Die EZB-Politik war in den vergangenen Tagen heftigem Gegenwind ausgesetzt. Die wichtigsten Konjunkturbarometer der Eurozone haben im Oktober weiter an Terrain verloren. Dies gilt vor allem für den Einkaufsmanagerindex der Industrie, der zum neunten Mal in den vergangenen zehn Monaten gefallen ist und einen 2-jährigen Tiefststand markiert hat (52,1 Punkte). Der Teilindex zu den Auftragseingängen ist sogar erstmals seit vier Jahren wieder unter die Expansionsschwelle abgetaucht.
EZB-Präsident Mario Draghi zeigte sich dennoch gelassen. Er räumte zwar ein, dass das konjunkturelle Momentum nachgelassen habe, einen echten Abschwung können die Währungshüter aber noch nicht erkennen. Auch mit Blick voraus sehen sie die Risiken nach wie vor als ausgeglichen an. Zur Beschwichtigung verwies Draghi unter anderem darauf, dass die meisten Konjunkturbarometer immer noch über dem langfristigen Durchschnitt liegen. Außerdem hätten auch länderspezifische Faktoren (deutsche Autoindustrie) zuletzt dämpfend gewirkt.
Das Basisszenario der EZB bleibt daher, dass der Aufschwung intakt ist. Man werde aber im Dezember, wenn die neuen offiziellen Projektionen erstellt werden, nochmals alles genau auf den Prüfstand stellen.
Auffallend war darüber hinaus, dass die Italienkrise unter den Abwärtsrisiken nicht aufgeführt wurde (genannt wurden stattdessen: Protektionismus, Schwellenländer und Finanzmarktvolatilität). Auf das Thema angesprochen verbreitete Draghi vorsichtigen Optimismus. Er sei guter Dinge, dass die EU-Kommission und die italienische Regierung einen Kompromiss finden werden. Bislang hätten sich überdies die Ausstrahlungseffekte auf andere Länder in Grenzen gehalten.
Schließlich dominierte auch beim Inflationsthema ein zuversichtlicher Ton. Das Vertrauen in zukünftig steigende Teuerungsraten ist weiterhin vorhanden. Einmal mehr verwiesen die Währungshüter dabei auf die aktuellen Lohndaten und die positive Arbeitsmarktentwicklung. Ein gewisses Zurückrudern gegenüber dem jüngsten Wording war aber dennoch unverkennbar. So hatte Draghi im September vor dem Europaparlament betont, die EZB unterstelle für die nächsten Quartale einen »vergleichsweise kräftigen« Anstieg der Kerninflation. Diesen Hinweis verkniff sich der Notenbankpräsident dieses Mal.
Alles in allem sieht die EZB keine Notwendigkeit, von ihrem gegenwärtigen Kurs abzuweichen. Sie wird demzufolge die Anleihenkäufe im Dezember einstellen und gleichzeitig das Leitzinsniveau bis »über den Sommer 2019 hinweg« auf dem aktuellen Niveau belassen. Wer sich in dieser Hinsicht eine Präzisierung der forward guidance gewünscht hat, sah sich enttäuscht. Zuletzt hatten die EZB-Vertreter Praet und Coeure für eine größere Transparenz beim Zinsausblick plädiert.
Bei den EZB-Beobachtern hielten sich überdies bis zuletzt hartnäckig Spekulationen, wonach die Notenbank ihre Reinvestitionspolitik überdenke. Unter anderem wurde vermutet, die EZB werde Änderungen am Ländergewicht vornehmen oder unter Umständen vermehrt in langlaufende Titel investieren. Laut Draghi wurde über dieses Thema aber nicht diskutiert.
Wir gehen davon aus, dass sich die Konjunktur in den nächsten Monaten weiter abschwächt und im Schlepptau auch die Stimmungsindikatoren nochmals fallen (vgl. Abbildung). Dies wird die EZB zusätzlich unter Druck setzen, ihren Wirtschaftsausblick nach unten anzupassen (die BIP-Prognose der EZB für 2019 liegt bei 1,8%, wir rechnen nur mit 1,4% bis 1,5%). Insbesondere hat die Wahrscheinlichkeit zugenommen, dass die Abwärtsrisiken übergewichtet werden.
In der Folge sollten die Leitzinserwartungen an den Finanzmärkten einen Dämpfer erfahren und die Anleihenrenditen in den nächsten Wochen weiter fallen. Allerdings sind mit dem Ende des QE-Programms und den Leitzinserhöhungen in den USA auch Gegenkräfte präsent. Der Renditerückgang dürfte daher moderat ausfallen. Für Anfang 2019 erwarten wir bei 10-jährigen Bundesanleihen ein Niveau von +0,2%.
Daniel Hartmann, Chefvolkswirt, BANTLEON