"In den vergangenen Jahren war die Entwicklung des US-Dollars in erster Linie durch Investoren getrieben, die Kredite in tiefverzinslichen Währungen aufnahmen, um das Geld in der wichtigsten Weltreservewährung anzulegen, die lange Zeit ein attraktives Zinsniveau bot. Mit diesen Carry Trades ließ sich leicht Geld verdienen. Inzwischen wird der US-Dollar von der massiven Unsicherheit durch die Coronavirus-Krise gestützt. Weder die Zinssenkungen der US-Notenbank Fed, welche den Leitzins innerhalb kürzester Zeit faktisch auf null senkte, noch die massive Ausweitung der Anleihenkäufe, die mittlerweile fast das gesamte Spektrum des Kreditmarktes umfassen, konnten den US-Dollar nachhaltig schwächen. Dennoch ist seine Entwicklung im Vergleich zu früheren Krisen eher enttäuschend. Auch hierfür ist die Fed verantwortlich. Sie hat mit vielen Zentralbanken, unterer anderem der EZB, Swap-Linien abgeschlossen. Die Notenbanken reichen die US-Dollar-Liquidität wiederum an ihre Geschäftsbanken weiter, sodass ausreichend Liquidität zur Verfügung steht und die US-Dollar-Nachfrage am Devisenmarkt gedämpft wird.
Allerdings muss trotz dieser Maßnahmen zumindest kurzfristig mit einem weiterhin starken US-Dollar gerechnet werden. Der Gleichlauf eines breiten Währungskorbs mit dem ISM-Einkaufsmanagerindex der Industrie ist hoch und im laufenden Monat ist von einem Einbruch des ISM auszugehen. Dies erhöht das Risiko für die Weltwirtschaft und stärkt somit den US-Dollar. Für das Verhältnis EUR/USD bedeutet dies, dass in den nächsten Wochen die Unterstützungszone im Bereich von 1,0350 bis 1,0550 nochmals getestet werden könnte. Hierfür spricht zusätzlich das idiosynkratische Risiko des Euros. Die südlichen Mitgliedsstaaten, allen voran Italien, erhoffen sich mehr Solidarität in der Krise und fordern eine Vergemeinschaftung der Schulden mittels Corona-Bonds. Während sich die Mehrzahl der Italiener bisher deutlich zugunsten des Euros geäußert hatte, ist die Stimmung aufgrund der Krise mittlerweile geteilt. Noch lehnen die Niederlande, Finnland, Österreich und Deutschland das Vorhaben strikt ab. Allerdings lehrt die Geschichte, dass sich die Währungsunion am Ende zusammenraufen dürfte. Bis jedoch eine einvernehmliche Lösung gefunden ist, wird die Volatilität des Währungspaars EUR/USD hoch bleiben. Mit Blick voraus würde eine Lösung des Konflikts dem Euro deutliches Aufwärtspotenzial gegenüber dem US-Dollar verleihen, zumal die Gemeinschaftswährung weiterhin fundamental unterbewertet ist."
Tobias Frei, Senior Portfolio Manager, BANTLEON