Aktien haussieren nach Fed-Kurswechsel
Was die Fed bei ihrer geldpolitischen Sitzung im März machte (ihren Zinsausblick so anpassen, dass jetzt für 2019 keine weiteren Zinserhöhungen mehr vorgesehen sind, und eine Beendigung der Bilanznormalisierung im September in Aussicht stellen) hat die Frage aufgeworfen, wie schwach das globale Wachstum tatsächlich ist. Bei der Pressekonferenz hat der Fed-Vorsitzende Jerome Powell versucht, die Märkte zu beruhigen. So erklärte er, dass sich die US-Wirtschaft in einer guten Verfassung befände und der globale Abschwung nur moderat sei. Diese Aussagen passen jedoch nicht zur dramatischen Kehrtwende, die die Fed in den vergangenen Monaten vollzogen hat. Innerhalb weniger Monate ist die Fed von der Bilanznormalisierung im Autopilot-Modus zur Rückführung und kurzfristigen Beendigung der Bilanzkonsolidierung übergegangen – und von drei Zinserhöhungen im Jahr 2019 zu keinem weiteren Zinsschritt. Die Fed Fund Futures signalisieren sogar eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung bis zum Jahresende. (CME FedWatch Tool) Die inzwischen deutlich größeren Wachstumssorgen der Marktteilnehmer spiegeln sich in den Treasury-Renditen wider, die ich für ein sehr viel besseres Angstbarometer halte als den VIX Index. Dadurch wird jetzt erwartet, dass andere Zentralbanken ebenfalls eine weichere Haltung einnehmen könnten.
Der Kurswechsel der Fed war ein einschneidendes Ereignis und sollte für ein deutlich besseres Umfeld für Risikoanlagen sorgen. Allerdings gibt es ganz klar gewisse Ängste am Markt, die sich in den US-Staatsanleiherenditen widerspiegeln. Dass sich die Aktienmärkte in diesem Umfeld zunächst gut gehalten haben, war keine Überraschung. Für Unterstützung sorgten hier die deutlich akkommodierendere Haltung der Fed und die Hoffnung, dass Powell mit seiner Einschätzung der wirtschaftlichen Lage in den USA und weltweit richtig liegt.
Invertierte Zinskurve sorgt für Nervosität
Dann kam es am Freitag, dem 22. März, zur Inversion der Zinsstrukturkurve. So kurz nach der dramatischen Kehrtwende der Fed sorgte das am Markt für erhebliche Nervosität, da sich die Investoren fragten, ob der globale Abschwung tatsächlich nur moderat ist. Verstärkt wurden diese Ängste durch schwache Daten aus Europa und anhaltende Sorgen über die US-chinesischen Handelsstreitigkeiten. Ich bin weiterhin der Überzeugung, dass Zölle ein disruptiver geopolitischer Faktor sind, der eine erhebliche Bedrohung für die Weltwirtschaft darstellt. Ein altes Sprichwort lautet: Untaten fallen immer auf den Urheber zurück. In diesem Fall sind die Zölle die Untaten — die ersten negativen Folgen sind bereits erkennbar und es könnten noch mehr werden.
Letztlich sollten wir bedenken, dass eine inverse Zinskurve keine Rezession auslöst – in den vergangenen Jahren aber ein guter Indikator dafür war, dass eine solche bevorstehen könnte. Diese Aussage ist allerdings mit einigen Vorbehalten behaftet. Erstens: Eine inverse Zinsstrukturkurve ist erst dann ein ernstzunehmender Hinweis auf eine Rezession, wenn sie rund drei Monate oder länger andauert — und nicht nur einen Tag. Auch sollten wir nicht vergessen, dass es häufig lange dauert, bis auf eine inverse Zinskurve eine Rezession folgt. Der vielleicht wichtigste Punkt ist aber: Eine inverse Zinsstrukturkurve kann auch nur Folge einer experimentellen Geldpolitik sein: Die großen Zentralbanken haben ihre heimischen Anleihemärkte völlig verzerrt. Es ließen sich noch zahllose weitere Vorbehalte nennen. Die einfache Faustformel ist also mit Vorsicht zu genießen und ich sehe keinen Grund für Panik. Ganz im Gegenteil: Ich glaube sogar, dass sich die Aktienmärkte in den nächsten Monaten positiv entwickeln könnten. Die akkommodierendere Haltung der Fed sollte für gute Unterstützung an den Risikomärkten sorgen — solange sich die Wirtschaftsdaten nicht gravierend verschlechtern.
Trump benennt Fed-Kritiker ins Führungsgremium der Fed
Eine weitere potenzielle Quelle geldpolitischer Disruption kam letzte Woche hinzu, als US-Präsident Donald Trump seinen früheren Wahlkampfberater Stephen Moore, einen Dauerkritiker der Fed, für einen Sitz im Gouverneursrat der Fed nominierte. Moore hatte die Fed in der Vergangenheit erst für eine ultralockere Zinspolitik und im vergangenen Jahr dann für ihre Zinserhöhungen kritisiert. Er hat sich sogar dafür ausgesprochen, den Fed-Vorsitzenden Jerome Powell zu entlassen.
In meinem Blog in der letzten Woche erwähnte ich, dass die Zentralbanken ins Visier der Politik geraten könnten und wir uns Sorgen über eine mögliche Politisierung dieser Banken machen sollten, da eine solche Entwicklung sehr disruptiv sein kann und sich in der nächsten Krise als problematisch erweisen könnte. Moore hat viele Kritiker. Einer davon, der sich gegen seine Nominierung ausgesprochen hat, ist Greg Mankiw, Harvard-Professor und ehemaliger Chef-Wirtschaftsberater von Ex-US-Präsident George W. Bush. Moores Wechsel in das Führungsgremium der Fed muss erst noch vom Senat bestätigt werden. Das dürfte kein ganz einfacher Prozess werden. Wir werden diese Situation genau beobachten.
Brexit – was gibt es Neues?
Eine geläufige Definition von Wahnsinn ist, das Gleiche immer wieder zu tun, aber ein anderes Ergebnis zu erwarten. Irgendwie drängt sich mir dieses Bild auf, wenn ich sehe, wie sich die britische Premierministern Theresa May anschickt, in dieser Woche zum dritten Mal über ihren Brexit-Plan abstimmen zu lassen. Nach einer Zitterpartie ist es May in der letzten Woche gelungen, bei der Europäischen Union eine Verlängerung der Austrittsfrist über den 29. März hinaus auszuhandeln. Wie viel mehr Zeit Großbritannien tatsächlich erhält, hängt davon ab, was als nächstes passiert.
May plant eine dritte parlamentarische Abstimmung über ihren Plan, obwohl der Sprecher des Unterhauses, John Bercow, bereits angekündigt hat, dass sich dieser Plan deutlich von seinen Vorgängerversionen unterscheiden müssen wird, damit er ihn zur Abstimmung zulässt. Ich halte inzwischen ein zweites Referendum für zunehmend wahrscheinlich, aber natürlich ist alles möglich. Die gute Nachricht ist, dass ein ungeregelter Brexit, ein „Herausbrechen“ aus der Europäischen Union — zumindest bis auf weiteres – abgewendet worden ist.
Anstehende Ereignisse in der kommenden Woche
- In der vor uns liegenden Woche wird der Brexit im Vordergrund stehen. Ob May ein drittes Mal über ihren Austrittsplan abstimmen lassen kann, ist unklar. Möglicherweise wird sie doch noch nachgeben und einem Referendum zustimmen. Alternativ ist sogar denkbar, dass sie zum Rücktritt gezwungen wird. Wir werden die diesbezüglichen Entwicklungen natürlich genau verfolgen.
- Ein weiterer wichtiger Faktor sind die weiteren Entwicklungen in den US-chinesischen Handelsgesprächen, nachdem über härtere Fronten in China berichtet worden ist. Negative Nachrichten von der Handelsfront könnten den ohnehin fragilen Aktienmarkt zusätzlich belasten.
- Angesichts der großen Sorgen über einen globalen Abschwung sollten Investoren auch die Wirtschaftsdaten genau im Auge haben, zum Beispiel:
US-Daten: Verbrauchervertrauen, Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal, Haushaltseinkommen und private Ausgaben
Japanische Daten: Beschäftigung, Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze
Chinesische Einkaufsmanagerindizes
Nachdem die europäischen Konjunkturdaten zuletzt enttäuschend ausgefallen sind, ist wichtig, besser abschätzen zu können, wie ausgeprägt die Wirtschaftsschwäche in Europa wirklich ist: Einzelhandelsumsätze in Deutschland, Bruttoinlandsprodukt in Frankreich, Geschäfts- und Konsumklima in der Eurozone und Arbeitslosigkeit in Deutschland
Ich gehe davon aus, dass wir am Ende der Woche feststellen werden, dass einige der jüngsten Wirtschaftsdaten enttäuschend ausgefallen sind, es aber auch positive Überraschungen gegeben hat, was sich insgesamt zum Eindruck eines moderaten globalen Abschwungs summieren dürfte. Nächste Woche wissen wir mehr.
Kristina Hooper, Chief Global Market Strategist, Invesco