„Für den Moment haben die Aktienmärkte die Renditewende gut weggesteckt, da sich die finanziellen Bedingungen nicht verschärft haben, der Inflationsdruck gut eingedämmt ist und die Realrenditen komfortabel im negativen Bereich bleiben. Darüber hinaus haben Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks beeindruckende Ergebnisse für das vierte Quartal gemeldet“, sagt Alexander Roose, Chef-Aktienstratege bei DPAM. „Derzeit übertreffen die hervorragenden Wachstums- und Gewinnaussichten den Gegenwind, den ein höherer Diskontierungssatz auf die Aktienbewertungen ausübt, außer bei überbewerteten Aktien.“ Unter der Oberfläche hingegen vollzog sich eine frenetische Neuausrichtung des Marktes. Die Aktienmarktteilnehmer scheinen dazu getrieben zu sein, entweder in Wachstums- oder Value-Faktoren zu investieren, mit sehr wenig Spielraum in der Mitte. Sie verfolgen einen Anlagehorizont, der anscheinend nicht weiter als sechs Monate reicht. Darüber hinaus begeben sie sich in die Abhängigkeit von den Maßnahmen und Worten der Zentralbanker. All dies führt zu einem erratischen und volatilen Aktienmarktverhalten. Erschwerend kommen die Dominanz von ETFs, der zunehmende gehebelte und spekulative Handel und die in den vergangenen Wochen auftretenden positiven Korrelationen zwischen Anleihen und Aktien hinzu.
Derweil sind die Tage eines gut eingedämmten Volatilitätsindex längst gezählt – so der DPAM-Aktienexperte -, und wir sollten uns daher an strukturell höhere Volatilitätsniveaus gewöhnen. Die starke Widerstandsfähigkeit der Aktienmärkte, die bisher zu beobachten ist, könnte im Falle weiterer Turbulenzen an den Anleihenmärkten auf eine harte Probe gestellt werden. Obwohl Alexander Roose kein großer Fan davon ist, Unternehmen in Stil-Kategorien einzuteilen, ist die überdurchschnittliche Wertentwicklung von Assets, die nicht unter dem Anstieg der langfristigen Renditen bei Anleihen und den entsprechenden Diskontierungssätzen leiden, für ihn bemerkenswert und ein Beleg für die Fixierung auf langfristige Renditen.
Zugegeben, eine Art „Marktbereinigung“ von Unternehmen, deren Generierung von freiem Cashflow weit in die Zukunft prognostiziert wird, war längst überfällig und eine willkommene Entwicklung, auch von Seiten der Zentralbanken. Demgegenüber werden einige wertorientierte Sektoren überproportional von einem zyklischen Aufschwung profitieren – obwohl dies bereits gut eingepreist ist – und weniger unter einem höheren Diskontierungssatz leiden. „Wir befürworten es jedoch nicht besonders, sich zu sehr auf makroökonomische Impulse wie Renditen oder Inflation zu konzentrieren, um mit Überzeugung in strukturell wachsende Trends zu investieren und robuste Portfolios zu konstruieren“, beschreibt Alexander Roose die DPAM-Philosophie.
Als Beispiel nennt er das Immobilien-Segment. In der Vergangenheit profitierte der gesamte Immobiliensektor von einer steigenden Inflation durch höhere Mieten, da die Verträge in der Regel an den Verbraucherpreisindex gekoppelt sind. Die Voraussetzung dafür, dass dieser Mechanismus nachhaltig erhalten bleibt, ist, dass der Vermieter seine Preissetzungsmacht auf Dauer behält. In einigen Nebensegmenten des Immobiliensektors wie Einkaufszentren oder Bürogebäuden hat sich das Kräfteverhältnis zwischen Vermietern und Mietern bereits zu Gunsten der Letzteren verschoben und mit COVID sogar noch beschleunigt.
Nur die besten Anlagen in diesen angeschlagenen Nebensegmenten des Immobiliensektors werden ihren Status als Inflationsabsicherung behalten. Daher ist es nicht sehr naheliegend, aus einer steigenden Inflation direkte Schlüsse für einen typischen Inflationsprofiteur zu ziehen, wie es vielleicht zunächst erscheint. Aus bilanzieller Sicht können steigende Zinsen das Portfolio eines Vermieters in Mitleidenschaft ziehen (z. B. Verletzung von Vertragsklauseln, erzwungener Verkauf von Vermögenswerten). Und das gilt insbesondere, wenn die zugrunde liegenden Vermögenswerte niedrig verzinst sind und hohe Beleihungsquoten aufweisen. Auswahl und Überzeugung sind wiederum entscheidend, um fundierte Anlageentscheidungen zu treffen. „Mit Blick auf das aktuelle Marktumfeld stellen wir fest, dass sich in der Kategorie der so genannten Aktien mit Anleihecharakter (Bond-Proxies) wie börsennotierte Immobiliengesellschaften, Versorger, Basiskonsumgüter oder große Pharmaunternehmen Ertragspotenzial abzeichnet“, betont der CIO Fundamental Equity bei DPAM.
Auch wenn die Zinssätze ein entscheidender Top-Down-Einflussfaktor für die zukünftige Entwicklung eines bestimmten (Teil-)Sektors sein können, müssen auch andere wesentliche Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Oft werden bei dieser Top-Down-Analyse die disruptiven Kräfte unterschätzt. Was auf lange Sicht zählt, ist die tatsächliche Fähigkeit eines Unternehmens oder Teilsektors, sich zu steigern und Shareholder Value zu schaffen, und nicht die wankelmütige Meinung der Anlegergemeinde über die kurzfristigen Aussichten. Darüber hinaus wird die Langlebigkeit der Wertschöpfung von den Marktteilnehmern oft unterschätzt und ist somit eine Ursache von Marktineffizienz. Vorausgesetzt, dass sie zu angemessenen Bewertungskennzahlen gekauft werden, verfügen steigerungsfähige Unternehmen (also solche mit langfristigen Wachstumsperspektiven) über die Qualität, langfristig eine Outperformance zu erzielen. Außerdem können sie die Inflation aufgrund ihrer stärkeren Preisgestaltungsmacht und höheren Margen besser verkraften, während sie ihr Geschäft mit einem geringeren Fremdkapitaleinsatz führen.
„Bei der Steuerung der Portfolios in unterschiedlichen Marktsituationen und unter Berücksichtigung der heftigen Ausschläge an den Aktienmärkten in der Vergangenheit konzentrieren wir uns auf Elemente wie Liquidität, Inflation oder Zinssensitivität auf Portfolioebene, wie z.B. die Berücksichtigung von mehr „Quality-Value“-Ideen, da sie die Robustheit des Portfolios erhöhen können. Ein Barbell-Ansatz, der Unternehmen mit „gesundem Wachstum zu einem angemessenen Preis“ und „günstigen, aber nicht defekten Geschäftsmodellen“ berücksichtigt, ist im Portfoliokonstruktionsprozess zu jedem Zeitpunkt entscheidend“, fasst Alexander Roose zusammen.
Interessierte LeserInnen finden hier den vollständigen Kommentar von Alexander Roose.