Dass die Märkte so heftig auf diese Epidemie reagieren, führt Greenwood auf die immer noch vielen Unbekannten im Zusammenhang mit diesem Virus zurück. Wie schwer und ausgedehnt der Ausbruch letztlich sein wird und welche Länder in welcher Weise betroffen sein werden, lässt sich aktuell noch nicht abschätzen. Das verunsichert die Märkte und schlägt sich kurzfristig unter anderem in einem massiven Rückgang des Tourismus und der Geschäftsreisen nieder.
Das aus Sicht des Invesco-Ökonomen größte Problem sind jedoch die internationalen Lieferkettenstörungen, vor allem in Asien. Hier werden viele wichtige Komponenten für Hersteller in allen Teilen der Welt gefertigt. Finanziert werden diese Aktivitäten größtenteils in US-Dollar, von lokalen Banken, deren Zugang zu Dollar-Finanzierungen trotz der Devisenreserven ihrer jeweiligen Zentralbanken begrenzt ist. Anzeichen von Stress würden sich als erstes in diesen Peripheriemärkten zeigen und dann über die Verkettung der Zahlungsströme auch US-Banken als Bereitsteller von Dollar-Finanzierungen in Mitleidenschaft ziehen und letztlich die US-amerikanische Notenbank (Fed) als Dollar-Kreditgeber letzter Instanz.
Greenwood zufolge spiegelt sich diese Problematik schon jetzt ansatzweise am US-Geldmarkt wider. So signalisiere die deutliche Überzeichnung der jüngsten befristeten Repo-Geschäfte der New York Fed, dass sich die Händler auf einen erhöhten Liquiditätsbedarf in den nächsten beiden Wochen einstellen – entweder, um den Liquiditätsbedarf ihrer asiatischen Niederlassungen zu decken oder um sicherzustellen, dass sie bei den bevorstehenden US-Staatsanleiheauktionen mitbieten können.
Um eine Negativspirale zu verhindern, hat die Fed in der vergangenen Woche den US-Leitzins um 50 Basispunkte gesenkt – ein Schritt, der nach Ansicht des Chefökonomen von Invesco deutlich zu kurz greift und Ausdruck einer Geldpolitik ist, die sich zu sehr von den Bedürfnissen der Märkte entfernt hat und sich von fehlgeleiteten Theorien über den Nutzen der Zinspolitik leiten lässt. „Letztlich geht es bei der Geldpolitik nicht um Zinssätze, sondern darum, die richtige Menge an Finanzierungen oder Geld bereitzustellen,“ so Greenwood.
Er verweist auf das starke Wachstum der Geldmarktfonds von 2,6 auf 3,3 Billionen US-Dollar in den letzten zwölf Monaten. Wenn die Fed jetzt nur auf Zinssenkungen setze, würde die Zinsstrukturkurve steiler, was diese Fonds dazu bewegen würde, vom kurzfristigen Dollar-Finanzierungsmarkt – wo die Liquidität in den nächsten Wochen gebraucht wird – in langfristige US-Staatsanleihen umzuschichten. „Das würde die Liquiditätsproblematik nur verschlimmern,“ betont Greenwood.
Für den richtigen Weg hielte er umfangreiche Liquiditätsspritzen, um der aktuellen Panik zu begegnen – durch Anleihenkäufe, Repo-Geschäfte oder, noch besser, eine Ausweitung des Volumens an US-Dollar-Swapgeschäften mit den Zentralbanken von Japan, China, Korea, Taiwan und Hongkong. Wenn die Panik vorüber sei, könne dem Markt diese Liquidität problemlos wieder entzogen werden, so dass keine potenziell inflationär wirkende Überschussliquidität im Markt verbliebe.
Bei allen kurzfristigen Unbekannten sieht Greenwood gute Voraussetzungen dafür, dass es bei einem temporären Schock bleibt. So sei die US-amerikanische Wirtschaft mittel- bis langfristig sehr gut aufgestellt. Gestützt durch die solide Finanzlage der Unternehmen und privaten Haushalte sowie das anhaltend robuste Geldmengenwachstum könne sich der Konjunkturzyklus hier fortsetzen. Das Risiko einer Kreditklemme sieht Greenwood in den USA nicht.
„Wenn die Zentralbanken jetzt rasch die richtigen Maßnahmen ergreifen, könnte dies den temporären Einbruch von Wirtschaft und Märkten mindern und dazu führen, dass es schon im Sommer zu einer kräftigen und nachhaltigen Erholung kommt“, so Greenwood.