Am vergangenen Freitag schloss der Euro gegenüber dem Dollar bei 1,1240, was einer Aufwertung von etwa 8 % seit Jahresanfang entspricht. Ein Dollar-Exposure von 25 % in einem diversifizierten, ausgewogenen Portfolio hätte im Jahr 2021 unabhängig von der Vermögensallokation 2 % zur Wertentwicklung beigetragen. Ein angemessenes Exposure in Fremdwährungen bietet Diversifizierungsvorteile und kann für Auftrieb im Portfolio sorgen. Dies war 2021 eindeutig der Fall. Wir werden das Verhalten der wichtigsten Reservewährungen gegenüber dem Euro, dem DXY-Index (USD gegenüber den sechs wichtigsten Währungen der Industrieländer) bzw. dem EMCI-Index (JP Morgan Emerging Market Currency Index) beleuchten. Wir ziehen eine Bilanz der sich verändernden globalen Handelsdynamik sowie der relativen Geldangebotsdynamik und vergleichen die Reaktionsfunktionen der Zentralbanken bzw. die EUR/USD-Breakeven-Punkte Ende 2022 und 2023, ausgedrückt durch Forwards und Verhaltensfaktoren.
Welthandel als Verlierer?
Der Welthandel ist im Jahr 2020 um 8,9 % zurückgegangen, was immer noch weniger ist als in den Jahren 2008/2009. Die Pandemie hat den Dienstleistungssektor stärker getroffen als den Warenhandel. Der Handel mit Dienstleistungen (etwa 25 % des Welthandels) ging im Jahr 2020 um 20 % zurück, was etwa dem Vierfachen des Rückgangs bei Waren entspricht. Schwankende, aber im Allgemeinen strenge Beschränkungsmaßnahmen dämpften die Erholung des Dienstleistungssektors im Jahr 2021. Der Warenhandel hat sich stark erholt, da die Fabrikschließungen begrenzt waren. Die steigende (aufgestaute) Nachfrage im Jahr 2021 führte zu erheblichen Engpässen in den Lieferketten. Insgesamt wurde der Welthandel in Mitleidenschaft gezogen. Die Pandemie hat sich negativ auf die Fähigkeit des Welthandels und die allgemeine Wachstumsdynamik ausgewirkt, synchron zu verlaufen. Der Mangel an harmonischen Handelsmustern zwischen den regionalen Handelsblöcken spricht für eine weitere Stärkung des US-Dollars. In den letzten fünf Jahren wurde der Welthandel durch Trumps Rückzug und die Einführung protektionistischer Strategien stark in Mitleidenschaft gezogen. Für Schäden sorgte zudem die globale Gesundheitskrise, die sich immer mehr verfestigt.
Ende 2020 / Anfang 2021, als hochwirksame Impfstoffe auf den Markt kamen, bereitete sich der Dollar-Index (DXY) auf einen synchronen globalen Wachstumsschub vor. Die Korrektur auf 89 im Februar dieses Jahres war jedoch nur von kurzer Dauer. Das Aufkommen von Corona-Varianten machte sich bemerkbar. Omikron, eine Variante, die uns wieder in Richtung Lockdown katapultiert, hat die Delta-Variante abgelöst. Ein Wiederanstieg auf das Niveau des DXY-Index von 103,00 ist nicht auszuschließen. Dieses Level würde eine Aufwertung des USD um 6,5 % gegenüber den sechs wichtigsten Währungen (EUR, JPY, GBP, CAD, SEK und CHF) bedeuten. Der DXY-Index schloss vergangenen Freitag bei 96,57. Die große Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 markierte einen langfristigen Tiefstand des DXY-Index bei 70. Die Zukunft des US-Dollars als globale Reservewährung schlechthin und als solide Portfolioabsicherung in Stresssituationen sieht gut aus. Während die FED im März 2020 eine verantwortungsvolle und führende Rolle spielte, indem sie die Bereitstellung von reichlich USD-Liquidität über die weltweiten Handelskanäle vorantrieb, änderte sie Ende des Sommers ihren Kurs und meint es ernst, wenn es um die Verankerung von Inflation und Inflationserwartungen geht.
Zentralbanken lassen Aufhorchen
Der Schwenk von Fed-Präsident Powell Ende September mit der Ankündigung des Endes der quantitativen Lockerungen (QE), hat den Geldmengenimpuls des Dollars gebremst. Die Verdoppelung des QE-Reduzierungstempos auf 30 Mrd. USD pro Monat am vergangenen Mittwoch, wird der US-Währung Aufschwung verleihen. Das M2-Geldmengenwachstum in den USA erreichte Ende des ersten Quartals einen massiven Anstieg von 25 % auf Jahressicht. Heute liegen wir bei 13% und erwarten einen weiteren Rückgang auf 5 bis 10% im ersten Halbjahr 2022. Das M2-Wachstum der EZB könnte im Laufe des Jahres 2022 weniger stark gebremst werden, da die Intensität der quantitativen Lockerung auch nach März 2022, wenn die aktive quantitative Lockerung der FED auf null sinkt, bei 40 Mrd. EUR pro Monat bestehen bleibt. Diese Geldangebotstrends sind nicht förderlich für eine synchronisierte globale Handelserholung. Im Laufe des März 2020 erreichte das Währungspaar EUR/USD Tiefststände im Bereich von 1,0650. Die Chancen für einen möglichen erneuten Test im Jahr 2022 stehen nicht schlecht. Was die Wirtschaftsräume der Schwellenländer angeht, wird die US-FED notleidenden Ländern Swap-Linien in Dollar garantieren. Dennoch werden einige Schwellenländer bei einer wiedererstarkten US-Währung vor größeren Herausforderungen stehen als andere. Eine solide Länderauswahl und eine relativ hohe Rendite von fast 6,00 % für Schwellenländer-Staatsanleihen in lokaler Währung sollten einen angemessenen Schutz bieten, sobald der EMCI-Index weiter fällt. Kurzum: Der Faktor ‘Carry’ sollte den Risiken von Schwellenländerwährungen trotzen.
In der vergangenen Woche haben zahlreiche Zentralbanken ihre jeweiligen Reaktionsfunktionen dargelegt. Die FED stach hervor. Die Bank of England startete widerwillig mit einer Anhebung des Diskontsatzes von 0,10 % auf 0,25 %. Die Europäische Zentralbank befindet sich immer noch im Autopilot-Modus, bereitete die Teilnehmer jedoch mit der Botschaft, dass sie die Reinvestition von Kapital und Kupons bis Ende 2024 fortsetzten wird, auf ein längeres Tapering vor. Wenn sich die Aufregung gelegt hat, ist der klare Gewinner am Währungsmarkt der US-Dollar und die FED, deren Glaubwürdigkeit gestärkt wurde. Angesichts der vielen Informationen, die in den Normalisierungspfaden für die Leitzinsen enthalten sind, sollte man sich die Forwards des EUR/USD-Paars per Ende 2022 und 2023 ansehen. Diese Niveaus ergeben einen Break-even-Punkt auf nicht-gehedgter Basis, das heißt, wenn wir darunterbleiben, lohnt es sich, heute in USD zu investieren. Per Weihnachten 2022 wird der EUR/USD-Kurs bei 1,1360 gehandelt. Zum Ende 2023 notiert der EUR/USD-Forward bei 1,1560. Zur Information: Der 5-Jahres-EUR/USD-Forward liegt bei 1,2150, während der 10-Jahres-Forward bei 1,3070 schloss. Der Konsens bewegt sich auf diese Niveaus hin, da die Vorhersage solcher Niveaus ein geringeres (Reputations-)Risiko birgt. Im Mittelpunkt steht natürlich, den richtigen Weg zu bestimmen. Ende 2023 werden die US-Leitzinsen, so wie sie von den Futures-Märkten eingepreist werden, bei 1,50 %-1,75 % stehen. Eine umsichtige Allokation in USD sollte eine Aufgabe für 2023 sein, nicht eine Sorge für 2022.
Behavioral Finance als Entscheidungsträger
Ich möchte mit einigen Begriffen aus der Verhaltenstheorie und der Finanzwelt schließen. Der Grundgedanke der Behavioral Finance beruht auf der Annahme, dass unsere Emotionen und Neigungen unsere Entscheidungen beeinflussen. Aber auch das Energieniveau spielt eine wichtige Rolle. Es wird zwar weniger erwähnt, aber die richtige Energieerhaltung (nicht müde zu sein) wird neben der Fähigkeit, viele Szenarien zu erfassen, zu einer weniger von Neigungen geprägten Entscheidungsfindung führen, wenn man weniger unter Zeitdruck steht (die Fähigkeit hat, sich unterschiedliche Ideen einzuprägen). Auch die Gruppe, in der Sie arbeiten und leben, macht einen wichtigen Unterschied. Je vielfältiger die Gruppe ist, desto besser, da dies zu einer ausgewogeneren Entscheidungsfindung führt. Je höher die psychologische Sicherheit, desto höher die Qualität und Unabhängigkeit der Entscheidungen. Je größer die Fähigkeit, Gewohnheiten zu ändern, desto geringer ist die Bedrohung durch neigungsgeprägte Entscheidungen. Es lohnt sich, die obigen Aussagen noch einmal zu verinnerlichen.
Diversifizierung als bestes Instrument
Ein Instrument zur Bekämpfung unserer Neigungen besteht in der Formulierung verschiedener Diversifizierungsstrategien. Bei der Lösung von Investitionsgleichungen können Quant-Kollegen eine große Hilfe sein, um bestimmte neigungsbasierte Gedanken und Verhaltensweisen zu vermeiden. Erfolgreiche aktive Manager sind sich jedoch auch der Notwendigkeit bewusst, Energie zu sparen und zeitliche Beschränkungen zu vermeiden. Seien Sie sich der Fallstricke eines zu engen Gruppendenkens bewusst. Dies gilt für alle Anlageklassen. Aber Währungen sind oft eine leichte Beute. Dollar-Prognosen sind allgegenwärtig. Dieser Beitrag soll Vertrauen in den Greenback vermitteln.
Beste Antwort "Vielleicht"
Vertrauen, das auf seiner langfristigen Legitimation als Tausch-, Rechnungs- und Wertaufbewahrungseinheit beruht. Ich höre Sie jetzt sagen: „Haben Kryptowährungen das nicht auch?“ Die beste Antwort ist „vielleicht“. Mit Kryptowährungen können Sie vielleicht bestimmte Waren (Tauscheinheit) zu einem bestimmten Preis (Rechnungseinheit, aber extrem volatil) und als Wertaufbewahrungsmittel über eine „vertrauenswürdige“ Krypto-Wallet kaufen. Aber ich schweife ab… Wir werden solche Überlegungen im Jahr 2022 wieder aufgreifen.
Peter De Coensel, CEO von DPAM