Die wichtigsten Ergebnisse der heutigen Sitzung:
- Die EZB hat im Rahmen der heutigen Notenbanksitzung keine Anpassungen an ihren geldpolitischen Instrumenten (Leitzinsen, Wertpapierkäufe, TLTROs etc.) vorgenommen.
- Die Stellungnahme zur Zinsentscheidung enthält aber klare Hinweise darauf, dass im Dezember zusätzliche Massnahmen angekündigt werden. So seien die Risiken für Konjunktur und Inflation derzeit klar abwärts gerichtet.
- Der EZB-Rat werde im Dezember alle bis dahin vorliegenden Informationen neu bewerten. Hierzu zählen insbesondere der Verlauf der Pandemie, die Aussichten auf einen Impfstoff sowie der Wechselkurs.
- Auf Basis der Dezember-Projektionen werde man dann die gegenwärtig eingesetzten Instrumente so anpassen, dass sie im Ergebnis zu möglichst günstigen Finanzierungsbedingungen führen und dem negativen Einfluss der Pandemie auf den erwarteten Inflationspfad entgegenwirken.
- EZB-Präsidentin Christine Lagarde bestätigte, dass im EZB-Rat bereits Einigkeit darüber bestehe, im Dezember neue Massnahmen zu beschliessen. Verschiedene Abteilungen innerhalb der EZB arbeiten demnach bereits an verschiedenen Vorschlägen, die alle eingesetzten geldpolitischen Instrumente einschliessen.
- Unsere Einschätzung:
Angesichts der massiven Ausbreitung des Virus in den vergangenen Wochen und den immer restriktiveren Massnahmen zu dessen Eindämmung ist inzwischen klar, dass sich die Konjunkturerholung im Herbst abschwächt. Da inzwischen fast alle Euroländer eine Art zweiten Lockdown verhängt haben, dürfte das BIP der Eurozone im 4. Quartal schrumpfen. Ein solches Szenario hatte auch die EZB im September nicht unterstellt. In der Folge wird die Prognose für den Zuwachs der Wirtschaftsleistung im nächsten Jahr mit den Dezember-Projektionen aller Voraussicht nach erkennbar nach unten revidiert. Dies wirkt sich negativ auf den von der EZB erwarteten Inflationspfad aus. Es ist damit nur folgerichtig, dass die Notenbank zusätzliche geldpolitische Massnahmen in Aussicht stellt.
Wir rechnen unter anderem damit, dass das Ende dieses Jahres auslaufende Sondervolumen von 120 Mrd. EUR, mit dem im Rahmen des Asset Purchase Programme (APP) seit April Anleihen für durchschnittlich 13,5 Mrd. EUR pro Monat gekauft werden, erneuert wird. Die Käufe dürften sich auf das gesamte Jahr 2021 erstrecken, sodass wir ein Volumen von 160 Mrd. EUR als wahrscheinlich ansehen. Damit wird eine plötzliche Verringerung der Anleihenkäufe ab Januar 2021 verhindert. Darüber hinaus dürfte das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) bis Ende 2022 ausgedehnt und nochmals aufgestockt werden. Uns erscheint dabei ein Volumen von etwa 500 Mrd. EUR realistisch. Dies gibt der EZB die Möglichkeit, schnell und flexibel auf etwaige Verspannungen an den Anleihenmärkten bzw. auf sich eintrübende Finanzierungsbedingungen in einzelnen Euroländern zu reagieren. Die Aufstockung der Anleihenkaufprogramme dürfte von weiteren 3-jährigen Refinanzierungsgeschäften (TLTRO) zu äusserst günstigen Konditionen begleitet werden. In diesem Zusammenhang erwarten wir auch eine Anhebung des Freibetrags, für den Banken für ihre Einlagen bei der EZB keine Strafzinsen bezahlen müssen. Dieser Freibetrag liegt derzeit beim Sechsfachen der zu haltenden Mindestreserve. Eine Absenkung des Einlagensatzes halten wir dagegen weiterhin für wenig wahrscheinlich, da dem möglichen Nutzen immer höhere Kosten in Form unerwünschter Nebenwirkungen gegenüberstehen.
Unserer Meinung nach bestünde für die Geldpolitik im Grund kein Handlungsbedarf: Die Renditen in der Eurozone sind bereits äusserst niedrig (10-jährige Bundesanleihen unter -0,60%), die Risikoaufschläge sind gering und die Banken umfassend mit Liquidität versorgt. Seit Juli hat überdies der (handelsgewichtete) Euro nicht weiter aufgewertet. Zudem liegt die Hauptlast der Eindämmung der negativen Auswirkungen der Pandemie auch nach Meinung der EZB bei der Fiskalpolitik. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Wiederaufbaufonds der EU zu, der jedoch erst im Lauf des nächsten Jahres an den Start gehen und positive Impulse liefern wird. Es geht bei den neuen monetären Impulsen daher vor allem um ein positives psychologisches Signal.
Wie die EZB gehen auch wir davon aus, dass die Konjunktur in den nächsten Wochen nochmals in schwieriges Fahrwasser gerät. Nach dieser Delle wird die Wirtschaftsaktivität im nächsten Jahr aber spürbar an Fahrt aufnehmen, sodass die Wertpapierkäufe im 2. Halbjahr 2021 zurückgefahren werden können. Wir halten es daher für fraglich, ob das aktuelle PEPP-Volumen in Höhe von 1.350 Mrd. EUR ausgeschöpft wird, geschweige denn ein nochmals aufgestocktes Volumen. Behielte die EZB ihr durchschnittliches PEPP-Kaufvolumen der vergangenen drei Monate bei, könnte sie die Käufe auch ohne eine Aufstockung bis Oktober 2021 fortsetzen.
Jörg Angelé, Senior Economist der BANTLEON BANK AG