Der Markt für US-Staatsanleihen hat sich verändert. In der Vergangenheit wurden diese Papiere vor allem von der Fed im Rahmen ihrer quantitativen Lockerung, von anderen Zentralbanken zum Aufbau von Devisenreserven und von US-Banken aufgrund steigender Privatkundeneinlagen gekauft. Die Preissensibilität dieser Käufer war gering.
In den vergangenen zwei Jahren sind aus diesen Käufern Nettoverkäufer geworden. Die Bestände der Fed sanken seit Mitte 2022 um rund 1 Billion US-Dollar. China hielt Anfang 2022 über 1 Billion US-Dollar, im September 2023 waren es nur noch 770 Milliarden.
Neue Käufer preissensibler
Die neuen Käufer sind wesentlich preissensibler – und dies in einer Zeit, in der die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP steigt. Dies bedeutet, dass sich Angebot und Nachfrage bei höheren Renditen die Waage halten. Bei der November-Auktion einer neuen 30-jährigen Anleihe musste das Finanzministerium einen hohen Abschlag gegenüber dem Sekundärmarktniveau hinnehmen, um das volle Volumen von 24 Mrd. US-Dollar zuzuteilen.
Zinssenkungen kommen – aber wann?
Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit gehen zurück. Da sich die Inflation dem Fed-Ziel nähert und das Lohnwachstum weiter nachlässt, wird die Fed die Leitzinsen senken. Der Markt rechnet damit in der ersten Jahreshälfte 2024. Die Wirtschaft könnte jedoch noch einige Quartale widerstandsfähig bleiben – dann könnten sich die Zinssenkungen verzögern.
Auf jeden Fall aber werden die kurzfristigen Zinssätze im nächsten Jahr nachgeben. Es besteht jedoch das Risiko, dass die langfristigen Zinsen nicht folgen. Für Überraschungen könnte ein Anstieg der Inflation oder ein sprunghafter Zuwachs bei der Arbeitslosigkeit sorgen. Ein exponentieller Anstieg ist dort keine Seltenheit, wenn die Arbeitslosenzahlen erst einmal zu steigen beginnen.
Alles in allem sind Anleihen in diesem Umfeld eine attraktive Anlage, und der mittlere Teil der Renditekurve hat nur begrenzte Abwärtsrisiken.
Von Raffaele Prencipe, Fund Manager Fixed Income bei DPAM