Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research im Global Market Strategy Office von Invesco, hat seine jährliche Zusammenstellung von zehn konträren Anlageideen für das bevorstehende Kapitalmarktjahr 2025 veröffentlicht. Damit bringt der Investmentexperte seine Überzeugung zum Ausdruck, dass sich mit einer erfolgreichen Positionierung gegen den Konsens die höchsten Renditen erzielen – oder die höchsten Verluste vermeiden – lassen.
Seine „Aristotle List“ umfasst unwahrscheinliche, aber mögliche Ereignisse, die seiner Ansicht nach mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 30% in den nächsten zwölf Monaten eintreten werden. In Anlehnung an den griechischen Philosophen, der feststellte, dass es den Menschen im Allgemeinen leichter fällt, an interessante unmögliche Ereignisse zu glauben als an unwahrscheinliche mögliche Ereignisse, identifiziert Jackson so unwahrscheinliche, aber mögliche Ereignisse, die die meisten Anleger überraschen dürften und dadurch Anlagechancen eröffnen könnten.
Vor einem Jahr waren diese hypothetischen Vorhersagen darüber, was außerhalb seines zentralen Szenarios geschehen könnte, in der Tendenz negativ. Grund dafür war die allgemein optimistische Stimmung an den Märkten im Vorfeld des erwarteten Lockerungszyklus der Zentralbanken. Jacksons Ideen für das Anlagejahr 2025 spiegeln die durchwachsenere Stimmung zum Jahresende 2024 wider.
Sein zentrales Szenario basiert auf der Annahme, dass die Inflation weiter in Richtung der Zentralbankziele sinkt, was weitere Zinssenkungen und solide Anlagerenditen ermöglichen würde. Er hält es jedoch auch für denkbar, dass die Inflation in den USA im Jahr 2025 auf über 4% steigt. „Die Geldmenge in den USA wächst, die Kerninflation verharrt hartnäckig über 3,0%, die Energiepreise sind gestiegen und Zölle könnten die Preise in den USA in die Höhe treiben“, schreibt Jackson in der jüngsten Ausgabe der Invesco-Publikation „Uncommon Truths“. Die Hauspreisinflation sei zwar seit Mitte 2024 rückläufig. Die Erfahrung zeige jedoch, dass sich dies erst in der zweiten Jahreshälfte 2025 auf die Wohnkostenkomponente des Verbraucherpreisindex auswirken könnte. Jackson zufolge könnte eine höhere Inflation zu steigenden US-Staatsanleiherenditen führen und auf die Preise vieler Vermögenswerte drücken.
Eine Abschwächung des US-Dollars im Jahr 2025 hält der Invesco-Experte ebenfalls für möglich. Während viele angesichts der anhaltenden Sonderstellung der USA davon ausgehen, dass der Dollar seinen Aufwärtstrend fortsetzen wird, sieht Jackson mehrere Faktoren, die den Greenback schwächen könnten. „Erstens ist der Dollar teuer und seine Fundamentaldaten sind schlecht. Zweitens könnte sich der seit September beobachtete Anstieg der Markterwartungen an den Zinspfad der Fed teilweise wieder umkehren. Drittens könnte das politische Umfeld unter dem neuen US-Präsidenten unberechenbarer werden. Außerdem scheint dieser ebenfalls einen schwächeren Dollar zu wollen“, so Jackson.
Donald Trumps Fähigkeit, Chaos zu verbreiten und durch seine Zolldrohungen und seinen Umgang mit dem Ukraine-Konflikt Zwietracht unter den EU-Mitgliedstaaten zu säen, könne dazu führen, dass sich der Renditeabstand der Anleihen anderer europäischer Staaten zu deutschen Bundesanleihen vergrößert. Zusätzlich verstärkt werden könne die Nervosität an den Märkten, falls Frankreichs Präsident Macron aufgrund politischer Unruhen nach Neuwahlen zurücktreten sollte - ein Szenario, das Jackson ebenfalls für möglich hält.
Der US-Aktienmarkt wiederum könne durch eine unberechenbare Politik der neuen Regierung und steigende Staatsanleiherenditen unter Druck geraten und schlechter abschneiden als globale Indizes, wenn andere Märkte stärker von einer anziehenden globalen Wachstumsdynamik profitieren sollten. „Die Zuversicht der US-Aktienmarkt-Bullen scheint in der Aussicht auf eine Senkung der Unternehmenssteuern in den USA und der Verhängung von Zöllen auf Güter aus anderen Ländern begründet zu sein. Ich kann allerdings keinen historischen Zusammenhang zwischen den Unternehmenssteuersätzen und den künftigen Aktienrenditen in den USA feststellen und bezweifle, dass die USA immun gegenüber den Auswirkungen von Handelskriegen sein werden“, sagt Jackson. Zudem signalisieren die Bewertungen am US-Aktienmarkt seiner Ansicht nach, dass dieser im Vergleich zu anderen Märkten bereits viele gute Nachrichten eingepreist hat.
Bei seinen exotischeren Aktienideen sucht Jackson vor allem nach Märkten, in denen die Dividendenrendite das Kurs-Gewinn-Verhältnis übersteigt. In diesem Jahr erfüllt nur Kenia dieses Kriterium mit einem KGV von derzeit 6,3 und einer Dividendenrendite von 7,8% für den Nairobi All Share Index (Bloomberg, Stand 10. Januar 2025). „Ein derartiges Bewertungsniveau spricht in der Regel entweder für eine große Anlagechance oder eine bevorstehende Schieflage“, so Jackson. Seiner Ansicht nach spricht viel dafür, dass Kenia in die erste Kategorie fällt: Die von Bloomberg erhobenen Konsensschätzungen signalisieren steigende Gewinne und Dividenden für 2025, die geläufigen makroökonomischen Indikatoren lassen keine Probleme erkennen und der kenianische Schilling hat sich als außergewöhnlich stark erwiesen. Daher glaubt der Invesco-Experte, dass sich kenianische Aktien im Jahr 2025 besser entwickeln könnten als große globale Indizes. Allerdings habe der Index auch nur eine Marktkapitalisierung von etwa 14 Mrd. USD.
Im Anleihenbereich meint Jackson, dass türkische Staatsanleihen im Jahr 2025 erneut besser abschneiden könnten als globale Indizes (sowohl in lokaler Währung als auch in US-Dollar), nachdem sie bereits 2024 an der Spitze der 35 von ihm beobachteten Märkte standen (in lokaler Währung). Anfang 2025 rentierten zehnjährige türkische Staatsanleihen mit rund 27%. Die Zweijahresrendite lag bei etwa 37%. „Eine Währungsabwertung ist das größte Risiko, aber die Inflation ist rückläufig und von ihrem Höchststand von 75% im Mai bis Dezember auf 44% gesunken, und ich halte die Lira auf realer Basis für günstig. Daher könnte das Schlimmste überstanden sein“, so der Invesco-Experte.
Damit bleiben noch drei Überraschungen auf Jacksons Aristotle List für 2025: ein Ausbruch des CO2-Preises in der EU über 90 EUR je Tonne, ein Rückgang des Bitcoin auf unter 50.000 USD und der erste europäische Sieg im Ryder Cup Golfturnier auf amerikanischem Boden seit dem „Wunder von Medinah“ im Jahr 2012.
Von Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research im Global Market Strategy Office von Invesco