Teil 2: Wieviel Emotionalität steckt im ‚Homo Oeconomicus‘?
Intellekt, Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, persönliche Erfahrungen – diese und viele weitere individuelle Eigenschaften prägen jeden Einzelnen und unterscheiden die Menschen auf natürliche Weise wie äußere Faktoren, also zum Beispiel die Größe und das Aussehen.
Ebenso können wir uns völlig voneinander unterscheiden beim Thema Emotionalität. Emotionen sind tief verwurzelt in der Psyche des Menschen. Ernüchterung und Frust, aber auch Freude und sogar Euphorie können mitunter nah beieinander liegen. Bei jedem natürlich ganz anders – denn kein Mensch ist wie der andere. Das gilt auch für rationales Verhalten, das unter den Aspekten der Vernunft und Abwägung von Vor- und Nachteilen bzw. Chancen und Risiken zu vermeintlich wohl überlegten Entscheidungen führt.
Viele Menschen gehen mit einem eben solchen, rationalen Vorsatz an das Thema Geld bzw. Geldanlage heran. Ein durchaus guter Ansatz, denn viele ökonomische Entscheidungen wollen gut durchdacht sein. Wer Investitionen tätigt oder Geld anlegt, hat sich dies in den meisten Fällen hart erarbeitet und möchte es nicht verlieren. Im Gegenteil: Der rationale ökonomische Sachverstand führt uns schnell zu dem Schluss, dass sich Kapital bei der Anlage vermehren sollte.
Umso absurder wirken vor diesem Hintergrund die erreichten Null- oder Minuszinsen, die dazu führen, dass bestimmte Anlageformen sich nicht mehr verzinsen bzw. sogar Verluste einfahren. Geld zu verdienen ist aber der ganz natürliche Wunsch eines jeden Anlegers. Dieses Ziel erfolgreich in die Tat umzusetzen, misslingt jedoch häufig.
Und da ist man auch schon wieder schnell beim Thema Emotionen. So mancher ist verärgert über das niedrige Zinsniveau. Schaut er sich am Kapitalmarkt um, findet er dennoch renditeträchtigere Alternativen zu Staatsanleihen und Sparkonten. Wie zum Beispiel die Aktie. Doch muss sich jeder Anleger, der zu Aktien greift, auch die Frage stellen, inwieweit diese Anlageform überhaupt bzw. zu welchem Anteil seines Gesamtportfolios zu seinen Anlagezielen und Risikoneigungen passt.
Da Aktie nicht gleich Aktie ist, steht auch schnell die Frage im Raum, welche Aktien denn für den Einzelnen die Richtigen sind. Bewertung lautet das Stichwort, d.h. ist die einzelne Aktie noch unterbewertet oder gar schon zu teuer? Gleiches gilt auch für andere risikoreichere Asset-Klassen, wie zum Beispiel Rohstoffe, Währungen oder auch Private Equity.
Null Emotionen!?
Lange Zeit haben die Wirtschaftswissenschaften das Bild eines rationalen, ausschließlich „wirtschaftlich” denkenden und nutzenmaximierenden Verbrauchers bzw. Anlegers gezeichnet, der sogenannte ‚Homo Oeconomicus‘. Dieser konnte quasi gar keine emotional behafteten Fehler machen, denn das Hauptmerkmal des Homo Oeconomicus ist seine Fähigkeit zu uneingeschränktem rationalem Verhalten.
Möglich wird dies in der Theorie durch lückenlose Informationen über sämtliche Entscheidungsalternativen und deren Konsequenzen.
Die Analysen der klassischen Wirtschaftstheorie, die auf den Schotten Adam Smith zu Beginn des 17. Jahrhunderts zurückgeht, setzten demnach eine vollkommene Markttransparenz voraus und einen Menschen als perfekten, kalten und emotionslosen Rechenautomaten.
Dieses Modell erschien zwar schon damals so manchem unrealistisch, dennoch hat dieses vereinfachte Menschenbild bis in die Neuzeit der Wissenschaft enorme Fortschritte bei der Ausarbeitung ökonomischer Theorien ermöglicht. Hierzu zählt zum Beispiel die ‚Prospect Theory‘, die das strikt rationale Modell des Homo Oeconomicus durch ein Modell erweitert, in dem die Rationalität unter anderem durch so genannte kognitive Verzerrungen, also systematische fehlerhafte Neigungen beim Wahrnehmen, Erinnern, Denken und Urteilen, modifiziert wird.
Aus ‚Homo Oeconomicus‘ wird ‚Homo emotionalis‘
Weiter revolutioniert wurde die Betrachtungsweise durch moderne Forschungsansätze. Sie stellen einen Menschen in den Mittelpunkt, wie er tatsächlich ist, und nicht, wie er theoretisch sein sollte. Dazu zählen die Arbeiten des US-amerikanischen Wissenschaftlers Richard Thaler, wofür er 2017 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt. Er hat gezeigt, dass unter anderem begrenzte Rationalität, soziale Präferenzen und ein Mangel an Selbstbeherrschung systematisch Entscheidungen und Marktergebnisse beeinflussen. Der 73-jährige Pionier der Verhaltensökonomie belegt mit seinen langjährigen Untersuchungen, dass sich der Mensch – wie in anderen Lebensbereichen – auch bei wirtschaftlichen Fragen und der Geldanlage sehr stark von seinen Emotionen leiten lässt und weit weniger rational ist, als dies lange angenommen wurde.
Thaler unterscheidet zwischen dem „planerischen Ich“, das langfristig denkt und rationalen Beweggründen folgt, und dem „agierenden Ich“, das unstet ist, kurzfristig denkt und sich von Stimmungen und Emotionen leiten lässt. Eine Unterscheidung, die auf die verschiedensten Lebenssituationen zutrifft - zum Beispiel bei der Entscheidung, mit dem Rauchen aufzuhören, oder auch beim Konsumieren und Geldanlegen.
Thaler stellte diese Ambivalenz, also die langfristige Rigorosität und die kurzfristige Laxheit des Menschen in das Zentrum seiner Forschungen. Dafür standen unter anderem eine ganze Reihe von anthropologischen Fragestellungen im Blickpunkt: „Wie funktioniert das menschliche Gehirn?“, „Welche biochemischen Prozesse laufen dabei ab?“, „Wie treffen Menschen Entscheidungen?“ „Welchen Einfluss haben dabei psychologische Faktoren?“.
Auf Aspekten wie diesen und der Tatsache, dass regelmäßig irrationale Entscheidungen getroffen werden, basiert die Behavioral Finance. Denn Fehlentscheidungen und Herdenverhalten führen auch an den Finanzmärkten zu abweichenden Tendenzen von der Theorie des rational handelnden Homo Oeconomicus. Tatsächlich neigen Anleger in der Realität bei negativen wie auch positiven Nachrichten und Ereignissen an den Märkten zu emotionalen Übertreibungen. In der Folge entstehen Fehlbewertungen – sei es, dass einzelne Aktien übertrieben abgestraft oder übertrieben gefeiert werden.
Als Pionier der Behavioral Finance hat DPAM die akademischen Erkenntnisse der Finanzverhaltensökonomie von Richard Thaler in einen streng regelbasierten Investmentprozess eingebettet, der entstandene Fehlbewertungen an den Märkten systematisch nutzt. Dieser soll im
5. Teil der ‚Behavioral Finance Akademie‘ näher beleuchtet werden. Der erste Fonds wurde bereits 2002 auf der Grundlage verhaltensbasierter Erkenntnisse aufgelegt. Mittlerweile verwaltet DPAM mehr als 2,5 Milliarden Euro in insgesamt drei Behavioral Value-Strategien, die auf die Aktienmärkte der USA, Europas und der Eurozone fokussiert sind.
Vorschau
Der nächste Teil der Behavioral Finance Akademie von DPAM beschäftigt sich mit den Fehlern, die Menschen bei der Kapitalanlage machen. Untersucht wird dabei auch die Frage, warum Anleger das Risiko oft falsch einschätzen.
DPAM (Degroof Petercam AM) versteht sich als Pionier des Investierens nach den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie. Bereits seit dem Jahr 2002 nutzt DPAM verhaltensbedingte Preisanomalien an den Kapitalmärkten im Rahmen quantitativ gemanagter Value-Strategien und erzielt dabei kontinuierlich überdurchschnittliche Anlageergebnisse. Mittlerweile werden mehr als 2,5 Milliarden Euro in insgesamt drei Behavioral Value-Strategien verwaltet, die auf die Aktienmärkte der USA, Europas bzw. der Eurozone fokussiert sind.
Aufbauend auf dieser Erfahrung möchte DPAM mit seiner ‚Behavioral Finance Akademie‘ einen Beitrag leisten, um mehr über die Hintergründe einer Anlagestrategie zu informieren, die in weit größerem Maße auf Theorien und akademischer Forschung basiert als viele andere Investmentansätze.
Anknüpfend an das berühmte Zitat von Value-Investorenlegende Warren Buffet „Investiere niemals in etwas, das du nicht verstehst“ soll die ‚Behavioral Finance Akademie‘ dabei helfen, in kompakter Form wichtiges Wissen zu vermitteln und Anlegern einen erfolgreichen, aber bislang noch relativ wenig beachteten Investmentansatz näher zu bringen.