Höhere Steuern oder mehr Inflation – wie wirkt das US-Wahlergebnis auf die Märkte?

Was würde ein Wahlsieg von Kamala Harris für die Märkte bedeuten? Welche Anlageklassen könnten profitieren? Und wie sieht es im umgekehrten Fall aus? Bruno Lamoral, Portfoliomanager bei DPAM, schätzt die Lage ein. DPAM | 29.10.2024 10:34 Uhr
Bruno Lamoral, Portfoliomanager bei DPAM / © e-fundresearch.com / DPAM
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Harris‘ Steuerpläne könnten Märkte belasten

Gewinnt Kamala Harris, dürfte sie es mit einem geteilten Kongress zu tun bekommen. Die Märkte würden das gerne sehen, da nur geringfügige Änderungen der bestehenden Wirtschaftspolitik zu befürchten wären. Sollten die Demokraten auch die Kontrolle über Senat und Repräsentantenhaus übernehmen, könnte eine weitreichende Steuerreform den Markt belasten. Am stärksten würde sich dabei der Vorschlag auswirken, den Körperschaftsteuersatz von 21% auf 28% zu erhöhen. Schätzungen zufolge könnte dies die Gewinne der S&P500-Unternehmen um 6% senken und damit auf die Kurse drücken.

Börse will keinen Harris-Erdrutschsieg

Harris Vorschlag, zur Bekämpfung der Inflation die Preistreiberei bei Lebensmitteln zu verbieten, stößt nicht nur bei Wirtschaftswissenschaftlern auf Widerstand. Geplante Interventionen, u.a. am Mietmarkt, haben Harris‘ Attraktivität an der Wall Street geschmälert. Als Reaktion darauf betont sie ihre Unterstützung für freie und faire Märkte. Ihre unklare Positionierung in Fragen der Handels- und Geopolitik tragen jedoch zur Unsicherheit bei. Ein Erdrutschsieg der Demokraten könnte daher zu einer negativen Börsenreaktion führen. Einen solchen Sieg halten wir jedoch für weniger wahrscheinlich. Ein geteilter Kongress hingegen würde den meisten ihrer Vorschläge im Weg stehen. Dies hätte eine positivere Marktreaktion zur Folge.

Bei Trump-Sieg droht Inflation

Ein Sieg der Republikaner und von Donald Trump könnte erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Anlagemärkte haben. Während die vorgeschlagene Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 21% auf 15% von den Aktienmärkten positiv aufgenommen würde, dürften hohe Zölle und eine rigide Einwanderungspolitik zu höherer Inflation und langsamerem Wachstum führen. Chinas und Europas Märkte wären wahrscheinlich am stärksten betroffen – die beiden wichtigsten Handelspartner haben Überschüsse im Güterhandel mit den USA von über 200 Milliarden US-Dollar. Die Kombination aus höheren Importpreisen und einer teureren inländischen Produktion könnte jedoch auch den US-Markt selbst belasten. Darüber hinaus könnte die strenge Einwanderungspolitik den Arbeitskräftemangel verschärfen und über höhere Arbeitskosten die Inflation zusätzlich anheizen.

Auswirkungen auf Aktien und Anleihen

Bei den Börsenreaktionen wird es sehr auf die jeweilige Branche ankommen. Erneuerbare Energien wurden bereits abgewertet, da erwartet wird, dass Trump aus dem Pariser Abkommen austreten und das IRA teilweise zurücknehmen wird. Zudem kritisiert Trump Big Tech, will die Branche aber auch vor Übernahmen aus China schützen. Banken und traditionelle Energiesektoren könnten positive Auswirkungen von Deregulierungs- und protektionistischen Maßnahmen spüren. Dies könnte zu mehr Fusions- und Übernahmeaktivitäten führen, was für US-Small-Caps von Vorteil wäre. In Europa sind die Konsumsektoren (z. B. Einzelhandel, Grundnahrungsmittel, Spirituosen) und große, auf den Handel ausgerichtete Banken am stärksten gefährdet, während Sektoren wie Baustoffe und Industriegüter unter einer republikanischen Regierung von mehr Onshoring und Reshoring profitieren könnten.

An den Anleihemärkten herrscht Einigkeit darüber, dass das gestiegene Haushaltsdefizit und die höhere Inflation zu höheren Zinssätzen führen werden. Die Auswirkungen könnten jedoch begrenzt sein, wenn die Wirtschaft gleichzeitig langsamer wächst. In diesem Szenario kann Gold weitere Höchststände erreichen.

Liquidität flutet die Märkte

Unabhängig vom Wahlausgang rechnen wir fürs kommende Jahr mit reichlich Liquidität am Markt. Am 1. Januar wird die US-Regierung die Schuldenobergrenze erreichen und keine neuen Schulden mehr aufnehmen können. Das Finanzministerium wird 700 Milliarden US-Dollar aus dem General Account ausgeben müssen. Die Fed dürfte ihre quantitative Straffung im 1. Quartal 2025 beenden. Insgesamt rechnen wir fürs erste Halbjahr 2025 mit einer Bruttoliquidität von 1 Billion US-Dollar.

Von Bruno Lamoral, Portfoliomanager bei DPAM

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