Dezember-Frust adé – Hat der Januar die Wende gebracht?
Der Schlussmonat 2018 stellte bisherige Verhaltensweisen der Aktienmärkte auf den Kopf. Normalerweise sorgt die Weihnachtsrally für steigende Kurse, weil viele Investoren noch gezielt Aktien mit einer guten Wertentwicklung zum Jahresende ins Portfolio aufnehmen. Stattdessen verpasste der Dezember Anlegern weltweit einen gehörigen Dämpfer. Nicht nur in Europa und Japan sowie in China drückten die Marktturbulenzen die Notierungen nach unten. An der Wallstreet war es sogar der schlechteste Dezember seit 1931. Das neue Jahr ließ das Investorenvertrauen bislang jedoch zurückkehren. Die europäischen Aktienindizes Stoxx 50 und DAX zum Beispiel konnten ihre Dezemberverluste bislang weitgehend wett machen.
Was auf den ersten Blick zwar positiv wirkt, sorgt bei vielen Aktieninvestoren für Ratlosigkeit. „Oft steht die Frage im Raum, ob sich Aktien bereits in einem Abwärtstrend befinden und Rücksetzer wie der am Jahresende 2018 überhaupt noch einmalige Gelegenheiten für den Einstieg oder die Aufstockung von Aktienpositionen darstellen“, fasst Guy Lerminiaux, CIO für die fundamentale Aktienanalyse bei Degroof Petercam AM die Lage zusammen.
Um die zukünftige Richtung der Aktienmärkte einzuschätzen, können einerseits saisonale Regelmäßigkeiten untersucht werden, wie zum Beispiel der sogenannte Januar-Effekt. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Januarentwicklung nicht immer ein verlässlicher Indikator für den weiteren Jahresverlauf der Kurse gewesen ist. Andererseits lassen sich zur Beurteilung von Aktienbewertungen Kennzahlen heranziehen, wie zum Beispiel das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) - die wahrscheinlich von Finanzanalysten und -strategen am meisten verwendete Kennzahl.
KGV mit Schwächen
Diese ist zwar sehr hilfreich in Trendmärkten, doch hat sie ein bedeutendes Manko. Guy Lerminiaux verweist darauf, dass an Wendepunkten im Konjunkturzyklus die meisten Unternehmen, Analysten und Strategen dazu neigen, den Trend der zugrundeliegenden Gewinne zu dem Zeitpunkt zu extrapolieren, an dem dieser seine Richtung ändert. „Daher sendet das KGV häufig falsche Signale – und zwar zu pessimistische, wenn sich die Markt- und Wirtschaftsentwicklung im Tal befindet, und zu optimistische in der Nähe von Konjunkturgipfeln. Da sich der derzeitige Zyklus seinem Endstadium nähert, ist das KGV somit wahrscheinlich wohl nicht das beste Instrument“, gibt der Aktienstratege zu Bedenken.
Gewinne bereinigen – Aussagekraft erhöhen
Um die Aktienbewertungen breiter zu analysieren, ist es sinnvoller, entweder die Extrapolation des Gewinns pro Aktie zu vermeiden oder eine Kennzahl zu verwenden, die in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen hat und auf Robert Shiller, Wirtschaftsprofessor an der Yale University, zurückgeht. Der Nobelpreisträger entwickelte das zyklisch bereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis, das nach ihm benannte ‚Shiller-KGV‘. Diese Bewertungskennzahl ist definiert als der Aktienkurs dividiert durch die durchschnittlichen Gewinne der vergangenen zehn Jahre und bereinigt um die Inflation. Einfach ausgedrückt berücksichtigt sie die Gewinne über einen ‚vollständigen‘ Konjunkturzyklus, um die Zyklizität von Gewinn-Kennzahlen herauszunehmen und eine übermäßige Extrapolation in die Zukunft zu vermeiden.
„Allerdings hat auch das Shiller-KGV sein Manko“, betont Guy Lerminiaux. „Es würde im nächsten Jahr automatisch leicht zurückgehen, weil die schlechten Gewinn-Ergebnisse von 2009 aus dem zehnjährigen Zeitfenster herausfallen. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Gewinnerwartungen für die kommenden Jahre in einem Umfeld schwächeren Wachstums übermäßig optimistisch.“
Untersucht man das Shiller-KGV in den drei Hauptregionen USA, Eurozone und Japan, kippte die Kennzahl nach einem langen Anstieg seit 2016 abrupt im letzten Quartal 2018. Bei relativer Betrachtung sind die Bewertungen in den USA immer noch höher als die in der Eurozone und Japan. Gemessen an ihrer eigenen historischen Entwicklung sind die USA ebenso wie die Eurozone (26% bzw. 23% über ihrem Durchschnitt) weiterhin recht teuer.
Lerminiaux zufolge sollten Anleger gegenüber europäischen und US-amerikanischen Aktienmärkten langfristig eine gewisse Vorsicht walten lassen. Selbst nach den jüngsten Kursrückgängen sind diese Märkte immer noch nicht billig. Ohnehin sind Rezessionsgefahren dort noch gar nicht eingepreist. Demgegenüber erscheint Japan fairer bewertet und ist daher unter diesem Gesichtspunkt interessanter.
Das Gewinnwachstum in Europa war über die vergangenen zehn Jahre enttäuschend, und es gibt keine unmittelbaren Anzeichen dafür, dass sich dieses Bild in absehbarer Zeit zum Besseren wendet. „Das bedeutet aber nicht, dass Europa außer Acht gelassen werden sollte, sondern vielmehr, dass aktives Management bei europäischen Aktien von entscheidender Bedeutung ist, um annehmbare zukünftige Renditen zu generieren“, sagt der Aktien-Chef bei Degroof Petercam AM.