Anfang April erschütterte der Zoll-Rundumschlag der Trump-Regierung die Märkte. Jetzt haben der Handelsdeal mit Großbritannien und die zwischen den USA und China vereinbarte „Zoll-Pause“ Hoffnungen geweckt, dass die volle Wucht des „Liberation Day“-Zollhammers vermieden werden kann. Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research im Global Market Strategy Office von Invesco, geht jedoch weiterhin davon aus, dass die Zölle höher bleiben werden als zu Jahresanfang – was seiner Ansicht nach vor allem der US-Wirtschaft schaden würde und schlecht für US-Aktien sein könnte.
In der neuesten Ausgabe der Invesco-Publikation Uncommon Truths skizziert der Invesco-Experte seine Schätzungen zu den maximalen Erstrundeneffekten der Zölle auf die US-Verbraucherpreise und das US-BIP unter verschiedenen Szenarien. Seine Berechnungen zeigen, dass die vollständige Umsetzung der „gegenseitigen Zölle“ kurzfristig zu einem Anstieg des Verbraucherpreisindex um bis zu 3,5% und einem Rückgang des BIP um rund 2,25% führen könnte, was ein reales Rezessionsrisiko mit sich bringen würde.
Diese unmittelbare Gefahr scheint erst einmal gebannt zu sein. Der jetzt vereinbarte Deal mit Großbritannien und die Pause im Zollstreit mit China lassen hoffen, dass die US-Regierung einige der disruptivsten Elemente ihrer Zollpläne zurücknehmen wird, zumal Präsident Trump auch eine mögliche Einigung mit der EU in Aussicht gestellt hat.
Der Wermutstropfen: Der Deal zwischen den USA und China sieht zwar vor, dass beide Länder einen Teil der gegenseitig verhängten Zölle komplett streichen und andere für 90 Tage aussetzen – der kombinierte US-Zollsatz auf chinesische Importe bleibt jedoch bei 30% und die Aufschläge Chinas gegen Einfuhren aus den USA bei 10%. Wie es nach der 90-tägigen Pause weitergeht, ist unklar. Die beiden Regierungen verhandeln jedoch weiter, könnten also auch noch einen weiteren Deal schließen. Was das US-Handelsabkommen mit Großbritannien angeht, zeigen Jacksons Berechnungen (basierend auf Daten für 2024), dass dieses vermutlich maximal 23% der britischen Exporte in die USA und höchstens 35% der US-Ausfuhren nach Großbritannien abdeckt.
Aus Sicht der Finanzmärkte könnte die Symbolkraft dieser Deals jedoch wichtiger sein als das, was im Einzelnen vereinbart wurde. „Diese Einigungen scheinen zu signalisieren, dass die USA bereit sind, Wege zu finden, um die Zölle unter dem am 2. April angekündigten Niveau zu halten“, so Jackson. „Und je weiter die USA bei der Rücknahme dieser gegenseitigen Zölle gehen, desto geringer dürfte der Schaden für die US-Wirtschaft sein.“
Obwohl entsprechende Deals mit den USA allen beteiligten Ländern zugute kämen, würden die USA selbst Jackson zufolge am meisten profitieren – und hätten am meisten zu verlieren, falls keine Einigungen erzielt werden. Seiner Ansicht nach hätten insbesondere Länder wie Vietnam und Kambodscha, für die der Handel mit den USA eine besonders große wirtschaftliche Bedeutung hat, viel zu gewinnen. China sei zwar weniger abhängig vom US-Markt, würde aber ebenfalls sehr von der Senkung der extrem hohen US-Zölle auf chinesische Importe profitieren – auf die es mit ähnlich drakonischen Maßnahmen reagiert hat.
„Je niedriger die Zölle, desto geringer die Belastung für die Wirtschaft“, betont der Invesco-Experte. Dass die USA ihre Zollpläne vollständig aufgeben, hält er jedoch für unwahrscheinlich. Die Einigungen mit China und Großbritannien sprächen vielmehr für einen bleibenden Basiszollsatz von 10%. Jackson schätzt, dass ein einheitlicher Zollsatz von 10% immer noch einen Anstieg des US-Verbraucherpreisindex um 0,9% zur Folge haben und das US-BIP um 0,6% reduzieren könnte. Aufgrund der zunächst extrem hohen Zölle auf chinesische Waren und der Unsicherheit der letzten Wochen könne der latente Schaden aber auch bereits größer sein.
Ein Blick auf die Aktienmarktperformance seit Jahresanfang – in US-Dollar, um die Auswirkungen von Währungsschwankungen zu berücksichtigen – zeigt, dass der US-Markt stärker als andere Märkte gelitten hat. Deutschland, Großbritannien und die EU haben in dieser Zeit von angekündigten Finanzpaketen profitiert. Jackson zufolge könnte der potenzielle Schaden für die Wirtschaft noch größer sein, als der Kursrückgang am US-Aktienmarkt vermuten lässt, vor allem, falls die Zölle auf chinesische Importe nach der 90-tägigen Pause bei 40% oder darüber festgesetzt werden sollten.
Seiner Ansicht nach spiegeln die Finanzmärkte die bedeutenden Veränderungen seit Jahresbeginn nur teilweise wider. Nach der anfänglichen Panik, die Trumps Zollankündigungen am 2. April auslösten, scheinen die Märkte ihre diesbezüglichen Sorgen wieder abgeschüttelt zu haben: An vielen Aktienmärkten ging es im zurückliegenden Monat wieder deutlich aufwärts. In diesem Umfeld hält Jackson eine höhere Allokation in US-Aktien, die seiner Ansicht nach auf einem sehr hohen Bewertungsniveau in dieses Jahr gestartet sind, für verfrüht. In seiner Modell-Asset-Allokation ist der US-Markt daher weiterhin untergewichtet, zugunsten von Europa, China und den Schwellenmärkten. Auch der US-Dollar, den Jackson ebenfalls für teuer hält, bleibt untergewichtet.
Von Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research im Global Market Strategy Office von Invesco