Derzeitige und ehemalige FED-Gouverneure haben in der vergangenen Woche deutlich gemacht, dass die Marktteilnehmer mit einer schnellen und rasanten" Normalisierung der FED-Politik rechnen sollten. Auf die erste Anhebung um 25 Basispunkte am 16. März wird eine Reihe von Anhebungen um 50 Basispunkte folgen. Der Markt erwartet für die FOMC-Sitzungen am 4. Mai und 15. Juni mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % eine Anhebung um 50 Basispunkte. Um ihre Glaubwürdigkeit zu bewahren, sollten die FED-Sitzungen am 27. Juli und 21. September eine ähnliche Vorgehensweise beibehalten. Damit würde der geldpolitische Zinssatz in den USA bis zum Ende des Sommers 2022 bei 2,25 % bis 2,50 % liegen. Was dann folgt, wird vom Tempo des Inflationsrückgangs abhängen. Die Komplexität der Inflationsmodellierung ist hoch. Energie- und Versorgungsengpässe scheinen beständig zu sein. Die Auswirkungen der zweiten Lohninflationsrunde sind in den USA im Vergleich zu anderen OECD-Ländern am stärksten. Die Frage, die eine Antwort erfordert, ist, wann sich die Verschärfung der finanziellen Bedingungen für die Realwirtschaft negativ auf die Unternehmensinvestitionen und nicht auf die Ausgaben der Verbraucher auswirken wird.
Solange der Arbeitsmarkt in Bewegung bleibt, wird es geldpolitischen (und fiskalischen) Mut erfordern, einen echten Stimmungsumschwung bei Unternehmen und Verbrauchern in Gang zu setzen, der die Inflation senkt. Lehrbuchmäßige oder historische Vergleiche sind wenig hilfreich für das, was uns bevorsteht. Wir verfügen jedoch über einige Faustregeln, die hilfreich sein könnten, wenn wir in den nächsten zwölf Monaten einen seltenen Moment in der US-Geldpolitik erleben. Wenn nämlich die Inflation bis Ende September nicht zurückgegangen ist, sollten wir auf den FED-Sitzungen am 2. November und 15. Dezember eine kontinuierliche Anhebung um 50 Basispunkte erwarten können. Damit würde der Leitzins der FED bis Ende 2022 bei 3,25 %-3,50 % liegen.
Bei diesem Szenario ist zu erwarten, dass sich die US-Kurve vollständig umkehrt und diese Umkehrung aufrechterhalten wird. Auf dem Markt haben wir zwischen dem 1. und 4. April eine kurze Inversion der 2-jährigen gegenüber der 10-jährigen US-Zinskurve erlebt. Die erneute Schwäche der wichtigsten US-Aktienindizes seitdem hat die Anleger in die Sicherheit von kurzfristigen US-Anleihen getrieben. Dies hat zu einer vorübergehenden Normalisierung der Renditekurve geführt. Die FED befindet sich wie das Weiße Haus allerdings auf einer Mission und möchte, dass die "Inflationsdebatte", die auf den Straßen tobt, schnellstmöglich abklingt. Die Interessenübereinstimmung zwischen der FED und dem Weißen Haus kommt beiden zugute. Die FED ist sich voll und ganz bewusst, dass sie, um die langfristigen Renditen zu festigen, bei den Leitzinsen in die Vollen gehen muss. Denn in der Tat bestimmen die langfristigen Renditen das Niveau der langfristigen Hypothekenzinsen. Der 30-jährige Festhypothekenzins ist auf 5,25 % geklettert. Das sind 25 Basispunkte mehr als der 25-Jahres-Durchschnitt von etwa 5,00 %. Das Weiße Haus hofft, bei den Zwischenwahlen am 8. November den Status quo oder ein demokratisches Repräsentantenhaus zu erlangen.
Bei einer solchen flachen bis inversen Renditekurve in den nächsten zwölf Monaten zu investieren, dürfte nicht sonderlich nachteilig sein. Bei einer flachen oder inversen Renditekurve können Anleiheinvestoren einen attraktiven Carry pro Durationseinheit aufbauen. Der "Sweet Spot" wird im Laufe der Zeit der Punkt zwischen fünf und sieben Jahren sein, wenn wir das Ziel der Fed-Zinssätze erreicht haben. Ab diesem Zeitpunkt, d.h. 2023 und 2024, könnte sich der Markt auf eine akkommodierende FED und eine steiler werdende Kurve einstellen. Das ist von heute noch eine Ewigkeit entfernt. In der Zwischenzeit müssen Anleiheinvestoren die schlimmsten Auswirkungen einer Baisse seit 1994 und davor seit Anfang 1980 verkraften und sich auf die gebotene Rendite konzentrieren. Anhand dieser Rendite kann man die Erholungszeiten abschätzen und einkalkulieren. Bedenken Sie, dass Anleiheinvestoren einen starken Anstieg der Renditen einem langwierigen vorziehen sollten. Letzteres öffnet Tür und Tor für schlecht getimte Fehlentscheidungen bei Anleihen-Investitionen. Die Teilnehmer beginnen, sich auf die kurzfristige Entwicklung zu konzentrieren, wenn keine spürbare Erholung eintritt. Das Ausbleiben nennenswerter Fortschritte veranlasst sie dazu, in dem Moment auszusteigen, in dem der Wert an die Anleihemärkte zurückkehrt. In der Tat hat die derzeitige aggressive Preisanpassung dazu geführt, dass sich schnell attraktive langfristige Renditen ergeben haben - und zwar in allen Anleihesektoren, von den entwickelten bis zu den Schwellenmärkten. Die Schwierigkeit besteht darin, eine gute Auswahl an Staats- und Unternehmensanleihen zu treffen, da sich die FED auf einem Boom-Bust-Pfad befindet. Qualität ist Trumpf (Der Boom-Bust-Zyklus bezeichnet die schlagartige Rezession nach einer länger andauernden Hochphase).
Der durchschnittliche Zeitraum zwischen einer " hartnäckigen " Umkehrung und einer Rezession beträgt etwa eineinhalb Jahre. Wenn eine solche "harte" Umkehrung bis September eintritt, ist mit einer deutlichen Verlangsamung des US-Wachstums bis Anfang bis Mitte 2024 zu rechnen. Akzeptieren Sie eine lange und variable Verzögerung zwischen der Umkehrung der Renditekurve und dem Beginn einer echten, rezessionsbedingten Aktienkorrektur. Vor allem dieses Mal, wenn die fiskalpolitischen Instrumente die Verbraucher schützen könnten, die am stärksten von der derzeitigen hohen Inflation betroffen sind. Die FED und das Weiße Haus werden eine sanfte Landung anstreben. Die FED wird jedoch nicht einknicken, auch wenn eine harte Landung droht. Die Erwartung eines FED-Put, bei dem der Marktdruck den Zinspfad und die Haltung der FED ändert, sollte nicht als selbstverständlich angesehen werden. Die erfolgreiche Bekämpfung der Inflation ist das, was zählt. An den Aktienmärkten ist festzustellen, dass in der Zeit vor der großen Finanzkrise von 2008 die Zeit zwischen der Umkehrung der Renditekurve und dem Einsetzen der Rezession positive Aktienrenditen zwischen 5 % und 10 % aufweist.
Ich bin ehrlich gesagt der Meinung, dass die Ableitung von Faustregeln aus den Marktbedingungen, die während der Quantitativen Lockerungen herrschten, eine Zeit- und Energieverschwendung sein könnte. Die Signalwirkung wurde durch die verschiedenen QE-Programme seit 2009 geschwächt.
Die Aktienmärkte verhalten sich also sehr gut (1-Jahres-Renditeerwartungen über 10 %), wenn die Renditekurve steiler wird, da die Versteilerung durch starke wirtschaftliche Wachstumsaussichten ausgelöst wird. Die Aktienmärkte verhalten sich auch dann richtig (1-Jahres-Renditeerwartungen zwischen 4 % und 6 %), wenn die Renditekurve bei einer Baisse oder bei einer Hausse abflacht. Die Bedingungen, die die Aktienmärkte fürchten sollten, sind die steiler werdenden Renditekurven nach oben. Wie bereits erwähnt, sollten wir dies in nächster Zeit nicht unbedingt erleben.
Der Zweck dieser Kolumne bestand nicht darin, Ihnen Punktschätzungen oder Schwellenwerte zu liefern, die Aktionismus auslösen könnten. Der Zweck war vielmehr, Sie über den außergewöhnlichen Verlauf zu informieren, der vor Ihnen liegt. Außergewöhnlich deshalb, weil er einen Straffungszyklus der US-FED im Stil des Jahres 1994 mit einem Umfang von fast 300 Basispunkten in gut einem Jahr beinhalten wird. Dieses Mal sollten wir jedoch hoffen und erwarten, dass das obere Ende der Renditekurve stabil bleibt, während die FED die steigenden Inflationserwartungen bekämpft. Die wirtschaftlichen Bedingungen sind heute immer noch gut, und die bevorstehende Straffung der Geldpolitik wird sich erst mit einer langen Verzögerung auswirken. In dieser Zeit können die Aktienmärkte eine akzeptable Spanne um die aktuellen Bewertungen herum aufrechterhalten.
Genießen Sie den Film.
Peter De Coensel, CEO von DPAM