Unternehmen, die in ihrer digitalen Reise bereits einen Schritt voraus waren, übernehmen jetzt Marktanteile (man denke an Nike versus Adidas). Sie sind bereit, ihre digitalen Investitionen weiter zu beschleunigen, um diese Siegesserie aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig sind die anderen Unternehmen nun gezwungen, eine massive digitale Aufholjagd zu starten, um sich über Wasser zu halten. Tatsächlich schaltet die Weltwirtschaft in Sachen Digitalisierung merklich in den nächsten Gang.
Besonders interessant ist die starke Outperformance des Nasdaq Composite im Vergleich zu den meisten anderen globalen Indizes. Wie immer, wenn Technologieaktien gut abschneiden, bekommen (Privat-)Investoren Schwindelgefühle, weil dies „sicherlich eine weitere Technologieblase sein muss“. Für ein klares Bild muss jedoch ein entscheidender Trend hinter dieser Outperformance abgewogen werden: Und zwar die digitale Transformation der Weltwirtschaft, die seit vielen Jahren an vielen Fronten im Gange ist. Unternehmen setzen zunehmend Software ein, um ihre Produktivität zu steigern, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen oder Kosten zu sparen. Inzwischen nehmen auch die Verbraucher Technologien in einem bisher nicht gekannten Tempo an: Von der verstärkten Nutzung des E-Commerce bis hin zu digitalen Lösungen im Zahlungsverkehr oder im Gesundheitswesen. All dies wiederum erfordert größere, bessere und schnellere Netzwerk- und Cloud-Kapazitäten.
Bis zu einem gewissen Grad, so argumentiert Alexander Roose, ist dies auch auf das rationale Verhalten der Investoren zurückzuführen. In Zeiten hoher Volatilität und großer Unsicherheit ziehen Anleger es vor, bei Unternehmen Zuflucht zu suchen, die von diesen Trends profitieren und sowohl eine hohe Visibilität als auch ein gutes Momentum bieten. Solange sich Anleger über die Form des Aufschwungs oder über die Wahrscheinlichkeit einer weiteren großen Covid-Welle unsicher sind, ist es zudem unwahrscheinlich, dass sie ihre Strategien in absehbarer Zeit ändern werden. Die wahrscheinliche Fortsetzung des Niedrigzinsumfelds bestätigt diese Perspektive zusätzlich.
Zu guter Letzt waren wir Zeuge einer groß angelegten Schließung von Fleischbetrieben, nicht nur in den USA. Die dortige hohe Arbeiterdichte stellt während der Pandemie ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Die Folge ist eine höhere Bereitschaft, verstärkt in Automatisierungstechnologien zu investieren. Mehr noch: Es ist zu einer Überlebensfrage geworden, da das derzeitige Arbeitsregime der Fleischverpackungsbetriebe sein Verfallsdatum längst überschritten hat. Auch hier werden also wieder Unternehmen mit innovativen Technologien (z.B. 3D- oder Sensorsysteme zur Erkennung von Knochen oder Fremdmaterial) gewinnen.
Massive Liquiditätsspritzen und eine für Stabilität sorgende Finanzpolitik haben bisher eine ausgewachsene Solvenzkrise abwenden können. Gleichzeitig haben sie aber auch eine Zweiteilung zwischen der wirtschaftlichen Realität und dem Börsenverhalten geschaffen, wie wir sie selten zuvor gesehen haben. Wir lassen die Vorzüge des Diskontierungsmechanismus der Aktienmärkte nicht außer Acht. Dennoch glauben wir, dass hier bereits vorgegriffen wird – zum Teil getrieben durch massive private Zuflüsse. Unternehmen werden in Konkurs gehen, Verbraucher werden ihre Sparquoten erhöhen, und es wird mehr als ein paar Quartale dauern, bis ein wirksamer und weithin verfügbarer Impfstoff zur Verfügung steht. In diesem weitreichenden Aktienumfeld ist nicht alles zum Scheitern verurteilt. Für den aktiven Fondsmanager gibt es eindeutig noch viele Anlagemöglichkeiten.