Die anhaltend tiefen Zinsen zwingen Anleger im Anleihenbereich weiterhin, nach Alternativen zu Staatsanleihen und konventionellen Investment-Grade-Unternehmensanleihen zu suchen. Weist doch selbst der überwiegende Teil konventioneller EUR-Unternehmensanleihen guter Bonität derzeit eine magere Rendite unterhalb von 0,20% auf. Als alternative Anlagemöglichkeit zu den gängigen Investments (Staatsanleihen, Pfandbriefe, erstrangige Unternehmensanleihen) eignen sich insbesondere nachrangige Anleihen von Industrieunternehmen (Corporate Hybrids). Die meisten EUR-Corporate-Hybrids rentieren deutlich oberhalb von 1,50%. Damit ist ihr Performancepotenzial ähnlich hoch wie das von High-Yield-Anleihen – bei deutlich besseren Risikokennzahlen. Im Jahr 2020 überzeugte dieses Anleihensegment trotz der starken Turbulenzen während der ersten Coronavirus-Welle im März mit deutlich geringeren Drawdowns im Vergleich zu High-Yield-Anleihen und hat mit 2,54% eine solide Wertentwicklung erzielt.
Angesichts der anhaltend tiefen Zinsen sehen sich Anleger mit grossen Herausforderungen konfrontiert. Während der negativ rentierende Anteil EUR-denominierter erstrangiger Unternehmensanleihen (Senior-Anleihen) mittlerweile über 35% beträgt, rentieren die meisten Corporate Hybrids zwischen 0,5% und 5,0%. Die meisten Coupons liegen oberhalb von 2,0%. Zudem ist im Universum von Corporate Hybrids kein Titel mit negativer Verzinsung zu finden. Darüber hinaus überzeugen sie auch gegenüber High-Yield-Anleihen und sind im aktuellen Marktumfeld die solidere Alternative. Dies ist darin begründet, dass Corporate Hybrids historisch betrachtet eine ähnliche Performance wie High-Yield-Anleihen erzielen können, mit deutlich stabilerem Verhalten in Stressphasen.
Der Vorteil von Corporate Hybrids ist, dass Investoren bei ihnen deutlich attraktivere Renditen als bei erstrangigen Unternehmensanleihen erhalten, das Bonitätsrisiko aber auf demselben Niveau von entsprechenden konventionellen (erstrangigen) Unternehmensanleihen basiert. Während die Emittenten über ein solides Investment-Grade-Rating verfügen, ist die Bonität der Corporate Hybrids in der Regel zwei Ratingstufen schlechter. Die höhere Rendite von Corporate Hybrids liegt insbesondere darin begründet, dass sie sich in der Kapitalstruktur des Emittenten zwischen dem Fremd- und Eigenkapital befinden. Zudem haben Corporate Hybrids sich insbesondere in Krisenzeiten bewährt und überzeugen gegenüber High-Yield-Anleihen mit deutlich geringeren Drawdowns sowie signifikant kürzeren Erholungsphasen.
Wegen ihrer attraktiven Eigenschaften erfreuen Corporate Hybrids sich sowohl bei Emittenten als auch bei Investoren zunehmender Beliebtheit. Die Primärmarktvolumina sind seit 2016 kontinuierlich gestiegen und erreichten im Jahr 2020 mit 54 Mrd. Euro ein Rekordvolumen.
Aus Sicht der Marktteilnehmer hat dieses stetige Wachstum zwei positive Nebeneffekte: Erstens erlaubt es aktiven Investoren, ihre Portfolios aufgrund neuer Schuldner stärker zu diversifizieren und zweitens steigert es die Liquidität des Marktes für Corporate Hybrids. Im Jahr 2020 entfiel bereits etwa die Hälfte der Emissionen auf Erst-Emittenten. Die grössten Volumina wurden von Unternehmen aus den Sektoren Energie und Versorger platziert. Aufgrund der Eigenkapital-Anrechenbarkeit (in der Regel 50%) und des damit verbundenen stabilisierenden Effekts auf Ratingebene werden auch in diesem Jahr mehr Emittenten Corporate Hybrids als Bilanzoptimierungsvehikel in ihren Finanzierungsmix integrieren. Das globale Primärmarktvolumen dürfte 2021 mit ungefähr 58 Mrd. Euro die Rekordmarke aus 2020 um 4 Mrd. Euro übertreffen.
Weiterwachsen wird bei Corporate Hybrids – wie im Markt für erstrangige Unternehmensanleihen – das ausgegebene Volumen von Green Bonds, deren weltweiter Anteil im Primärmarkt im Jahr 2020 ungefähr 7,6% ausmachte. Das Geld aus den grünen Anleihen investieren die Unternehmen in Nachhaltigkeitsprojekte in ihren Branchen. Die allgemein solide Nachfrage in diesem Anleihensegment hat dazu geführt, dass die Renditen der meisten im Jahr 2020 emittierten Corporate Hybrids kurz nach der Platzierung zum Teil stark gesunken sind, was zu deutlichen Kursgewinnen geführt hat. Hinzu kommt, das Corporate Hybrids in stabilen Marktphasen auf ein verstärktes Investoreninteresse stossen, was insbesondere an den starken Überzeichnungsquoten vom durchschnittlich 3,5-fachen des ausgegebenen Volumens aller EUR-Corporate-Hybrid-Neuemissionen im Jahr 2020 zu erkennen ist. Im Fokus der Investoren stehen Corporate Hybrids von Erst-Emittenten mit solidem Geschäftsmodell. So erzielten beispielsweise die Corporate Hybrids von Japan Tobacco, Firmenich (beides Erst-Emittenten) und Repsol sieben Tage nach Platzierung Kursgewinne zwischen 3% und 6%. Dabei kommt es jedoch immer auf die fundamentale Bonitätseinschätzung des jeweiligen Schuldners und die relative Attraktivität der Neuemission gegenüber anderen Emittenten mit ähnlichem Risiko- beziehungsweise Rating-Profil an. Besonders wichtig ist aber die relativ komplexe Ausgestaltung der Strukturmerkmale der Emissionen, die letztendlich die Eigenkapital-Anrechenbarkeit der Corporate Hybrids durch die Ratingagenturen bestimmt.
Ungeachtet der starken Wertentwicklung im vergangenen Jahr haben Corporate Hybrids weiterhin deutliches Performancepotenzial. Insbesondere die höheren Coupons im Vergleich zu erstrangigen Unternehmensanleihen ermöglichten es, in 2020 eine Überschussrendite gegenüber Staatsanleihen zu erwirtschaften. Für Anleger mit höherer Risikoneigung sind Corporate Hybrids im aktuellen positiven Marktumfeld attraktiver als ihre erstrangigen Pendants. Sowohl aus dem Verhältnis der Risikoprämien von Corporate Hybrids und erstrangigen Unternehmensanleihen (Hybrid-Senior Ratio) als auch aus dem absoluten Niveau der Risikoprämien lässt sich eine attraktive Einstiegsmöglichkeit in Corporate Hybrids ableiten. So haben ihre Risikoprämien deutliches Nachholpotenzial nach unten und können sogar einen moderaten Zinsanstieg mühelos absorbieren. In den nächsten Monaten können zwar volumenbedingte technische Korrekturphasen bei Corporate Hybrids vorübergehend zu steigenden Risikoprämien führen. Dennoch bieten diese Phasen aktiven Investoren eine gute Einstiegschance, um in attraktive ausstehende Corporate Hybrids günstig bewerteter Emittenten zu investieren.
Angesichts unseres mittelfristig sehr positiven Konjunkturausblicks erwarten wir, dass in den nächsten Monaten die Risikoprämien von Corporate Hybrids auf das Niveau von vor dem Coronavirus-Schock oder sogar darunter sinken werden. Dafür spricht die Kombination aus attraktiver relativer Bewertung, mittelfristig andauerndem Niedrigzinsumfeld und den positiven Impulsen der Fiskal- und Geldpolitik sowie der damit verbundenen soliden Nachfrage nach höher rentierenden Unternehmensanleihen.
Ercan Demircan, Portfolio Manager und Analyst Unternehmensanleihen, Bantleon