ESG-Faktoren können einen großen Einfluss darauf haben, welche Cashflows ein Unternehmen erwirtschaftet, welchen Zugang zu den Kapitalmärkten es hat, was seine Fremdfinanzierung kostet und somit wie es um seine Kreditqualität als Emittent einer Anleihe bestellt ist bzw. mit welcher Wahrscheinlichkeit das Unternehmen seinen Schuldverpflichtungen nicht nachkommen kann. Wer die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens bewerten will, sollte daher ESG-Faktoren bei seiner Kreditanalyse berücksichtigen.
Klimarisiken zeigen Wirkung
Dass sich extreme Wetterereignisse häufen, unterstreicht die Bedeutung eines angemessenen Klimarisikomanagements. Klimarisiken können zu hohen finanziellen und wirtschaftlichen Verlusten führen. Sie können Folgewirkungen auf Versicherungsprämien auslösen, die Cashflow-Generierung beeinträchtigen und damit die Fähigkeit der Emittenten zur Rückzahlung von Schulden beeinflussen. Drohende negative Auswirkungen des Klimawandels angemessen abzumildern und sich an sie anzupassen, bleibt daher ein Schlüsselfaktor für langfristigen Erfolg.
Mehr und komplexere Regulierung
Ausdruck findet die Bedeutung der ESG-Faktoren in zunehmender Regulierung: Sie schafft ein Bewusstsein für Fragen wie Biodiversität und Umweltschutz, Dekarbonisierung und Treibhausgasemissionen, Wasser- und Lieferkettenmanagement, Menschenrechte und Unternehmensführung. Die weltweite Verpflichtung zu einer Net-Zero-Wirtschaft bis Mitte des Jahrhunderts zwingt Emittenten in CO2-intensiven Sektoren, ihre Investitionen in grüne Technologien zu erhöhen, um die Temperaturziele des Pariser Abkommens zu erreichen.
Im vergangenen Jahr ist das ESG-Umfeld aus regulatorischen Anforderungen, Berichtsstandards und Rating-Methoden deutlich komplexer geworden. Zudem drängen immer mehr Anbieter von Nachhaltigkeitsdaten auf den Markt. Entscheidend ist es in diesem Umfeld, die ESG-Strategie eines Unternehmens vollständig in die fundamentale Kreditanalyse einzubeziehen, wenn man Unternehmensanleihen beurteilt. Kredit- und ESG-Analysten müssen dabei kontinuierlich zusammenarbeiten.
Interne und externe Datenquellen anzapfen
Zur ESG-Bewertung von Emittenten sollte man die von den Unternehmen veröffentlichten oder zur Verfügung gestellten Informationen sowie die von externen Anbietern (z. B. Sustainalytics, MSCI, Glass Lewis, CDP, TruCost, Bloomberg usw.) veröffentlichten Untersuchungen, Daten oder Bewertungen/Ratings kritisch analysieren. Über die vergangene Leistung der Unternehmen hinaus geht es dabei um zukünftige Bestrebungen, die in den ESG-Strategien zum Ausdruck kommen. Auf diese Weise entsteht ein objektives Urteil über das ESG-Risikoprofil, das sich auch auf die geschäftliche und finanzielle Analyse auswirken kann.
Von Larissa Joubert und Sara Farias de Carvalho Martins, Buy-Side Fixed-Income ESG-Analystinnen bei DPAM