BANTLEON Analyse: Christine Lagarde lässt es ruhig angehen

Die EZB hat heute unter erstmaliger Leitung der neuen Präsidentin Christine Lagarde erwartungsgemäss keine neuen geldpolitischen Massnahmen auf den Weg gebracht. Gemäss den neuen Projektionen gehen die Währungshüter nur von einer schleppenden konjunkturellen Entwicklung sowie einer äusserst langsamen Annäherung der Inflation an das Notenbankziel aus. Unserer Auffassung nach wird die EZB im nächsten Jahr sowohl von den Konjunktur- als auch den Inflationsdaten positiv überrascht werden. Wir rechnen daher mit einer Einstellung des Anleihenkaufprogramms im Herbst 2020. Die geplante Überarbeitung der geldpolitischen Strategie soll vor dem Ende des nächsten Jahres abgeschlossen sein und wird sich primär mit der Frage einer möglichen Anpassung der derzeitigen Definition von Preisstabilität befassen. BANTLEON | 13.12.2019 14:04 Uhr
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Eine Analyse von Jörg Angelé, Senior Analyst Economic Research bei Bantleon:

Geldpolitische Kontinuität statt Aktionismus

Wie im Vorfeld erwartet, fiel die erste EZB-Sitzung unter Leitung der neuen Präsidentin Christine Lagarde unspektakulär aus. Die Stellungnahme zur Zinsentscheidung lautete quasi wortgleich zu der von Ende Oktober. In Sachen Geldpolitik setzt die Französin somit auf Kontinuität statt auf Aktionismus.

Die neuen Projektionen des EZB-Stabes wiesen ebenfalls nur marginale Änderungen gegenüber denjenigen vom September auf (vgl. Tabelle). So wird für das BIP im nächsten Jahr nun ein Zuwachs von 1,1% erwartet (zuvor: 1,2%), für die Inflationsrate wird von 1,1% ausgegangen (zuvor: 1,0%). In den Jahren 2021 und 2022 soll sich der Zuwachs der Wirtschaftsleitung etwas beleben, aber nicht über 1,4% hinausgehen. Bei der Inflationsrate wird bis 2022 mit einer langsamen Annäherung an das Inflationsziel gerechnet, erreicht wäre es indes noch immer nicht.

Konjunktur- und Inflationsausblick zwischen den Zeilen aufgehellt

Auf der Pressekonferenz wiederholte EZB-Präsidentin Lagarde die Einschätzung, dass sich die Konjunktur in der Eurozone weiter in schwerem Fahrwasser befinde und damit einer rascheren Rückkehr der Inflation zum Notenbankziel im Wege stehe.

Neu war jedoch die Betonung, dass es zuletzt erste Anzeichen für eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung gegeben hat sowie eine leichte Zunahme der Inflationsdynamik. Die Risiken für die konjunkturelle Entwicklung seien aber weiter abwärtsgerichtet, wenngleich etwas weniger ausgeprägt als noch vor einigen Monaten.

Inflationsziel wird überarbeitet

Einen grossen Teil der Pressekonferenz nahmen die Ausführungen Christine Lagardes zur beabsichtigten Überarbeitung der geldpolitischen Strategie ein. Diese soll im Januar des nächsten Jahres beginnen und vor Ende 2020 abgeschlossen sein. Es sollen alle Aspekte der Geldpolitik durchleuchtet werden, Dreh- und Angelpunkt wird aber die Definition des mittelfristigen Ziels für die Preisstabilität sein, das derzeit mit einer Inflationsrate von unter, aber nahe 2% definiert ist.

EZB-Projektionen für 2020 zu vorsichtig

Wir halten die neue BIP- und Inflationsprognose für das Jahr 2020 für zu vorsichtig. Die Inflationsrate wird das laufende Jahr wahrscheinlich bei 1,3% oder 1,4% beenden. Gegeben unserer Prognose einer weiter anziehenden Kerninflationsrate, die im November bei 1,3% lag, sowie der Annahme stabiler Energiepreise, dürfte die Inflationsrate im Schnitt des nächsten Jahres 0,3%- bis 0,4%-Punkte höher liegen als von den Währungshütern unterstellt.

Belebt sich die Konjunktur in der Eurozone wie von uns erwartet in den nächsten Monaten, ist auch die Annahme eines BIP-Zuwachses um 1,1% zu konservativ.

Wir gehen somit davon aus, dass die EZB im nächsten Jahr von einem stärkeren Anstieg der Inflation als jetzt projiziert überrascht wird und sich die Konjunktur besser entwickeln wird als derzeit von den Währungshütern erwartet. Eine nochmalige Leitzinssenkung ist damit unserer Meinung nach vom Tisch. Die sich zuletzt auch innerhalb des EZB-Rates intensivierende Diskussion über die unerwünschten Neben­wirkungen dauerhaft negativer (Leit)Zinsen sollte aber weitergehen. Unserer Einschätzung nach wird im Verlauf des Jahres 2020 zunächst der noch immer vorhandene Easing Bias (»Zinsen noch längere Zeit auf dem aktuellen Niveau oder darunter«) aufge­hoben werden, bevor man sich im Herbst zu einer Beendigung des Anleihenkaufprogramms entschliessen dürfte. Damit wäre dann auch der Weg für höhere Leitzinsen im Jahr 2021 frei.

 Jörg Angelé, Senior Analyst Economic Research bei Bantleon

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