EZB: Angst vor Fehlern könnte zu Fehlern führen

Europa hat sein Inflationsziel fast erreicht, aber das Wachstum stagniert. Kurz vor Weihnachten hat Lowie Debou, Fixed Income Fund Manager bei DPAM, einen Wunsch an die EZB: DPAM | 11.12.2024 09:16 Uhr
Lowie Debou, Fixed Income Fund Manager bei DPAM / © e-fundresearch.com / DPAM
Lowie Debou, Fixed Income Fund Manager bei DPAM / © e-fundresearch.com / DPAM

Die EZB senkte ihren Leitzins bisher nur zögerlich; EZB-Präsidentin Lagarde spricht von Kalibrierung. Immerhin verstehen die Notenbanker, dass Europa strukturelle Probleme hat, die sich auf das potenzielle Wachstum und damit auf die Inflation auswirken werden.

Die EZB hat den Auftrag, die Inflation auf ihr Ziel zurückzubringen. Sie muss aber auch das Wachstumsumfeld berücksichtigen. Wenn das strukturelle Wachstum niedrig ist, muss sie die Geldpolitik an dieses niedrigere Niveau anpassen. Solange der analytische Rahmen der EZB nicht zu einer Neukalibrierung führt, wird die Stagnation in Europa anhalten.

Aus der Rückschau lernen

Die meisten Mitglieder des EZB-Rates gehen davon aus, dass der neutrale Zinssatz (bei dem die Inflation das Ziel und das Wachstum sein Potenzial erreicht) zwischen 2% und 3% liegen wird. Diese Werte hat der Leitzins seit der Gründung des Euroraums im Jahr 2000 nur sporadisch erreicht. Das Holston-Laubach-Williams-Modell schätzt den inflationsbereinigten neutralen Zinssatz dagegen auf etwa -0,70% - ein neues Allzeittief. Die Realität wird irgendwo in der Mitte liegen. Wir halten das Zinsziel der EZB daher immer noch für zu hoch.

Die EZB sollte daher schneller reagieren oder neu kalibrieren, um auf ein makroökonomisches Umfeld in Europa zu reagieren, das Anzeichen für eine Verbesserung nicht erkennen lässt. Vor kurzem erklärte der Chefökonom der EZB, Philip Lane, dass die EZB früher und energischer auf den anhaltenden Anstieg sowohl der Inflation als auch der Inflationserwartungen in Europa seit 2021 hätte reagieren sollen. Sehr wahrscheinlich wird sie in den kommenden Jahren zu einer ähnlichen Analyse kommen – dass ihre Lockerung im laufenden Zyklus im Nachhinein betrachtet zu spät und zu langsam war. Noch könnte die EZB eine solche „Rückschau“ vermeiden. Dazu müsste sie aber mit der Neukalibrierung beginnen.

Die EZB hat die strukturelle Verschlechterung der europäischen Wirtschaft nicht zu verantworten. Die Gefahr besteht jedoch, dass sie aus Angst, durch zu schnelle Zinssenkungen einen Fehler zu begehen und damit die Inflation wieder anzuheizen, einen Fehler begeht.

Von Lowie Debou, Fixed Income Fund Manager bei DPAM 

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