Was löst den nächsten Abschwung aus?
In der Spätphase des globalen Konjunkturzyklus steigt für gewöhnlich die Sensibilität von Marktteilnehmern und Volkswirten für die Risikofaktoren, die möglicherweise einen nächsten Abschwung der Weltwirtschaft einläuten könnten. Dazu gehören auch die hohe öffentliche Verschuldung vieler Staaten sowie die aufgeblähten Bilanzen der wichtigsten Notenbanken. Diese haben im Rahmen ihrer quantitativen Lockerungsprogramme Staatsanleihen und im fortgeschrittenem Stadium der Maßnahmen auch Unternehmensanleihen in Billionenhöhe aufgekauft und indirekt damit auch zur Staatsfinanzierung beigetragen.
Hans Bevers, Chef-Volkswirt bei Degroof Petercam, sieht hierin jedoch keine nennenswerten Gefahren für die Weltwirtschaft: „Das globale Finanzsystem, in dem auch Notenbanken zwangsläufig eine wichtige Rolle spielen, ist ständig verschiedensten Risiken ausgesetzt. Krisen gehören zum kapitalistischen System, in dem wir leben, als ganz natürlicher Bestandteil. Eines der Ziele des ‘Quantitative Easing’ der Zentralbanken war es, die Preise von Vermögenswerten nach oben zu treiben und gleichzeitig das Renditeniveau niedrig zu halten. Primäres Ziel dabei war, einen Wohlstandseffekt zu erzeugen. Sicherlich blähten sich dadurch die Bilanzen der Notenbanken in nie gekanntem Ausmaß auf. Da liegt es nahe, mit großen Zahlen zu argumentieren und die Notenbanken für die nächste Krise verantwortlich zu machen. Das wäre zu kurzsichtig.”
Der Ökonom stimmt zwar grundsätzlich mit der Ansicht überein, dass Staatsfinanzierung nicht zur Aufgabe von Notenbanken gehören sollte. Die über die vergangenen Jahre aufgeblähten Bilanzen dieser Institutionen hält er jedoch für einen Non-Event, da die Notenbanken aufgekaufte Assets lediglich vor sich her schieben und – anders als Staaten – nicht zahlungsunfähig werden können. Außerdem sei der Ausstieg aus den quantitativen Programmen gut und vorausschauend kommuniziert worden, so dass größere Überraschungen nicht zu erwarten sind.
US-Fiskalpolitik ist gefährlich
Ein größeres Risiko für die Weltkonjunktur sieht Hans Bevers derzeit von der Fiskalpolitik der Vereinigten Staaten ausgehen: „Ein jährliches Haushaltsdefizit von 5 Prozent und mehr des Sozialprodukts sind eher unangebracht in einer Spätphase des globalen Konjunkturzyklus. Die Art und Weise, wie Donald Trump das US-Wachstum mit fiskalen Maßnahmen künstlich aufbläht, könnte die globale Konjunktur in ihrem jetzigen Stadium ernsthafter gefährden“.
Wer dennoch sein Augenmerk auf die Notenbankbilanzen richten möchte, sollte sich auch die Verschuldung der Unternehmen ansehen. Diese ist zwar tendenziell rückläufig, jedoch kaufen die Zentralbanken schon seit Längerem auch Aktien – wie zum Beispiel in Japan – und vor allem Unternehmensanleihen.
Boom bei Unternehmensanleihen: Das Beispiel Europa
Der Euro-Kreditmarkt hat in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes Wachstum gezeigt, das durch eine beispiellose Menge an politischen Impulsen seitens der EZB gefördert wurde. In der Folge wuchs der Markt auf 5-Jahres-Sicht um mehr als 700 Milliarden Euro. Bislang wurde diese Versorgung nicht als Problem angesehen, da sie leicht aufgenommen werden konnte.
Die EZB hatte mit ihren konventionellen und unkonventionellen geldpolitischen Instrumenten eine sich selbst erfüllende Nachfrage nach Anleihen geschaffen, zum einen durch die Förderung starker Kreditzuflüsse, zum anderen durch die Senkung der Leitzinsen und die Aufnahme von Investment-Grade-Euro-Anleihen in die Liste der von ihr kauffähigen Vermögenswerte.
Vor dem Hintergrund des mittlerweile reifen Kreditzyklus und zurückgefahrenen monetären Maßnahmen der EZB muss kurzfristig mit Verwerfungen am Markt für Euro-Investment Grade-Unternehmensanleihen gerechnet werden: „Im Jahr 2019 wird es keine Käufe der Notenbank mehr geben, lediglich Reinvestitionen fälliger Anleihen in Höhe von rund 5 Milliarden Euro. Auch von der Retail-Seite sind keine signifikanten Zuflüsse mehr zu erwarten“, sagt Peter De Coensel, CIO Fixed Income bei Degroof Petercam AM. „Mit dem Auslaufen des EZB-Kaufprogramms und der hohen Emissionszahl wächst die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bei Euro-Unternehmensanleihen guter Bonität. Somit sollten sich die Spreads in diesem Anleihesegment zunächst weiter ausdehnen. Für 2019 erwarten wir einen Gesamtreturn von 2,45 Prozent“.