Wie können wir zehn Milliarden Menschen ernähren, ohne die Klimaziele zu gefährden?

DPAM | 14.08.2024 12:29 Uhr
Julie Gossen, Responsible Investment Specialist bei DPAM / © e-fundresearch.com / DPAM
Julie Gossen, Responsible Investment Specialist bei DPAM / © e-fundresearch.com / DPAM

Laut den Vereinten Nationen soll die Weltbevölkerung von derzeit acht Milliarden Menschen bis in das Jahr 2050 auf 9,7 Milliarden steigen. Doch muss diese wachsende Weltbevölkerung auch ernährt werden. Die kumulativen Treibhausgasemissionen aus der Lebensmittelproduktion werden Schätzungen zufolge zwischen 2020 und 2100 jedoch etwa 96 Prozent des Kohlenstoffbudgets, das zur Verfügung steht, um die globale Erwärmung unter 2 °C zu halten, verbrauchen (Business-as-usual-Szenario). Wenn wir unsere Klimaziele also einhalten wollen, dann besteht in der Agrar- und Ernährungswirtschaft dringender Handlungsbedarf.

Laut McKinsey sind die Hauptverursacher der landwirtschaftlichen Emissionen die enterische Fermentation (ein Verdauungsprozess bei Wiederkäuern, bei dem Methan entsteht), der Anbau von Pflanzen für die Viehzucht und der menschliche Verzehr sowie eine veränderte Landnutzung. Diese Faktoren sind für etwa drei Viertel der Treibhausgasemissionen in der Lebensmittelproduktion verantwortlich.

Die gute Nachricht aber lautet, dass es Lösungsansätze gibt:

Verringerung der magensaftresistenten Gärung

Um den größten Kohlenstoffverursacher in der Landwirtschaft, die enterische Fermentation, zu reduzieren, haben Unternehmen wie DSM-Firmenich innovative Lösungen wie Bovaer entwickelt. Nach Angaben des Unternehmens hilft dieses Ergänzungsfuttermittel, die Methanemissionen um mindestens 30 Prozent bei Milchkühen und um 45 Prozent bei Rindern zu reduzieren.

Höhere Ernteerträge

Eine weitere Möglichkeit, wie der Lebensmittelsektor seinen Anteil am globalen Kohlenstoffbudget verringern kann, ist die Verbesserung der Ernteerträge. Eine in der Zeitschrift Science im Jahr 2020 veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass höhere Erträge die Lebensmittel-Emissionen um 14 Prozent von 1,356 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente auf 1,162 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente reduzieren könnten. Höhere Erträge könnten durch den Einsatz von Düngemitteln und Palmöl erreicht werden.

Nachhaltigere Düngemittel

Düngemittel können zu höheren Erträgen beitragen, indem sie Pflanzen essenzielle Nährstoffe für ein optimales Wachstum liefern. So können die Nahrungsmittelproduzenten die landwirtschaftliche Produktivität maximieren, um den weltweiten Nahrungsmittelbedarf zu decken, und gleichzeitig den Druck auf die natürlichen Ökosysteme verringern, was zu weniger Landnutzungsänderung und Entwaldung führt. Düngemittel sind zwar wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die Umwelt stark in der Kritik. Doch werden sie derzeit in der Regel unter Verwendung von Ammoniak und fossilen Brennstoffen (meist Erdgas) hergestellt. Allerdings kann die Verwendung erneuerbarer Energieträger für die Düngemittelproduktion zu ‚saubererem‘ Stickstoff und weniger Treibhausgasemissionen führen. Ein zweiter Kritikpunkt ist, dass die Abhängigkeit von Düngemitteln die Bodengesundheit beeinträchtigt. Bei nachhaltiger Bewirtschaftung und korrekter Anwendung können Düngemittel den Boden jedoch tatsächlich verbessern.

Außerdem kann die landwirtschaftliche Praxis ein Nährstoffmanagement umfassen, das einen nachhaltigeren Einsatz von Düngemitteln ermöglicht. Durch die Analyse des Nährstoffgehalts des Bodens kann die Ausbringung mit Langzeitdüngern und Düngemitteln mit kontrollierter Freisetzung gezielt auf den Bedarf der Pflanzen abgestimmt werden, um sie mit wichtigen Nährstoffen zu versorgen, an denen es im Boden möglicherweise mangelt. Landwirte können folglich die Nutzung von Land, Wasser und Energie optimieren. Und schließlich reduzieren diese Technologien die Abfallmenge und minimieren das Risiko des Abflusses oder der Auswaschung von Nährstoffen.

Verwendung von Palmöl

Palmöl steht wegen seiner verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere aufgrund der Abholzung von Wäldern, in der Kritik. Die Ökosysteme, die für die Produktion von Palmöl abgeholzt werden, sind in der Regel Kohlenstoffsenken, so dass diese Abholzung nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen bis zu 10 Prozent der zusätzlichen weltweiten Kohlenstoffemissionen verursachen könnte. Palmöl hat jedoch einen vier- bis zwanzigmal höheren Hektarertrag als andere Pflanzenöle (Sonnenblumen, Raps, Soja) und hat damit das Potenzial, Landnutzungsänderungen und Entwaldung zu verringern. Außerdem ist es das am meisten verwendete Öl in Ländern mit wachsender Bevölkerung.

Schlussfolgerung

Um die notwendige Verringerung der Emissionen in der Lebensmittelwertschöpfungskette zu erreichen, brauchen wir eine Kombination von Lösungen. Diese reichen von technologischen Innovationen in der Landwirtschaft bis hin zu Änderungen bei den Verbrauchergewohnheiten (pflanzenreichere Ernährung) und Lösungen zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung. Selbst wenn wir alle diese Veränderungen zu 50 Prozent umsetzen, wäre dies ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Ernährung einer schnell wachsenden Weltbevölkerung bei gleichzeitiger Einhaltung ehrgeiziger Klimaziele eine Herausforderung, aber keine unlösbare Aufgabe darstellt. Die Verringerung der Treibhausgasemissionen aus dem Agrarsektor, insbesondere durch Fortschritte wie methanreduzierende Futtermittelzusätze und verbesserte Ernteerträge, ist von entscheidender Bedeutung. Düngemittel können eine Rolle spielen, wenn sie nachhaltig eingesetzt werden, und Palmöl stellt eine praktikable Option zur Verringerung von Landnutzungsänderungen dar. Schließlich kann nicht genug betont werden, wie wichtig es ist, mit den in diesem Sektor tätigen Unternehmen in Kontakt zu treten, spezielle Daten und Forschungsergebnisse zu nutzen und die Wesentlichkeit zu betonen.

Von Julie Gossen, Responsible Investment Specialist bei DPAM

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