Wie erwartet hat die Fed gestern die Leitzinsen unverändert belassen, aber gleichzeitig den Weg für eine baldige Senkung der Fed-Funds-Rate bereitet. Auf der einen Seite betonte Notenbankpräsident Jerome Powell, dass der Ausblick für die US-Wirtschaft grundsätzlich positiv sei. Vor allem der robuste private Konsum stelle eine wichtige Stütze dar.
Auf der anderen Seite haben aber die Unsicherheiten zugenommen. So ist eine Lösung des Handelskonflikts erneut in weite Ferne gerückt. Zudem schwächt sich die Investitionsnachfrage ab und das Unternehmensvertrauen lässt nach. Außerdem dauert es offensichtlich länger, bis sich die Kerninflationsrate wieder dem 2%-Ziel annähert. Die FOMC-Mitglieder korrigierten entsprechend ihre Inflationsprognosen zum Ende des laufenden und kommenden Jahres nach unten (siehe Tabelle).
In diesem Spannungsfeld, zwischen einer aktuell nach wie vor robusten Konjunkturdynamik und gleichzeitig gestiegenen Risiken, wollen die Währungshüter zunächst abwarten, ob die Unsicherheiten andauern oder künftig wieder abnehmen. Die Augen sind hier wohl auch auf die Handelsgespräche anlässlich des G20-Treffens in gut einer Woche in Japan gerichtet.
Ungeachtet dieser abwartenden Haltung sieht schon jetzt fast die Hälfte der Notenbanker Zinssenkungen im laufenden Jahr für wahrscheinlich an. Das zeigen die neusten »Dots«. Die Punktprognosen der FOMC-Mitglieder zum Niveau der Fed-Funds-Rate am Ende dieses und der kommenden Jahre sind nämlich unerwartet deutlich nach unten gewandert. Während im März kein einziger der Währungshüter eine Zinssenkung erwartet hatte, rechnen inzwischen schon acht der 17 FOMC-Mitglieder im laufenden Jahr damit. Von diesen wiederum gehen sieben sogar von Zinssenkungen um 50 Bp aus. Darüber hinaus erkennen laut den Ausführungen Powells selbst einige der Offenmarktausschussmitglieder, die mit unveränderten Leitzinsen rechnen, die wachsende Notwendigkeit für eine Lockerung an.
Mit Blick voraus gehen wir davon aus, dass sich als Folge des ausklingenden Fiskalimpulses und der verzögerten Bremswirkungen der gestiegenen Zinsen der enttäuschende konjunkturelle Datenstrom zunächst fortsetzen wird (vgl. Abbildung oben). Gleichzeitig dürfte selbst bei Entspannungssignalen auf dem G20-Treffen die vom Handelskonflikt ausstrahlende Unsicherheit nicht schlagartig abklingen. In diesem Umfeld sehen wir es als wahrscheinlich an, dass die Fed im Rahmen des kommenden FOMC-Treffens Ende Juli zur Tat schreitet und die Leitzinsen um 25 Bp senkt.
Die deutliche Verschiebung der »Dots« spricht des Weiteren dafür, dass es die Währungshüter nicht bei einem 25-Bp-Schritt belassen. Wir rechnen daher in unserem Basisszenario mit einer zweiten Zinssenkung im Herbst und wollen eine dritte Lockerung bis zum Jahresende – wie derzeit an den Geldterminmärkten eskomptiert – nicht ausschließen.
Zwangsläufig muss auch die Gefahr im Auge behalten werden, dass sich der Abschwung zu einer Rezession auswächst. Das ist in unseren Augen aber lediglich ein Risikoszenario, nicht zuletzt weil wir gute Chancen für eine Annäherung im Handelsstreit sehen. Die Akteure sind sich der Gefahren einer Eskalation des Konflikts sehr wohl bewusst und dürften sich daher früher oder später kompromissbereit zeigen. Das schnelle Einlenken Trumps nach der Androhung neuer Strafzölle gegenüber Mexiko werten wir als Bestätigung dieser Sicht. Damit würde die Basis für eine wirtschaftliche Stabilisierung zum Jahreswechsel 2019/2020 gelegt. Dann dürfte nämlich der nachlassende Fiskalimpuls zu einem großen Teil verdaut sein und die seit Ende 2018 spürbar gesunkenen Zinsen sollten die Konjunktur wieder anschieben.
Unsere Frühindikatoren spiegeln diesen freundlichen Ausblick mit einer deutlichen Aufwärtsbewegung ab Anfang 2020 wider (vgl. Abbildung oben). Wenn die Wachstumsdynamik im kommenden Jahr erneut anzieht, erübrigen sich für die Notenbank allerdings weitere Lockerungsmaßnahmen. Mithin ist es in unseren Augen trotz Rezessionsrisiko das wahrscheinlichste Szenario, dass die Leitzinsen nur maximal drei Mal gesenkt werden und zwar im 2. Halbjahr 2019.
Dr. Andreas A. Busch, Senior Analyst Economic Research, Bantleon