Dessen ungeachtet handelt es sich dieses Mal immerhin um das drittgrößte Minus seit der Rezession von 2008/2009. Überdies hellt sich das Bild nicht auf, wenn Großaufträge ausgeklammert werden. Im Gegenteil, in dieser seit Januar 2010 ermittelten Reihe kam es im Juni zum größten bisher gemessenen Rückgang überhaupt (-3,2%).
Das Juni-Ergebnis fügt sich darüber hinaus nahtlos in die Entwicklung des laufenden Jahres ein. Schließlich handelt es sich bereits um das fünfte Minus der vergangenen sechs Monate. Lediglich im Mai (+2,6%) kam es zu einem kurzen Aufatmen. Der Trend ist indes eindeutig abwärtsgerichtet. Dies spiegelt sich auch in der 6-Monats-Veränderung wider, die mit -7,3% auf einen 7-jährigen Tiefststand gefallen ist. Die Jahresrate rutschte unterdessen das erste Mal seit Mitte 2016 wieder ins Minus (-0,8%). Im Januar übertrafen die Auftragseingänge das Vorjahresniveau noch um +8,6% (vgl. Abb. 1).
Auch auf sektoraler Ebene findet sich kaum ein positiver Aspekt. Die Abwärtsbewegung ist vielmehr breit fundiert. Am stärksten betroffen sind die Hersteller von Kapitalgütern (Jahresrate: -1,6%). Aber auch die Produzenten von Vorleistungs- und Konsumgütern sehen sich einer schwindenden Nachfrage gegenüber.
In regionaler Hinsicht sticht auf den ersten Blick der Einbruch bei den Bestellungen aus der Nichteurozone hervor (unter anderem USA und China). Sie sackten im Juni um 5,9% ab. Es liegt auf der Hand, dafür die jüngsten Handelsstreitigkeiten verantwortlich zu machen. Wir sind bei solchen Spekulationen jedoch vorsichtig. Betrachtet man die Entwicklung im gesamten 1. Halbjahr ist die Abschwächung bei den Orders aus der Eurozone nicht viel geringer (vgl. Abb. 2). Mithin ist der Bestellrückgang auch regional breit gestreut.
Als Zwischenfazit kann somit festgehalten werden: Bei dem kräftigen Juni-Minus der Auftragseingänge dürfte es sich – wie so häufig – einerseits um ein Überschießen handeln. Andererseits steht der rückläufige Trend bei den Orders vollkommen im Einklang mit unserem skeptischen Konjunkturausblick und spiegelt ziemlich exakt die jüngste Entwicklung bei den Frühindikatoren wider (vgl. Abb. 1).
Wendet man sich den anderen Juni-Daten der deutschen Industrie zu, überwiegen ebenfalls die Minuszeichen – die Einbrüche sind aber weniger ausgeprägt. Demnach ging der Umsatz des verarbeitenden Gewerbes »nur« um 1,0% zurück, die Produktion sank um 0,9% (Konsensus: -0,5%) und die Exporte blieben sogar konstant (die Außenhandelsdaten werden allerdings zunächst nur in nominaler Rechnung publiziert). Insgesamt ist dies aber kein allzu großer Trost: Erstens ist auch bei Produktions-, Umsatz- und Exportdaten der Trend seit Jahresbeginn seitwärts- oder abwärtsgerichtet. Zweitens laufen die Auftragsdaten den anderen Reihen vorweg und drittens zeigen die ersten Branchendaten (Fahrzeugbau), dass die Industrieproduktion im Juli erneut schwach ausfallen wird.
Alles in allem sind die Auftragsdaten neben den Frühindikatoren (vom Juli) ein weiteres Indiz dafür, dass nach dem enttäuschenden 1. Halbjahr auch im 3. Quartal kein kräftiges Aufbäumen in der Industrie stattfinden wird. Der Konjunkturtrend bleibt stattdessen zu Beginn des 2. Halbjahres abwärtsgerichtet.
Auch der ständige Hinweis auf Sonderfaktoren wird immer unglaubwürdiger. Waren es zu Jahresbeginn Streiks, ein hoher Krankenstand und die ungünstige Lage der Feiertage, die als Bremskräfte aufgezählt wurden, könnte man die Reihe nunmehr weiter ergänzen. So wird bei VW die Produktion durch die neuen Abgastests gedämpft und die heiße Witterung hat zu niedrigen Wasserständen für die Binnenschifffahrt geführt. Außerdem müssen bereits erste Industrieunternehmen ihre Produktion drosseln, um die Wassertemperaturen nicht weiter ansteigen zu lassen. Letztendlich gibt es jedes Jahr irgendwelche Sonderfaktoren, die – wenn es passt – dankbar als Erklärung für Rückschläge angeführt werden. Wenn es gut läuft, werden sie dagegen ignoriert.
Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt, Bantleon