Die wichtigsten Ergebnisse der heutigen Sitzung:
- Die EZB hat im Rahmen der heutigen Notenbanksitzung erwartungsgemäss keinerlei Anpassungen an ihren geldpolitischen Instrumenten (Leitzinsen, Wertpapierkäufe, TLTROs etc.) vorgenommen.
- Die überarbeiteten EZB-Projektionen für BIP und Inflation zeigen eine leichte Aufhellung der Konjunkturperspektiven. Gemäss den Projektionen wird die Wirtschaftsleistung der Eurozone in diesem Jahr um 8,0% schrumpfen (Juni: 8,7%), bevor sie 2021 und 2022 um 5,0% bzw. 3,2% wächst (Juni: 5,2% bzw. 3,3%). Trotz der leichten Aufwärtsrevision der BIP-Prognose bewertet die EZB das wirtschaftliche Umfeld unverändert kritisch und sieht ein klares Übergewicht der Abwärtsrisiken.
- Die Inflationsrate wird im Durchschnitt des laufenden Jahres unverändert bei 0,3% gesehen, bevor 2021 ein Anstieg auf 1,0% (Juni: 0,8%) und 2022 auf 1,3% (Juni: 1,3%) erwartet wird. Mit Blick auf das Jahr 2022 betonte Notenbankpräsidentin Lagarde, dass sich hinter der unveränderten Inflationsprognose eine Aufwärtsrevision der Kerninflationsrate – ohne Energie, Nahrungs- und Genussmittel – sowie die Erwartung eines weniger starken Anstiegs der Energiepreise verbirgt. Zudem hob Lagarde hervor, dass die deflationären Risiken gegenwärtig gering seien und in den letzten Monaten sogar abgenommen hätten.
- Der Euro-Wechselkurs wurde von Christine Lagarde mehrfach prominent erwähnt. Man habe die jüngste Aufwertung der Gemeinschaftswährung und deren möglichen Einfluss auf die Inflationsrate intensiv diskutiert und werde die weitere Entwicklung genau beobachten.
- Hinweise auf mögliche zusätzliche expansive Massnahmen blieb Lagarde schuldig, was von den Märkten sicherlich als Enttäuschung angesehen wird. Die EZB-Präsidentin wiederholte lediglich, dass die Währungshüter sehr zufrieden mit der bisherigen Wirkung aller eingesetzten Instrumente sind und das PEPP-Volumen wahrscheinlich voll ausgeschöpft wird. Über eine Aufstockung wurde beim heutigen Treffen dagegen nicht einmal diskutiert.
Unsere Einschätzung:
Wir sind in Bezug auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung weniger skeptisch als die EZB. Die jüngsten Daten haben bestätigt, dass sich die Konjunktur der Eurozone spürbar belebt. Selbst wenn sich der Aufwärtstrend im Herbst abflacht, wäre der grösste Teil des Einbruchs aus dem 1. Halbjahr bis zum Jahresende aufgeholt. Wir rechnen daher mit einem BIP-Rückgang um »lediglich« rund 7% im laufenden Jahr. 2021 dürfte sich die positive Entwicklung nicht zuletzt wegen der geplanten massiven fiskalischen Stimuli fortsetzen (Wiederaufbaufonds der EU). Wir gehen vor diesem Hintergrund von einem BIP-Zuwachs um rund 6% aus. Vor allem erwarten wir aber ab 2021 einen steileren Aufwärtstrend bei der Inflation. Die Notenbank geht für 2021 lediglich von einer durchschnittlichen Teuerungsrate von 1,0% aus. Wir prognostizieren hingegen rund 2,0%. Es sollte daher tatsächlich zu »positiven Überraschungen« im nächsten Jahr kommen.
Entsprechend halten wir es für wahrscheinlich, dass die Nettowertpapierkäufe im Rahmen des PEPP 2021 erkennbar gedrosselt und bis Ende des nächsten Jahres eingestellt werden. Eine nochmalige Aufstockung sehen wir somit als wenig wahrscheinlich an, zumal das aktuelle Volumen ausreichen würde, bis Mitte des nächsten Jahres monatlich Anleihen im Umfang von 90 Mrd. EUR zu kaufen. Im Rahmen des APP dürften dagegen über das gesamte nächste Jahr monatlich Anleihen im Volumen von netto 20 Mrd. EUR gekauft werden, sodass die Bilanzsumme der Notenbank weiter wüchse. Im Hinblick auf den Euro wird die EZB in den nächsten Wochen weiterhin einen »taubenhaften« Ton anschlagen, um die Aufwertung in Grenzen zu halten. Allerdings bleibt die verbale Intervention ein eher stumpfes Schwert, solange die EZB nicht erklärt, was sie konkret gegen eine mögliche kräftige Aufwertung unternehmen würde.
Jörg Angelé, Senior Economist der BANTLEON BANK AG