Für die Studie wurden Interviews mit Anleiheinvestoren in Nordamerika, EMEA und Asien-Pazifik (APAC) geführt, die zusammen ein Anlagevermögen von 20 Billionen US-Dollar verwalten (Stand 31. Dezember 2019). Zu den Teilnehmern der Studie gehörten leistungs- und beitragsorientierte Pensionskassen, Staatsfonds, Versicherungsgesellschaften, Privatbanken, diversifizierte Fondsmanager, Multi-Manager und Modell-Entwickler. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:
Mit dem weiter zunehmenden Interesse an EM-Anleihen sind die Investoren selektiver geworden und zu länderspezifischen Allokationen übergegangen
Wie die Studie zeigt, hat das Interesse an Emerging-Market-Anleihen (EM-Anleihen) 2019 nochmals zugenommen. Die gute Performance der Anlageklasse, die relativ attraktiven Renditen und das Diversifikationspotenzial haben Investoren zu einer Aufstockung ihrer Allokationen in diesem Sektor veranlasst. 72% der Investoren sind jetzt in EM-Anleihen investiert – im Vergleich zu 49% im Jahr 2018. Das entspricht einem Anstieg um 47% (Abb. 1) Haupttreiber dieser Entwicklung sind Investoren aus EMEA und APAC: 80% bzw. 89% der Investoren aus diesen Regionen halten Positionen in EM-Anleihen, verglichen mit lediglich 51% in Nordamerika. Auch sind die Allokationen in EM-Anleihen in APAC und EMEA mit 7,2% bzw. 6,5% deutlich höher als in Nordamerika (3,6%) (Abb. 2).
Gleichzeitig nimmt die Spezialisierung zu, vor allem unter Investoren, die hauptsächlich aufgrund der attraktiven Renditen (und weniger aus Diversifikationsgründen) in EM-Anleihen investieren – sie bevorzugen inzwischen länderspezifische Allokationen (63%). Für die 42% der Investoren, die mittlerweile in EM-Anleihen investiert sind (Abb. 3), ist China ein interessanter Markt, wobei vor allem auf die vermeintlich einzigartigen Diversifikationsvorteile der chinesischen Wirtschaft und des chinesischen politischen Systems sowie niedrigere Hürden für Investitionen in diesen Markt verwiesen wird: 62% der Investoren sind der Meinung, dass der Zugang zum chinesischen Anleihemarkt nicht mehr so schwierig ist wie vor zwei Jahren (Abb. 4).
„Angesichts der niedrigen verfügbaren Renditen in ihren Kernportfolios haben EMEA-Investoren in großem Stil in EM-Anleihen umgeschichtet, um höhere Erträge zu generieren. 69% der EMEA-Investoren mit einer Allokation in EM-Anleihen sind aus Renditeerwägungen in der Anlageklasse investiert, verglichen mit nur 25% der nordamerikanischen Investoren, die EM-Anleihen eher als Portfoliodiversifikator betrachten“, sagte Nick Tolchard, Head of EMEA bei Invesco Fixed Income.
„Außerdem betrachten die Investoren EM-Anleihen nicht mehr als eine einheitliche Anlageklasse. Wir beobachten inzwischen ein zunehmendes Interesse an einzelnen Märkten, das wir als Ausdruck eines langfristigen Trends werten. Dabei fällt auf, dass chinesische Anleihen in diesem Jahr zu den Anlageklassen mit der besten Performance gehören – nur US-amerikanische Staatsanleihen sind noch besser gelaufen.“
ESG zunehmend etabliert auch im Anleihebereich
Auch im Anleihenbereich hat die ESG-Integration stark an Bedeutung gewonnen: 80% der Investoren in EMEA und 69% der Investoren in APAC berücksichtigen in ihren Zinsportfolios ESG-Faktoren. Im Jahr 2019 waren es erst 51% bzw. 38% (Abb. 5). Am höchsten ist der Anteil der Anlagen, bei denen ESG-Kriterien berücksichtigt werden, in den Portfolios der Investoren aus EMEA mit 34%, gefolgt von Nordamerika mit 22% und APAC mit 19%. Die nordamerikanischen Investoren haben sich bei der ESG-Integration am zögerlichsten gezeigt – bislang berücksichtigen nur 56% dieser Investoren ESG-Faktoren in ihren Portfolios.
Die Zeiten, in denen Investoren glaubten, dass eine Berücksichtigung von ESG-Kriterien automatisch einen Performancenachteil bedeutet, sind vorbei. Nur 3% der Befragten sind dieser Meinung – die Hälfte der Studienteilnehmer betrachtet eine informierte Bewertung der ESG-Risiken von Emittenten inzwischen für wichtig, um höhere Erträge zu generieren. Konkret müssen Emittenten, die Umwelt- und Governance-Sorgen – das „E“ und das „G“ in ESG – nicht angemessen adressieren, mit höheren Fremdkapital- und Refinanzierungskosten rechnen, was sich ganz klar auch auf die Bewertung dieser Wertpapiere in den Anlegerportfolios auswirkt. 54% der Befragten sind jetzt der Ansicht, dass sich durch ESG-Analysen versteckte Wertpotenziale an den Anleihemärkten erschließen lassen. Für 50% der Investoren, die in ihren Anleihenportfolios ESG-Faktoren berücksichtigen, ist die Aussicht auf bessere Anlageerträge ein wichtiger Beweggrund.
Unter allen betrachteten Regionen zeigen Investoren aus EMEA die positivste Einstellung: 52% geben an, dass sich die Berücksichtigung von ESG-Erwägungen in ihren Anleihenportfolios positiv auf die Rendite ausgewirkt hat, und nur 2% (Abb. 6) berichten über abträgliche Auswirkungen. Investoren aus EMEA haben auch die größten Erwartungen an die weitere Entwicklung von ESG: 34% von ihnen glauben, dass ESG-Ansätze in drei Jahren ‚deutlich mehr Einfluss‘ haben werden als heute. Nur 15% rechnen nicht mit einer zunehmenden Bedeutung von ESG-Ansätzen – das sind weniger als in jeder anderen Region.
„Viele Investoren haben lange geglaubt, dass die Berücksichtigung von ESG-Faktoren zwangsläufig mit Einbußen bei der Performance einhergehen würde. Inzwischen hat es hier aber einen Einstellungswandel gegeben. Über alle Regionen hinweg berichten nur sehr wenige Investoren über negative Auswirkungen auf ihre Performance. In EMEA hat die Mehrheit (52%) sogar angegeben, dass sich die ESG-Integration positiv in ihrer Performance niedergeschlagen hat“, sagte Tolchard.
„Unter Verweis auf die Verantwortung, die Investoren gegenüber Umwelt und Gesellschaft haben, nennen drei Viertel (75%) der Befragten die gesellschaftliche Verantwortung als wichtigsten Treiber der ESG-Integration in ihren Portfolios. Ein weiterer wichtiger Grund sind für mehr als zwei Drittel (67%) der Investoren die Wünsche ihrer Stakeholder. Das zeigt, welche Bedeutung Vermögensträger und Investoren diesem Thema inzwischen beimessen“ (Abb. 7).
Neue Ansätze helfen, das Liquiditätsparadoxon der Anleihemärkte zu adressieren
Im spätzyklischen Umfeld haben die Asset Owner ihre Allokationen in illiquide Anlagewerte erhöht. Die Mehrheit (51%) zeigte sich aber besorgt über die Liquidität der Anleihemärkte und unsicher, wie die Anleihemärkte nach der Einführung von Regelwerken wie dem Dodd-Frank Act und den Beschränkungen der traditionellen Market Maker im Nachgang der globalen Finanzkrise in schwierigeren Phasen reagieren würden. Unter anderem hat dies zu einem vermehrten Interesse an Strategien geführt, die helfen können, die Liquidität zu verbessern und das Marktrisiko zu reduzieren. Dazu gehören Techniken wie der Blockhandel, der über ETFs direkt zwischen Kunden stattfindet (und von 59% der Investoren genutzt wird), Credit Portfolio Trading (von 30% genutzt) und die breitere Anwendung von Strategien mit festen Laufzeiten (56%).
„Die Investoren machen sich Sorgen über die Liquidität und regulatorische Entwicklungen, die durch den von COVID-19 ausgelösten Wachstumseinbruch nochmals verstärkt worden sind“, sagte Tolchard. „Viele betrachten Strategien mit fester Laufzeit als gute Möglichkeit, zusätzliche Liquiditätsprämien abzuschöpfen und zugleich ihre Kosten begrenzt zu halten sowie stabile, vorhersagbare Erträge zu erzielen. Wie wir festgestellt haben, werden diese Strategien von 56% der Investoren genutzt, darunter 72% der beitragsorientierten Pensionskassen und 66% der Versicherungsgesellschaften.“
Größere Vorsicht schon vor den Marktturbulenzen
Anleiheinvestoren waren schon vor den von COVID-19 im ersten Quartal 2020 ausgelösten Marktturbulenzen zunehmend risikoavers geworden. Fast die Hälfte von ihnen (43%) war der Ansicht, dass es maximal noch ein Jahr dauern würde, bis der bisherige Konjunkturzyklus – der längste je verzeichnete – endet, wobei die meisten mit einer weichen Landung rechneten. 23% sahen eine Blasenbildung am Anleihenmarkt, wobei nur 29% mit einem starken Einbruch der Anleihekurse rechneten. Die geldpolitischen Lockerungen der Zentralbanken haben zu niedrigen und negativen Renditen geführt. Das hat einige Investoren dazu veranlasst, stärker ins Risiko zu gehen, um höhere Erträge zu erzielen und ihre Ziele zu erreichen. Die Analysen zeichnen das Bild eines von Angst geplagten Marktes: der Angst, Geld zu verlieren, aber auch der Angst, gute Chancen zu verpassen. Trotz einer zum Teil höheren Risikobereitschaft in der Spätphase des Konjunkturzyklus könnten eine gewisse spätzyklische Vorsicht und die Angst vor Handelskriegen zu Portfolios geführt haben, die besser gegen den beispiellosen externen Schock abgeschirmt waren, der die Märkte aktuell im Griff hat.
„Die wahrgenommene Spreadverengung veranlasste viele Investoren zu einer vorsichtigen Positionierung, die sich inmitten der durch COVID-19 ausgelösten Marktverwerfungen ausgezahlt haben könnte“, so Tolchard. „Aber nicht alle Investoren waren so vorsichtig. Einige sehen sich mit erheblichen Wertschwankungen von generell als hochwertig wahrgenommenen Anlagewerten konfrontiert, zum Beispiel in Bereichen wie Konsumgütern, Öl & Gas und Reisen.“
Einen vollständigen Überblick über die Ergebnisse der Global Fixed Income Study finden interessierte LeserInnen hier.