Die US-Wirtschaft hat sich durch den Government Shutdown nicht aus dem Tritt bringen lassen. Mit 304.000 lag die Zahl der neu geschaffenen Stellen im Januar deutlich über den Prognosen und spiegelt ein weiterhin robustes Wachstum wider. Die gute Verfassung der US-Wirtschaft wurde vom ISM-Einkaufsmanagerindex der Industrie bestätigt. Nach seinem überraschend kräftigen 4,5-Punkte-Rückgang im Dezember legte er im Januar um gut zwei Punkte auf 56,6 Punkte zu. Begünstigt wurde diese Gegenbewegung vor allem durch eine erneut zuversichtlichere Bewertung der Auftragslage. Dennoch kann der jüngste Anstieg des Industrie-ISM nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Ausblick sukzessive eintrübt. Das Ausklingen der Fiskalstimuli und die Bremseffekte durch die kräftigen Zinsanstiege werden das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr merklich dämpfen. Deshalb dürfte die jüngste Erholung nicht von Dauer sein und der Industrie-ISM seinen im Herbst vergangenen Jahres eingeschlagenen Abwärtstrend fortsetzen.
Die US-Zentralbank überraschte die Märkte noch stärker als die Konjunkturdaten: Fed-Chef Jerome Powell sprach nach der Sitzung des Offenmarktausschusses nicht mehr von Zinserhöhungen, sondern nur noch von Anpassungen. Zudem will die Fed die Notenbankbilanz weniger deutlich reduzieren als bislang angenommen. Als Begründung für den unvermittelten Schwenk beim Zinsausblick verwies Powell auf ein Bündel von Faktoren: nachlassende Dynamik in weiten Teilen der Welt (Europa und China), wachsende politische Risiken (Brexit, Handelskonflikt und Government Shutdown) sowie verschlechterte Finanzierungskonditionen.
Das Verhalten der Fed nähert sich damit wieder der Finanzkrisen-Tradition an: Im Zweifelsfall wählt sie eine expansivere als eine zu wenig expansive Ausrichtung, um nicht nur für Vollbeschäftigung und angemessene Inflation zu sorgen, sondern auch zur Stabilität an den Finanzmärkten beizutragen. Wenn in diesem Umfeld von einem »Powell-Put« gesprochen wird, ist das nur zu verständlich. In Anbetracht dieses Wandels räumen wir einer Zinserhöhung im 1. Halbjahr nur noch eine Außenseiterchance ein; merklich zu genommen hat gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung im 2. Halbjahr.
In China sorgt derweil wie immer am Jahresanfang das Neujahrsfest für Verzögerungen bei den Konjunkturdaten. Die davon nicht betroffenen Einkaufsmanagerindikatoren stehen deshalb besonders im Fokus. Sie fielen für die Industrie wenig erfreulich aus. So konnte sich der EMI des Statistikamtes nach seinem überraschend starken Rückgang im Dezember nur marginal auf 49,5 Punkte verbessern. Beim Pendant von Markit ging es sogar noch weiter abwärts. Mit 48,3 nach 49,7 Punkten wurden selbst die pessimistischsten Analystenschätzungen deutlich unterschritten. Der Trend der Industrie zeigt damit am aktuellen Rand weiterhin klar nach unten (siehe Grafik).
Der kurzfristige Ausblick für die chinesische Wirtschaft bleibt trübe. Offensichtlich bremsen nach wie vor die Deleveraging-Bemühungen des vergangenen Jahres, die sich unter anderem in einer anhaltenden Verlangsamung beim Wachstum des Kreditbestandes niedergeschlagen haben. Wir halten daher an unserer Prognose fest, dass das BIP-Wachstum im 1. Quartal auf 6,3% nachgeben wird (gegenüber dem Vorjahr, nach +6,4% in Q4/2018). Eine Wiederbelebung als Folge der verschiedenen staatlichen Stützungsmaßnahmen dürfte erst ab dem 2. Quartal sichtbar werden.
In der Eurozone blieb das schlimmste Szenario einer Rezession aus. Aber die geringfügige Steigerung des BIP im 4. Quartal um 0,2% gegenüber dem Vorquartal minderte die Enttäuschung über das 2. Halbjahr 2018 kaum. Eine positive Überraschung lieferte Frankreich. Hier hielt sich trotz der Gelbwesten- Proteste das Wachstum bei 0,3%. Grund war ein kräftiger Sonderimpuls aus dem Export (+2,4%). In Italien dagegen fiel der Rückgang im BIP mit -0,2% sogar noch größer aus als erwartet. Das Land steckt damit bereits mitten in einer Rezession. Neben der übergeordneten konjunkturellen Abkühlung hat dazu der von der neuen italienischen Regierung vom Zaun gebrochene Budgetstreit beigetragen. Deutschland dagegen dürfte im 2. Halbjahr 2018 knapp an einer Rezession vorbeigeschrammt sein.
Nach dem enttäuschenden 2. Halbjahr 2018 ist der Ausblick für die Eurozone diffus. Nachholeffekte in der Industrie und beim Konsum dürften das BIP-Wachstum zwar stützen, so zeigen sich erste positive Anzeichen beim Verbrauchervertrauen. Zudem befindet sich das Lohnwachstum in der gesamten Währungsunion im Aufwind, gleichzeitig verteilt der Staat in kleinen Dosen Wohltaten (in Frankreich wird der Mindestlohn erhöht, in Italien das Renteneintrittsalter gesenkt, in Deutschland die Mütterrente ausgeweitet etc.). Gleichzeitig ist aber der eigentliche Konjunkturtrend immer noch nach unten gerichtet. Per saldo rechnen wir daher nur mit einer ganz leichten Zunahme des Expansionstempos auf 0,3%.
Die Finanzmärkte reagierten auf die unerwartet moderaten Töne der Fed positiv. Die US-Börsen legten zu und die Emerging Markets profitierten von der Aussicht auf einen schwächeren Dollar. Von den politischen »Baustellen« (Brexit, Handelsstreit etc.) erhielten die Märkte wenig Impulse. Das dürfte sich in den kommenden Wochen ändern. Schließlich müssen sich China und die USA bald einigen, wollen sie die bis Anfang März ausgesetzten Strafzölle nicht umsetzen. Ähnlich sieht es beim Streit der Briten mit der EU aus – auch hier läuft die Zeit davon. Wir sehen gute Chancen, dass in beiden Fällen eine gütliche Einigung bzw. Zwischenlösung erzielt wird. Das dürfte die Risikobereitschaft an den Finanzmärkten stärken. Bremsend wirken aber anhaltend enttäuschende Konjunkturdaten. Risikoassets sollten sich daher in den kommenden Wochen in einem Spannungsfeld gegenläufiger Kräfte bewegen, weswegen übergeordnet eine defensive Ausrichtung angesagt bleibt.