Über ihre Zyklen hinweg wächst die Halbleiterindustrie schneller als die Weltwirtschaft. Immer mehr Chips treiben die Geräte an, die unseren Alltag begleiten: Smartphones, PCs, Autos usw. Es dauert lange, bis zusätzliche Produktionskapazitäten an den Markt kommen, was zu einem regelmäßigen Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage führt. Die Aktienkurse von Halbleiterunternehmen sind eng mit diesen zyklischen Schwankungen verbunden. Wer kurzfristig über Investitionen entscheidet, sollte daher verstehen, wo wir uns im Zyklus befinden.
Derzeit befinden wir uns in der Phase des Zyklus, in der das Wachstum zunimmt. In der Vergangenheit ging es in diesem mittleren Teil des Zyklus aufwärts mit den Kursen der Halbleiteraktien. Allerdings hat der Marktwert der im Branchenindex vertretenen Firmen seinen Höhepunkt bereits hinter sich und liegt inzwischen mehr als 20% unter seinem Hoch vom Frühsommer. Dieser offensichtliche Widerspruch wirft für Investoren wichtige Fragen auf: Warum geht der Markt zurück, wenn die Indikatoren darauf hindeuten, dass wir uns in einer Hausse befinden? Ein Teil der Antwort liegt in den Bedenken hinsichtlich der Breite der bisherigen zyklischen Erholung.
KI treibt Chip-Nachfrage
Der aktuelle Zyklus wurde bisher weitgehend durch das Wachstum der KI angetrieben. Dieser Trend zeigt sich in den Umsatzprofilen von Unternehmen wie Nvidia für Rechenzentren sowie in den Verkaufszahlen von DRAM-Speichern. Die explosionsartige Verbreitung von KI-Technologien, insbesondere der generativen KI, hat zu einer starken Nachfrage nach leistungsstarken und energieeffizienten Computerchips sowie nach Hochleistungsspeicherchips geführt.
Dagegen erholen sich die Mainstream-Marktsegmente – wie Smartphones, PCs, Industrieanlagen und Automobilanwendungen – gerade erst. Der Automobilsektor muss immer noch vorhandene Bestände korrigieren. Die Erholung verläuft langsamer als von den Unternehmen erwartet, aber sie ist noch im Gange. Der erwartete Absatzanstieg bei Smartphones und PCs in Kombination mit dem zusätzlichen Schub durch den höheren Halbleiteranteil pro Gerät für Edge-KI-Anwendungen dürfte den Branchenzyklus bis 2025 stützen, vorausgesetzt, die Investitionen der Cloud-Anbieter in die Gen-KI-Infrastruktur gehen nicht zurück – wovon auszugehen ist.
Erholung bei Investitionsgütern
Seit dem Sommer kämpft der Markt an gegen Zweifel hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Zyklus. Hinzu kommt ein schwächerer Ausblick für Halbleiterausrüstungen in China – teilweise im Zusammenhang mit Exportbeschränkungen – sowie operative Herausforderungen bei Branchenriesen wie Intel und Samsung. Im Ergebnis haben Unternehmen, die auf Halbleiter-Investitionsgüter spezialisiert sind, relativ zum Markt an Wert verloren. Da wir für 2025 mit einer Erholung der Ausrüstungsinvestitionen rechnen, könnten sich bei diesen Unternehmen attraktive Möglichkeiten ergeben.
Von der Zyklik abgesehen, profitieren Halbleiterausrüster von sehr attraktiven Geschäftsmodellen, einer überschaubaren Zahl an Wettbewerbern sowie der immer komplexeren Herstellung von Halbleitern auf neuestem Stand der Technik. Das alles stützt die hochprofitablen Wachstumsaussichten der Branche.
Von Eros Portillo, Buy-Side-Aktienanalyst bei DPAM