatte bereits im Jahr 2018 versucht, zwei Rechtseinheiten zu einem gemeinsamen niederländischen Unternehmen zusammenzufassen. Ende Juni gab das Unternehmen schließlich die Zusammenlegung zu einer gemeinsamen Rechtseinheit mit Sitz im Vereinigten Königreich bekannt. Differenzen zwischen dem Kurs einer Holdinggesellschaft und der Summe der zugrunde liegenden Geschäftsbereiche könnten ebenfalls Arbitragechancen für eine marktneutrale Handelsposition bieten. Dies ist beispielsweise derzeit bei der Deutschen Telekom und der T-Mobile US der Fall.

Ausblick: M&A-Landschaft mit ereignisbasierten Anlagechancen

Im Jahr 2008 erholte sich die Transaktionsaktivität dank geldpolitischer Impulse nach einem kurzen, markanten Rückgang von sechs bis zwölf Monaten. Diesmal wurden neben geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen auch fiskalische Stimulierungssmaßnahmen zur Stärkung der Wirtschaftstätigkeit beschlossen, die auch Fusionen und Übernahmen zugutekommen sollten. An den volatilen Märkten ergeben sich kontinuierlich ereignisbasierte Anlagechancen. Wir sind fest davon überzeugt, dass eine diversifizierte und konservative Risikoarbitrage-Strategie unabhängig von der Marktrichtung die Möglichkeit bietet, attraktive risikobereinigte Erträge zu erzielen. 

Autor: Roberto Bottoli, Fondsmanager für nicht-direktionale Aktienstrategien bei GAM Investments

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