SPACs: Entmystifizierung eines einzigartigen Anlagesegments

Um SPACs (Special Purpose Acquisition Companies), die sich in den vergangenen Jahren zu einer sehr praktikablen Alternative zu traditionellen Börsengängen (IPOs) entwickelt haben, ranken sich viele Mythen. Dabei lassen sich mit den Mantelgesellschaften, in welche Kapital zur Finanzierung einer Fusion eingezahlt und dann in kurz laufenden US-Staatsanleihen geparkt wird, bis schließlich ein privates Zielunternehmen gefunden ist, sehr attraktive, fast risikolose Arbitrage-Renditen erzielen. BANTLEON | 10.05.2021 10:00 Uhr
Oliver Scharping, Portfolio Manager für alternative Aktienstrategien, Bantleon / © Bantleon
Oliver Scharping, Portfolio Manager für alternative Aktienstrategien, Bantleon / © Bantleon
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Denn richtig angestellt, besteht über Treuhandvermögen und Kapitalrückforderungsrecht eine fixe Absicherung nach unten. Dieser Managementansatz nennt sich SPAC-Arbitrage und wird von institutionellen Investoren bereits verstärkt als Renditebaustein eingesetzt. Privatanleger können über spezialisierte Publikumsfonds von Investments in SPACs profitieren. Um Chancen und Risiken richtig einschätzen zu können, lohnt sich ein Blick auf die gängigen Mythen.

Mythos 1: SPACs als Blase

Oft wird von einer Blase im Zusammenhang mit SPACs gesprochen und jede Blase platzt irgendwann. Tatsächlich war die Geschwindigkeit, in der viele Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds ein eigenes SPAC aufgelegt haben, sehr hoch. Über 500 Vehikel mit fast 200 Milliarden US-Dollar Treuhandvermögen sind inzwischen auf der Suche. Gibt es für so viel Kapital genug Ziele? 

Die Frage ist zwar berechtigt, aber angesichts weltweit rund 4 Billionen US-Dollar an Private Equity und Venture Capital – vieles davon als Dry Powder – relativieren sich die 200 Milliarden US-Dollar. Denn SPACs stehen als Übernahmevehikel in direkter Konkurrenz hierzu, insbesondere da es sich oft um dieselben Initiatoren handelt. Viele bekannte Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds haben heute ein oder mehrere SPACs. Wir gehen davon aus, dass die gut 500 Mantelgesellschaften noch genug Ziele zur Auswahl haben. Allein in den USA wurden im Bereich Venture Capital im vergangenen Jahr trotz der Pandemie Tausende Frühphasen-Deals abgeschlossen, im reiferen Private-Equity-Bereich waren es über 4000 Deals. Und viele SPACs zielen auf dieselben Ziele wie diese Fonds, manche aber – quasi konkurrenzlos – genau auf den Reifegrad zwischen reifem Private Equity und Early-Stage Venture Capital. Zum Vergleich: Alle SPACs zusammen haben gerade einmal doppelt so viel Kapital wie der berühmte Softbank-Vision-Fonds, der in ähnlichen Gewässern fischt. Selbst wenn also das SPAC-Volumen noch weiterwächst, ist es im Vergleich mit den konkurrierenden Anlageklassen nicht blasenartig.

Zudem sind SPACs flexibler und belegen den Sweet Spot, sozusagen die goldene Mitte. Und selbst wenn der Initiator nicht liefert, sind Investments in SPACs über Treuhandvermögen und Vetorecht trotzdem abgesichert. Auch wenn es ab heute keinen einzigen Deal mehr gäbe oder nur noch schlechte Übernahmeziele gefunden werden würden, verlören Arbitrageure mit SPACs keinen Cent. Eine Blase sieht anders aus.

Mythos 2: SPACs sind riskant

Der arme Kleinanleger muss zwangsläufig damit rechnen, mit dieser hochspekulativen Anlageklasse große Verluste zu machen – zumindest ist das derzeit oft zu hören und zu lesen. Diese Aussage stimmt nicht. Tatsächlich haben sich viele Reddit-Spekulanten die Finger verbrannt, weil sie nur in die Warrants – also die Call-Optionen, die institutionelle Investoren beim IPO gratis bekommen – investiert haben. Allerdings dürften diese Anleger weder den Verkaufsprospekt gelesen noch die Struktur der SPACs verstanden und auch nicht die fundamentalen Merkmale des Zielunternehmens untersucht haben. Es ging ihnen wohl nur um das vermeintlich schnelle Geld. Aber diese Art von Anlegern ist zu großen Teilen bereits weitergezogen und überlässt SPACs nun den institutionellen Investoren, für die Kapitalerhalt wichtig ist.

Entsprechend investiert, ist ein SPAC nämlich bis zum Vollzug eines Deals de facto risikolos. Zumindest so risikolos wie kurz laufende US-Staatsanleihen. Wichtig dabei: Nur in dieser ersten Phase bis zum Deal handelt es sich um ein SPAC. Danach ist es ein De-SPAC und damit nichts anderes als eine normale Aktie ohne Sicherheitsnetz. Natürlich gibt es auch bei ehemaligen SPACs Unternehmen, die mit überzogenen Erwartungen an die Börse kommen, natürlich gibt es auch Verlierer – wie das gehypte Wasserstoffunternehmen Nikola, das sich als De-SPAC nicht mehr gut entwickelt hat. Wegen der sehr unterschiedlichen Risikoprofile ist die Unterscheidung der beiden Phasen wichtig, um ein Investment beurteilen zu können. 

Mythos 3: Celebrity-SPACs sind der Anfang vom Ende

Prominenten-SPACs bieten für Marktbeobachter, die bei SPACs eine bald platzende Blase sehen, den perfekten Anhaltspunkt, um den Anfang vom Ende auszurufen. Auch die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC warnte Anfang April Investoren davor, SPACs nur aufgrund einer Beteiligung ihres Lieblingspromis zu erwerben. Dieser Warnung schließen wir uns an, denn nicht jedes SPAC eines bekannten und erfolgreichen Investmentmanagers wird so erfolgreich sein, dass man es mit einem signifikanten Aufschlag kaufen sollte.

Grundsätzlich sollte jedes SPAC für Investoren den gleichen detaillierten Due-Diligence-Prozess durchlaufen. In der Prüfung wird man feststellen, dass die meisten SPACs aus einem Team mit unterschiedlichen und komplementären Fähigkeiten bestehen. Mitunter sitzt im Advisory Board neben dem Fortune-500-CEO auch ein bekannter Sportler. So kommt es auch dazu, dass eine Handvoll Stars aus der Sport- und Unterhaltungsbranche eine solche Rolle ausfüllen und mit SPACs in Verbindung gebracht werden. Dennoch gibt es auch ehemalige Baseball- und Basketballspieler mit langer Erfahrung in einer eigenen Investmentgesellschaft. Zudem kann die Beteiligung eines Sportlers mit hohem Bekanntheitsgrad und breitem Netzwerk für ein SPAC, welches sich beispielsweise auf den Sport- und Unterhaltungsmarkt fokussiert, nützlich sein, um die Equity Story zu vermarkten. Konkurrieren SPACs doch um die attraktivsten privaten Zielunternehmen.

Mythos 4: Handschlag um jeden Preis

Auch der Mythos, dass Sponsoren Deals zu jedem Preis – zum Nachteil der übrigen Investoren – abschließen werden, lässt sich sowohl mit harten als auch weichen Anreizsystemen einordnen. Kritisiert wird, dass die üblichen 20% der Anteile am SPAC (Sponsor Promote), die der Sponsor erhält, unverhältnismäßig sind. Tatsächlich gibt es dafür aber eine entsprechende Gegenleistung: Zum einen bringt der Sponsor das Working Capital (circa 2% bis 4%) in das SPAC ein, um die Gebühren von Banken, Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern zu begleichen sowie die Suche und Prüfung von privaten Unternehmen zu finanzieren. Zum anderen haben Investoren ein Stimmrecht und können somit gegen eine Transaktion stimmen, wenn sie ihnen nicht attraktiv erscheint. In diesem Fall wären sowohl das eingebrachte Working Capital als auch die vermeintlichen 20% der Anteile verloren.

Darüber hinaus gibt es für die Sponsoren Restriktion beim Verkauf ihrer Anteile. Die sogenannte Lock-up-Periode beträgt in der Regel mindestens ein Jahr nach dem Zusammenschluss mit dem Zielunternehmen oder wird durch eine Wertsteigerung von 20% nach einem halben Jahr aufgehoben. Insofern besteht ein starker Anreiz für den Sponsor, nicht nur ein attraktives Unternehmen zu finden, sondern auch einen günstigen Preis dafür zu bezahlen. Die Höhe des Sponsor Promotes ist vergleichbar mit der Incentivierung eines klassischen Venture-Capital oder Private-Equity-Fonds, da bei einem SPAC keine laufende Managementvergütung anfällt und der Investor das Recht hat, sich erst nach Bekanntgabe der Transaktion zu entscheiden, ob er seine Anteile samt Zinsen zurückerhält, am Markt verkauft oder investiert bleibt. Zusammen mit weichen Faktoren wie dem Reputationsrisiko bieten aktuelle SPAC-Strukturen eine Vielzahl schützender Anreizsysteme für die Interessenwahrung der Investoren.

Fazit:

Die beschriebenen Mythen dürften nicht so schnell vom Markt verschwinden. Unabhängig davon sollten SPACs sich weiter als Alternative zum klassischen IPO und zu privaten Finanzierungsrunden etablieren. Dies wird über die nächsten Jahre zu einem konstanten Bedarf an Brückenfinanzierungskapital führen, was Arbitrageuren ermöglicht, hochgradig asymmetrische Risiko-Ertrags-Profile zu verfolgen, im aktuellen Umfeld sogar risikolose Erträge.  

Und die Auswahl an attraktiven SPACs ist groß: Mehr als 200 SPACs handeln derzeit unter NAV, also dem Wert des Treuhandvermögens. Die annualisierte Rendite von 1% bis 2% ist hier das Worst-Case-Szenario, wenn es zu keinem Deal kommt. Wenn es aber wie erwartet doch zu einem aussichtsreichen Deal kommt, kann das Investment extrem attraktiv sein. Das haben die explosiven Kurssprünge von SPACs wie Mudrick Capital Acquisition Corp II (+50%) und Rice Acquisition Corp (+84%) in den vergangenen Wochen gezeigt. Der Renditekorridor für SPAC-Arbitrage liegt damit aktuell bei knapp 2% im schlechtesten Fall und reicht bis weit in den zweistelligen prozentualen Bereich. Nach dem Abklingen der von Kleinanlegern befeuerten Exzesse vom Februar sehen wir nun eine stark anziehende Nachfrage institutioneller Investoren. Der Grund liegt auf der Hand: Für die nächsten ein bis zwei Jahre ist SPAC-Arbitrage eine der attraktivsten Anlagemöglichkeiten – und vielleicht auch länger. Wenn Privatanleger davon profitieren wollen, sollten sie aktiv gemanagte Publikumsfonds als Anlagevehikel wählen. 

SPACs bei Bantleon

Bantleon bewirtschaftet SPACs im Publikumsfonds Bantleon Event Driven Equities, der im Juni 2019 aufgelegt wurde. Der alternative Aktienfonds hat das Ziel einer überdurchschnittlichen, weitestgehend marktunabhängigen Rendite und investiert dazu in verschiedene unternehmensspezifische Event-Kategorien.

Oliver Scharping, Portfolio Manager für alternative Aktienstrategien, Bantleon

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