Mit den positiven Nachrichten zu Impfstoffen gegen das Coronavirus und Joe Bidens Wahlsieg in den USA sind auch die Inflationserwartungen in der Eurozone Ende 2020 wieder deutlich gestiegen. Das führte zu deutlichen Mehrerträgen inflationsindexierter Staatsanleihen gegenüber ihren nominalen Pendants. Die aktuellen restriktiven Maßnahmen gegen die Pandemie dürften die Inflationserwartungen zwar vorübergehend dämpfen, aber bereits im 2. Quartal 2021 ist mit einem erneuten markanten Anstieg der Inflation zu rechnen. Dann ist ein Mehrertrag von 1,5%- bis 2%-Punkten gegenüber nominalen Staatsanleihen durchaus realistisch.
Die Nachricht über die anstehenden Zulassungen für Impfstoffe der Pharmakonzerne Pfizer und Biontech sowie der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl haben bei Risikoassets im 4. Quartal 2020 zu Kursfeuerwerken geführt. Damit sind auch die Inflationserwartungen in der Eurozone wieder deutlich gestiegen. In der Folge erzielten deutsche inflationsindexierte Staatsanleihen (Linker) einen Mehrertrag von knapp 1,9%-Punkten gegenüber ihren nominalen Pendants. Italienische Linker profitierten zudem von anhaltend schrumpfenden Risikoprämien gegenüber deutschen Bundesanleihen und erreichten im selben Zeitraum sogar eine Outperformance von etwa 2,3%-Punkten. In Frankreich, dem zweitgrößten Linker-Emittenten der Eurozone hinter Italien, erzielten inflationsindexierte Staatsanleihen einen Mehrertrag von immerhin 1,7%-Punkten.
Nach Durchschnaufer im 1. Quartal zieht die Inflation im 2. Quartal wieder an
Aufgrund der jüngst beschlossenen restriktiven Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie dürfte die Wirtschaft in den meisten Ländern der Eurozone im 1. Quartal 2021 an Schwung verlieren. Die Inflationserwartungen der kommenden zehn Jahre in der Eurozone, gemessen an der Breakeven-Inflationsrate, könnten dadurch schon bald ihren kräftigen Aufwärtstrend beenden und in eine volatile Seitwärtsphase übergehen. Die könnte je nach Entwicklung der Pandemie bis in das 2. Quartal andauern.
Unterstützt wird die vorrübergehende Eintrübung durch eine mögliche drastische Veränderung der Gewichte einzelner Komponenten des Verbraucherpreisindex in diesem Jahr. Demnach würde den Sektoren mit dem stärksten Nachfrageeinbruch in diesem Jahr, wie zum Beispiel Flugverkehr, Pauschalreisen, Hotels und Gastronomie, künftig ein deutlich niedrigeres Gewicht im Index zustehen. Das große Aufholpotenzial der genannten Bereiche würde sich aufgrund der tieferen Gewichte deutlich schwächer auf der Gesamtindexebene spiegeln und damit zu einer niedrigen Inflationsrate führen. Bis Eurostat im Februar die neue Zusammensetzung des harmonisierten Verbraucherpreisindex publiziert, sind keine konkreten Aussagen über die neue Gewichtung einzelner Komponenten und deren Auswirkungen möglich. Stark variierende Meinungen von Marktteilnehmern könnten in den kommenden Wochen zu weiterer Unsicherheit führen.
2%-Inflationsziel der EZB könnte bald erreicht werden
Schauen wir jedoch durch die Störfeuer hindurch, machen die abzusehenden raschen Fortschritte bei den Impfungen und die günstigen Witterungsverhältnisse in der zweiten Jahreshälfte durchaus Hoffnung. Der von uns prognostizierte konjunkturelle Aufschwung sollte bereits im 2. Quartal zu einem Anstieg der Nominalrenditen führen, was unmittelbar einen Anstieg der Inflationserwartungen zur Folge hätte. Darüber hinaus sind Sondereffekte in diesem Jahr, wie die CO2-Bepreisung, steigende Kosten für private Krankenversicherungen, die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer in einzelnen Euroländern sowie der Basispreiseffekt des Rohölpreises, durchaus in der Lage, die durchschnittliche HVPI-Inflationsrate der Eurozone von 0,3% auf 1,5% anzuheben. Damit steht den Inflationserwartungen zum aktuellen Stand ausreichend Zündstoff für eine Annäherung an das mittelfristige Inflationsziel der EZB von 2% ab dem 2. Quartal zur Verfügung.
Innerhalb der Eurozone halten wir italienische Linker gegenüber ihren deutschen Pendants weiterhin für günstig bewertet. Zwar hat sich von Juni bis Dezember 2020 die Differenz der 10-jährigen Breakeven-Inflationsrate von Deutschland und Italien von 12 Basispunkten auf knapp 5 Basispunkte bereits verringert. Dennoch werden die EZB-Kaufprogramme PEPP und PSPP auch in diesem Jahr italienischen Staatsanleihen wichtige Unterstützung verleihen und damit die Chancen auf weiter schrumpfende Risikoprämien erhöhen.
Die Primärmarktaktivitäten am europäischen Linkermarkt werden sich in diesem Jahr gegenüber 2020 kaum verändern. Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien werden zusammengenommen etwa 49 Mrd. Euro durch Aufstockungen und Neuemissionen am Markt platzieren. Dem stehen Fälligkeiten von knapp 39 Mrd. Euro gegenüber, wodurch sich ein Nettoangebot von knapp 10 Mrd. Euro ergibt. Weil die Realzinskurve in Deutschland derzeit nur aus vier inflationsindexierten Staatsanleihen besteht und sich ohne Neuemissionen ab April ein großes Loch im Laufzeitband zwischen 9 und 25 Jahren auftut, plant die Finanzagentur, in diesem Jahr frühzeitig eine 10-jährige inflationsindexierte Anleihe zu emittieren. Sowohl das Brutto- als auch das Nettoangebot sollten bei etwa 8 Mrd. Euro liegen, da keine Fälligkeiten deutscher Linker anstehen. In Frankreich erwarten wir keine nennenswerten Anpassungen der Emissionstätigkeiten. Insgesamt gehen wir davon aus, dass das Nettoangebot von 10 Mrd. Euro am Primärmarkt aufgrund einer hohen Nachfrage nach Inflationsschutz ohne Probleme aufgenommen wird.
Linker mit langen Laufzeiten haben großes Potenzial für einen Mehrertrag
Auch wenn sich unser durchweg positiver Ausblick für inflationsindexierte Anleihen in diesem Jahr aufgrund der jüngsten Neuigkeiten zur Indexgewichtung zwischenzeitlich eingetrübt hat, empfehlen wir dennoch, inflationsindexierte Anleihen über einen aktiven Managementansatz im Portfolio einzusetzen. Zwischenzeitliche Rücksetzer sollten als Kaufgelegenheiten genutzt werden, um sich rechtzeitig für einen deutlichen Anstieg der Inflationserwartungen im 2. Halbjahr zu positionieren. Während wir auf Länderebene weiterhin italienische, deutsche und französische Linker bevorzugen, raten wir außerdem zu Käufen längerer Restlaufzeiten, um sich hier gegen einen Anstieg der Nominalrenditen am längeren Ende der Zinskurve absichern zu können. Steigen die Inflationserwartungen im zweiten Halbjahr wie prognostiziert an, ist ein relativer Mehrertrag gegenüber nominalen Staatsanleihen zwischen 1,5%- und 2%-Punkten durchaus möglich.
Dennis Ehlert, Senior Portfolio Manager bei Bantleon