Das war ein starker Auftakt: Aktien europäischer Energieversorger haben vom Jahresanfang bis zur Marktkorrektur am 20. Februar 2020 einen Kursgewinn von 17,9% erzielt – 14,4%-Punkte mehr als der Eurostoxx50. Getrieben wurde diese positive Entwicklung in erster Linie von Produzenten erneuerbarer Energien. Die Umschichtung der Anleger in defensive Aktienmarktsegmente war nur ein kleiner Grund dafür. Vor allem reagierten die Aktienkurse der Energieversorger auf eine deutliche Verbesserung der Fundamentaldaten und der regulatorischen Rahmenbedingungen. Gerade aufgrund der jüngsten Einbrüche am Aktienmarkt lohnt es sich, weiterhin einen Blick auf Infrastruktur-Aktien zu werfen, vor allem auf Energieversorger. Diese Unternehmen haben langfristige, strukturelle Wachstumstreiber, defensive Geschäftsmodelle und schütten oft konstant hohe Dividenden aus. Damit sind sie eine attraktive Beimischung in einem Aktienportfolio.
Hinter der positiven Veränderung der Rahmenbedingungen für das Segment erneuerbare Energien steht eine Reihe von Aktionsplänen. Dazu gehört auch der europäische Green Deal, der das Ziel hat, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, die Tier- und Pflanzenwelt zu schützen sowie Unternehmen mit Fokus auf erneuerbare Energien und saubere Technologien zu unterstützen. Hinzu kommen Verordnungen auf EU- und Länderebene, um nachhaltige Investitionen und Finanzierungen voranzutreiben. In Europa steht dabei das EU-Projekt »Nachhaltige Finanzierung« im Mittelpunkt. Das Kernstück des Projektes, die EU-Taxonomie, definiert, welche Unternehmensaktivitäten als nachhaltig gesehen werden, konzentriert sich aktuell aber nur auf Umweltziele – die von Klimaschutz über die Vermeidung von Umweltverschmutzung hin zum Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft reichen. Die offensichtlichsten Profiteure am Aktienmarkt bleiben damit erst einmal nachhaltige Versorger und Umweltdienstleister.
Inwieweit die Absicht einer klimaneutralen Politik sich tatsächlich in erhöhtem Wirtschafts- und Gewinnwachstum spiegeln kann, haben in den vergangenen Monaten die Aktien von Produzenten erneuerbarer Energien gezeigt. So haben geplante und bereits getätigte Investitionen in Infrastruktur und neue Technologien, ermöglicht durch wettbewerbsfähige Energiepreise dieses Segmentes, die Geschäftsmodelle von Energieversorgern verändert. Ihr Risikoprofil ist defensiver geworden und ihr Umsatz- sowie ihr Gewinnwachstum haben zugenommen.
Um in Aktien nachhaltiger Energieversorger zu investieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Die geringsten Chancen auf überdurchschnittliche Erträge haben Anleger, wenn sie in einen breiten Aktienindex wie den Stoxx Europe 600 investieren, der die nach Marktkapitalisierung 600 größten europäischen Unternehmen umfasst. Energieversorger haben dort nur einen Anteil von 5%. Zudem investieren Anleger beim Stoxx Europe 600 sowohl in nachhaltige als auch in traditionell wirtschaftende Versorger. Dadurch kann die positive Wertentwicklung der nachhaltigen Energieversorger verwässert werden. Besser geeignet sind Infrastruktur-Indizes wie der MSCI Europe Infrastructure Index, der Versorger mit einem Anteil von etwa 45% deutlich höher gewichtet als der breite europäische Aktienmarkt. Am besten geeignet sind jedoch aktive Investmentfonds für Infrastruktur-Aktien, weil sie beispielsweise im aktuellen Marktumfeld ein Übergewicht in Energieversorgern eingehen und zusätzlich bei der Einzeltitelauswahl einen Fokus auf Nachhaltigkeit legen können. Das maximiert die Renditechancen. Ein aktuelles Beispiel der Vorteile einer nachhaltigen Unternehmensauswahl ist der starke Absturz des Ölpreises, der sich deutlich negativ auf jene Versorger aus dem Bereich Stromerzeugung auswirken wird, die einen hohen Anteil fossiler Brennstoffe im Energiemix haben.
Ein solches Portfolio kann nicht nur von der klimaneutralen Politik der EU und einzelner Staaten profitieren, sondern hat auch den Vorteil, dass es in der Regel weniger stark an den Aktienmarkteinbrüchen partizipiert und sich danach auch wieder schneller erholen kann. Dies hängt damit zusammen, dass die Anleger bei Sell-offs nicht differenzieren, anschließend jedoch sich wieder die Fundamentaldaten der Aktien ansehen. Und dann zählen wieder die langfristigen, strukturellen Wachstumstreiber, die defensiven Geschäftsmodelle und die konstant hohen Dividenden.
Susanne Reisch, Senior Portfolio Manager Infrastruktur-Aktien bei Bantleon