Infrastrukturinvestitionen sind ein wichtiger Treiber für Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Umso bedenklicher ist es, dass viele Länder ihre Ziele für Investitionen in Ausbau und Modernisierung nur schwer oder gar nicht erfüllen können. So hat sich zum Beispiel die Qualität der deutschen Infrastruktur seit der Finanzkrise stetig verschlechtert. Sie ist seit September 2009 weltweit von Rang 1 auf Rang 7 zurückgefallen, heißt es im World Economic Forum Competitiveness Report. Deutschland ist eines der Länder, die für den Zeitraum 2017 – 2035 eine Finanzierungslücke für Infrastrukturinvestitionen haben. Die Gründe für diese Entwicklung reichen von Budgetrestriktionen über schleppende Genehmigungen, komplexe rechtliche Rahmenbedingungen bis hin zu ineffizienter Allokation zwischen verfügbarem Investitionskapital und existierendem Bedarf. Der Handlungszwang für Staaten ist dabei unumstritten: Schätzungen zufolge müssen bis zum Jahr 2035 global etwa 3,7 Billionen US-Dollar jährlich in Basis-Infrastruktur investiert werden, um der Nachfrage gerecht zu werden.
Anleger haben verschiedene Möglichkeiten, um in diesen Markt zu investieren. Neben Direktinvestitionen, die oft großen institutionellen Investoren vorbehalten sind, sind dies vor allem Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen. Die meisten Infrastrukturfonds konzentrieren sich auf die klassischen, wirtschaftsfördernden Bereiche wie Versorger, Telekommunikation und Transportinfrastruktur. Diese Bereiche werden auch weiterhin den größten Investitionsbedarf haben. Die Geschäftsmodelle werden allerdings zunehmend vor neue Herausforderungen gestellt: Glasfasernetze, die Vernetzung der Energiemärkte, Mobilität und Shared Services. Diese neuen, schnell wachsenden und produktivitätssteigernden Märkte, müssen künftig von Infrastrukturunternehmen bedient werden.
Gute Beispiele für eine erfolgreiche Anpassung an einen sich wandelnden Infrastrukturmarkt sind börsennotierte Netzwerkbetreiber wie Elia in Belgien und Terna in Italien. Diese Unternehmen investieren in Innovationsprojekte im Bereich Vernetzung der Energiemärkte. Dazu gehört unter anderem die Vernetzung des italienischen Energiemarktes mit dem französischen. Das Ergebnis ist eine höhere europaweite Netzwerkstabilität, während der CO2-Ausstoß und die Strompreise durch effektiveren Energiehandel sinken. Im Bereich Transportinfrastruktur bereiten sich Mautstraßenbetreiber wie Ferrovial aus Spanien auf neue Mobilitäts- und Technologietrends vor: Autonomes Fahren und Carsharing müssen nicht weniger Autos oder weniger Bedarf an Straßeninfrastruktur bedeuten. Vernetzte Fahrzeugflotten können durch effiziente Interaktion die Auslastung der Straßen erhöhen. Außerdem bergen niedrigere Fahrzeug-Nutzungskosten auch das Risiko von mehr Verkehr und Staus in Großstädten. So oder so würden die Investitionen in Straßeninfrastruktur steigen. Im Bereich Telekommunikation haben Unternehmen wie Cellnex aus Spanien Investitionen in das Glasfasernetz und den neuen Mobilfunkstandard 5G für sich als Wachstumsmärkte identifiziert – als Dienstleister der Telekomfirmen. So werden Telekomtürme als Shared Service angeboten: Weil sie von mehreren Telekommunikationsunternehmen gleichzeitig genutzt werden, können diese ihre Kosten senken und verstärkt in Wachstumsinnovationen investieren.
Alle diese Entwicklungen bieten Anlegern neue Chancen, bedeuten aber auch neue Herausforderungen. Mit einer aktiven Einzeltitelauswahl ist es möglich, von den substanzstarken und defensiven Geschäftsmodellen dieser Infrastrukturunternehmen zu profitieren. Dabei ist es entscheidend, diejenigen Unternehmen auszuwählen, die stabile Geschäftsmodelle und starke Bilanzen erfolgreich mit Investitionen in Zukunftsmärkte kombinieren.
Susanne Linhardt, Senior Portfolio Manager Infrastruktur, BANTLEON