DPAM-Stratege: Fiskalische und monetäre Klimapolitik müssen sich gegenseitig verstärken

DPAM | 22.07.2021 08:09 Uhr
Peter De Coensel, CIO Fixed Income bei DPAM / © e-fundresearch.com / DPAM
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Schlüsselbotschaften

Die im November stattfindende UN-Klimakonferenz in Glasgow wird ein Moment in der Geschichte sein, den die politische Führung nutzen sollte, um eine sofortige Kehrtwende bei den Treibhausgas-Emissionen durchzusetzen. Die Zeit der Kaffeekränzchen ist vorbei, jetzt heißt es Umsetzen!

Fiskalische und monetäre klimapolitische Maßnahmen werden sich mit traditionellen fiskalischen und monetären Strategien vermischen. In den gegenwärtigen Reaktionsfunktionen der Zentralbanken werden Aspekte der Klimaanpassung Berücksichtigung finden. Das entsprechende Research steht noch am Anfang, sollte aber Beachtung finden.

Die fiskalpolitischen Bestrebungen auf supranationaler Ebene zeigen die Bereitschaft und die hohen Ambitionen. Allerdings wird auf nationaler Ebene eine ähnliche Einschätzung für die Dringlichkeit erforderlich sein, um bis 2030 die Trendwende zu erreichen. Seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 ist wertvolle Zeit verloren gegangen, da die USA beschlossen hatten, die globalen Anstrengungen zwischen 2016 und 2020 zu blockieren.

Lassen Sie uns einen Denkansatz erarbeiten, um über die aktuellen Bewertungen in den verschiedenen Anlageklassen an den Finanzmärkten nachzudenken. Bei der langfristigen Betrachtung geht es um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Geld- und Fiskalpolitik, während der mittelfristige Blickwinkel die Länge des aktuellen Konjunkturzyklus oder besser die Erwartung, dass es ein sehr kurzer sein könnte, fokussiert. Der kurzfristige Blickwinkel thematisiert schließlich, was eine Korrektur bei Risikoanlagen auslösen könnte. Viele Marktteilnehmer würden eine Korrektur begrüßen, um die Märkte mit dem nötigen Antrieb für einen nächsten, soliden Anstieg zu versorgen.

Die Europäische Kommission kündigte das Programm „Fit for 55“ an, mit dem die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gesenkt werden sollen, wobei das Jahr 1990 als Basis dient. Bis 2019 hatte die EU ihre Emissionen bereits um 24 % gegenüber 1990 gesenkt. Somit würde der Plan eine weitere Senkung um 31 % in den nächsten neun Jahren bedeuten. Dieser schlägt zwölf Maßnahmen vor, die auf die Bereiche Energie, Industrie, Verkehr und Gebäudeheizung abzielen. Industrie und Haushalte werden ermutigt, auf einen grüneren Energiemix umzusteigen. Dazu zählt ein weltweit einzigartiges Grenzzollsystem, das Importe von CO2-emissionsintensiven Gütern wie Stahl und Zement, die außerhalb der EU produziert werden, besteuert. Die Verhandlungen werden mindestens zwei Jahre andauern. Der Ehrgeiz tritt hier in den Hintergrund, trotz inspirierender Vorschläge wie einem Verkaufsverbot für neue Autos mit Verbrennungsmotor bis 2035. In Bezug auf national festgelegte Beiträge bis Ende 2020 läuten bei der UN die Alarmglocken. Die vielversprechenden Maßnahmen der USA, Chinas und der EU reichen bei weitem nicht aus, um das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen.

Der Weltklimarat (IPCC) fordert einen globalen Emissionsrückgang von 45% im Jahr 2030 gegenüber dem Stand von 2010, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen und die globale Erwärmung auf etwa 1,5 °C zu begrenzen. Scheinbar jonglieren einzelne Länder und Regionen mit den Basisjahren. Die Bestrebungen unterscheiden sich je nach Reduktionszielen, die von den Basisjahren 1990, 2010 oder 2016 ausgehen. Die Ambitionen zur Treibhausgasreduktion sollten sowohl in absoluten Zahlen als auch in Form eines Pro-Kopf-Fußabdrucks angegeben werden. Momentan steigen die globalen Treibhausgasemissionen noch an. Alles hängt von der strikten Umsetzung der nationalen Ziele in allen Regionen ab, wobei das UN-Konzept des „fairen Anteils“ zum Tragen kommen muss, das die Messlatte für die Industrieländer gegenüber den Schwellenländern höher legt. Bezogen auf den Pro-Kopf-Ausstoß tragen China und die USA mit etwa 40 % der globalen Treibhausgasemissionen eine hohe Verantwortung. Weitere Updates zu den nationalen Zielen vor dem COP26-Gipfel in Glasgow Ende dieses Jahres sollten zu erwarten sein. Leider zeigen die aktuellen nationalen Werte, dass wir uns auf einem Pfad von etwa 1% der Treibhausgas-Reduktionen bis 2030 befinden, im krassen Gegensatz zu den vom Weltklimarat geforderten 45%. Diese Zahl steigt auf 25%, wenn wir unter einem Anstieg der globalen Erwärmung von 2°C bleiben wollen. 55% sind immer noch ein Kompromiss, da die Europäische Union um etwa weitere 10% reduzieren sollte (d.h. 65% gegenüber dem Niveau von 1990 oder etwa 60% gegenüber dem Niveau von 2010), um die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten. 

Die Steuerung des Klimawandels in den Händen der politischen Elite ist fragil und anfällig für Schlupflöcher. Die Einführung einer Fiskalpolitik, die Risikominderung und Verhaltensänderungen in Umweltfragen unterstützt, ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung! Der Einsatz der Geldpolitik kann die Erfolgswahrscheinlichkeit aber erhöhen. Die EZB, die Bank of England und seit letzter Woche auch die Bank of Japan haben das Klimarisiko in ihren Policy-Mix mit aufgenommen. Zentralbanken können die Finanzierungskanäle von Regierungen und Unternehmen auf globaler Ebene steuern. In dem Moment, in dem die Finanzierungskosten für „Enabler“, die den ökologischen Fortschritt fördern bzw. anführen, attraktiv werden, sollten nachzüglerische Unternehmen und Regierungen anfangen, aufmerksam zu werden. In vielen Fällen könnte die Umwelt zu einem strategischen „Ziel Nr. 1“ werden. Dazu könnte die Geldpolitik auch die Finanzierung bestehender oder zukünftiger Unternehmungen erleichtern, die Innovationen im Allgemeinen oder technologische Durchbrüche im Besonderen vorantreiben. Fiskalische und monetäre Klimapolitik sollten sich gegenseitig verstärken. Angesichts der oben erwähnten gigantischen Herausforderungen werden maßvolle Finanzierungskosten erforderlich. Da die Bühne global ist, glaube ich, dass sich die langfristigen Zinssätze über einen Horizont bis 2030 auf einem Konvergenzpfad befinden. Ein Pfad, der die Renditen für Staatsanleihen wie auch für Unternehmensanleihen auf dem aktuellen Niveau verankert.

Mittelfristig betrachtet ist ein kürzerer Konjunkturzyklus nötig, während die COVID-19-Pandemie besiegt wird. Die globale Wiedereröffnung der Wirtschaft hat viel Reibung in den Nachfrage- und Lieferketten verursacht. Sie haben jedoch eine erstaunliche Widerstandsfähigkeit bzw. Fähigkeit, sich wieder zu erholen gezeigt. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Produktionslücken schließen, bestimmt auch, wie früh der Zyklus endet. Es ist zu erwarten, dass eine Überhitzung zu einer verantwortungsvollen Straffung der Geldpolitik in den Industrie- und Schwellenländern führen wird. Letzte Woche beendete Neuseeland sein Programm quantitativer Maßnahmen, weitere Industrieländer werden folgen. Die FED wird bis zum Ende des Sommers einen „Tapering-Beginn Anfang 2022“ ankündigen. Dies korrespondiert mit der Hausse an den Anleihenmärkten in den letzten anderthalb Monaten, in denen die US- und schließlich auch die EU-Anleihenmärkte den „kurzen Zyklus“ als Basisszenario gewählt haben. Dabei ist zu erwarten, dass ein vollständiger Zinserhöhungszyklus im Vergleich zu den letzten 40 Jahren eher bescheiden ausfallen wird. Der endgültige Leitzins der FED wird nicht bei 2,25% bis 2,50%, sondern möglicherweise „nur“ zwischen 1,25 % und 1,50 % liegen. Dies könnte die positive Entwicklung am US-Staatsanleihenmarkt erklären und steht auch in Verbindung mit den oben genannten längerfristigen Herausforderungen. Fiskalisch unterstützende Umweltinvestitionen werden im normalen Finanzjargon einen niedrigen „Return on Investment“ erzielen, aber einen hohen Mehrwert für die Menschen und den Planeten. Die Erzwingung negativer Realrenditen auf der globalen Investitionsszene ist ein Nebenprodukt dieser komplexen Realität.

Kurzfristige Faktoren, die eine Marktkorrektur auslösen könnten, sind indes am einfachsten auszumachen: Die Märkte behandeln erneute COVID-Wellen als „Tail-Risk“. In dem Moment, in dem dies das Basisrisiko ablöst, könnte die Korrektur scharf ausfallen. Die Impfquoten sind in einigen entwickelten Ländern unzureichend und in den Schwellenländern eigentlich nicht vorhanden. Eine weltweite Massenimpfung wird jedoch irgendwann zu einer Herdenimmunität führen und COVID-19 auf den Status einer Grippe abwerten

Peter De Coensel, CIO Fixed Income bei DPAM

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