SPACs (Special Purpose Acquisition Vehicles), wie die auf Übernahmen ausgelegten Mantelgesellschaften genannt werden, die vielversprechende Zielunternehmen suchen, sind erst seit ein paar Monaten wieder im deutschsprachigen Raum aktiv. Vorher waren sie nach magerer Performance hierzulande für mehrere Jahre von der Bildfläche verschwunden. Erst der jüngste SPAC-Boom in den USA führte bei uns zu einer Renaissance: Nach dem Lakestar Spac I, dem ersten SPAC dieser Dekade, initiiert von Venture Capitalist Klaus Hommels mit Sitz in Zürich (bekannt für seine Investitionen in Xing, Facebook, Skype, Revolut und Klarna), ist Mitte März auch das viel umjubelte SPAC von Entrepreneur und Investor Christian Angermaier (Frontier Acquisition Corp.) an die Börse gegangen. Da führt die plötzliche Preiskorrektur zu großer Verunsicherung bei vielen Anlegern. Ist der SPAC-Boom etwa schon vorbei, bevor er richtig begonnen hat?
Preisrückgang war eine gesunde Korrektur
»Ruhe bewahren« ist das Beste, was Anleger jetzt tun können. Nach der großen Euphorie im SPAC-Markt folgte Anfang März schlichtweg eine gesunde Korrektur: Der durchschnittliche Aufschlag zum Treuhandvermögen der Pre-Deal SPACs war nämlich zwischenzeitlich auf über 25% gestiegen. Dass 1 Euro Treuhandvermögen langfristig nicht ein Drittel oder Viertel mehr wert sein kann, war abzusehen. Die Darstellung in einigen Medien entspricht jedoch nicht der Realität. SPACs sind keineswegs nur auf (noch) unprofitable Tech-Start-Ups wie QuantumScape (Batterietechnologie) oder Virgin Galactic (Raumfahrttourismus) fokussiert und dies ist auch nicht die einzige Zukunft dieser bei uns relativ neuen Anlageklasse. Das Spektrum reicht vom SPAC des bekannten Value-Investors Bill Ackman (Pershing Square Tontine Holdings) bis hin zum ersten Bergbau-SPAC (African Gold Acquisition Corp.)
Kommt 2022 das Porsche-SPAC?
Carve-Outs, also Ausgliederungen aus Konglomeraten, sind die nächste große Opportunität für SPACs und eine attraktive Alternative zum klassischen Private Equity Buyout oder Sparten-IPO. Die Zahl an Opportunitäten ist dabei riesig, wie ein Blick auf die europäische Unternehmenslandschaft zeigt. Daimler will bekanntlich seine Truck-Sparte abspalten und VW liebäugelt mit einer Teilmonetarisierung von Audi oder Porsche. Auch die Zukunft von Nestlés Beteiligung an L'Oréal ist ungewiss. Ein ähnlicher Multi-Milliardendeal wie zuletzt Lucid Motors wäre auch in der Schweiz und in Deutschland möglich. Ein Porsche-SPAC würde der neuen Assetklasse die Krone aufsetzen, aber selbst, wenn es zunächst nicht dazu kommt, bleibt die Assetklasse der 911er im Rückspiegel für klassische Private-Equity-Fonds.
Amerikaner als Vorbild
Die USA sind hier bereits einen Schritt weiter. Nicht nur Wachstumsunternehmen, sondern auch echte Value-Opportunitäten stehen dort bereits auf dem Einkaufszettel von SPACs: Value-Investing-Legende Joel Greenblatt hat mit Quinzel sein erstes SPAC registriert und auch Tracy Britt, ehemals rechte Hand von Warren Buffett, ist mit einem SPAC unterwegs. Bereits vor fast zehn Jahren hatte Investor Bill Ackman eine SPAC-ähnliche Mantelstruktur genutzt, um Burger King zurück an die Börse zu bringen. Etwas Ähnliches dürfte der notorische Tech-Kritiker mit seinen zwei jetzigen SPACs vorhaben. Der Aktivisten-Platzhirsch Elliott um Paul Singer, zuletzt unter anderem bei Aryzta aktiv und einst an Dufry beteiligt, hat ebenfalls zwei SPACs in petto, die sicher nicht in überbewertete Start-ups investieren werden. Bei weitem nicht jedes SPAC zielt also auf das nächste Helikopter-Taxi-Unternehmen ab, das erst im Jahr 2030 ein positives EBITDA aufweisen dürfte.
Was heißt das für Anleger? Der Markt bietet aktuell ein geradezu paradiesisches Umfeld für Arbitrageure, die risikolos am SPAC-Boom mitverdienen wollen. Unter und zu NAV gekauft, sind die Mantelgesellschaften attraktive Investitionsmöglichkeiten. Zuletzt gab es mehr als 100 SPACs, die zum Discount handelten und damit risikolose Arbitrage ermöglichten. Im schlimmsten Fall droht eine niedrige einstellige Rendite als Entschädigung für die gehaltenen SPAC-Aktien. Kein schlechtes Risiko-Ertrags-Verhältnis. Und wenn es gut läuft, ist eine annualisierte Rendite im zweistelligen Bereich nicht unrealistisch.
Dass Hedgefonds SPACs leerverkaufen, ist quasi ausgeschlossen, weil dies einer Harakiri-Mission gleichkäme und strukturell kaum möglich ist. Stattdessen spekulieren sie auf sinkende Kurse ehemaliger SPACs, also nicht der risikolosen Mantelgesellschaften, sondern derjenigen Unternehmen á la Nikola, die über SPACs als Vehikel zu viel zu hohen Bewertungen an die Börse gekommen sind – oft nicht mit viel mehr als einer guten Vision, aber dafür schon mit Vorschusslorbeeren.
Nicht auf eigene Faust investieren
Wenn Anleger an eine Fortsetzung des SPAC-Booms glauben, sollten sie von Direktinvestments die Finger lassen. Nur Profi-Investoren haben das Know-how für die komplexe rechtliche Analyse dieser Vehikel und die hohen Mindestvolumina, um bereits zum IPO das Wunschvehikel zu zeichnen. Besser beraten sind Anleger mit Event-Driven-Fonds, deren Manager die nötige Erfahrung im komplexen Handel mit den SPAC-Units und -Warrants haben. Passive Lösungen wie ETFs, die einen Mix aus SPACs auf der Suche und ehemaligen SPACs anbieten, sind wegen des fehlenden Sicherheitsnetzes in Form des Treuhandvermögens tückischer und im besten Fall hochriskante Anlagen.
Oliver Scharping, Portfolio Manager bei Bantleon