Das Ziel der Klimaneutralität ist im Mittelpunkt des politischen Diskurses angekommen. Die Folge sind gigantische Fiskalprogramme sowie – in Europa – die Verschärfung des CO2-Zertifikatehandels, mit dem die Verursacher von Treibhausgasen zur Kasse gebeten werden. Konträr dazu erscheint die jüngst deutlich gestiegene Nachfrage nach fossilen Brennstoffen, welche zu einem rasanten Anstieg der Öl- und Gaspreise seit Jahresbeginn geführt hat und den traditionellen Energiesektor nach den schweren Gewinn- und Kurseinbrüchen in diesem Jahr wie einen Phönix aus der Asche hat auferstehen lassen. Erzeuger grüner Energien und grüne Versorger hatten hier – zumindest kurzfristig – das Nachsehen.
Dafür gibt es im Wesentlichen drei Gründe: Erstens halfen seit Jahresanfang eine rasante konjunkturelle Erholung sowie ein großer Energiebedarf einem Sektor, der nach den schweren Folgen des starken Ölpreis- und Aktienkurseinbruchs im vergangenen Jahr relativ gesehen viel aufzuholen hatte. Zweitens belasteten die hohen Inflationsraten und die damit einhergehende Angst vor steigenden Zinsen besonders die Aktienkurse kapitalintensiver Geschäftsmodelle mit langer Investitionsdauer, zu denen auch viele grüne Versorger und Betreiber von Windkraftanlagen gehören. Drittens waren im Bereich der erneuerbaren Energien nach der Kursrallye des vergangenen Jahres ambitionierte Bewertungsniveaus zu sehen, welche seit Jahresbeginn eine gesunde Korrektur erfahren haben. Die Übertreibungen haben sich damit relativiert und die Bewertungen liegen nun auf dem Durchschnittsniveau anderer Wachstumsunternehmen.
Konventioneller Energiesektor kommt zunehmend unter Druck
Auf dem Weg zur Klimaneutralität werden die Risiken für Unternehmen aus dem konventionellen Energiesektor immer deutlicher: Fossile Brennstoffe sind ein Auslaufmodell und bergen das Risiko, dass die Assets früher oder später unbrauchbar werden. Aufgrund der tiefgreifenden Veränderungen im Energiesektor ist auch in Zukunft mit erhöhter Volatilität von Öl- und Gaspreisen zu rechnen, welche maßgeblich für die Profitabilität des Sektors sind. Hinzu kommt ein zuletzt erheblich gestiegenes Risiko: Climate Litigations, also teure und langwierige Gerichtsverfahren, die von Umweltverbänden im Namen des Klimaschutzes gegen Unternehmen geführt werden – sowohl bei konkreten Vergehen als auch bei Versäumnissen. Einen Vorgeschmack darauf bekam jüngst Shell, als das Den Haager Bezirksgericht den Ölkonzern zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens verpflichtete.
Darüber hinaus stehen mehrere Ereignisse an, die sich positiv auf grüne und negativ auf konventionelle Energieunternehmen auswirken sollten: Als vorteilhaft für grüne Energieunternehmen sehen wir den US-Infrastruktur-Plan im Reconciliation-Verfahren, den UN-Klimagipfel im November in Dublin sowie die Kapitalmarkttage namhafter grüner Versorger. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Profitabilität von Wind- und Solaranlagen perspektivisch durch höhere Strompreise steigt. Auch wird in Bezug auf die Wachstumsaussichten weiterhin unterschätzt, dass der International Energy Agency zufolge die jährlichen Investitionen in saubere Energien sich bis zum Jahr 2030 vervierfachen und dann über 4 Billionen US-Dollar pro Jahr betragen werden.
Fokus auf grüne Energieversorger wichtig auf Weg zur Klimaneutralität
Perspektivisch führen ein Abschalten von Kohle- und Atomkraftwerken sowie die CO2-Bepreisung zu weiteren Verknappungen beim Energieangebot, was die Volatilität von Energiepreisen steigen lassen dürfte. Um dem Rückgang des Energieangebotes entgegenzuwirken, sind ein Ausbau der Kapazitäten erneuerbarer Energien, Fortschritte bei der Energiespeicherung sowie ein robustes Elektrizitätsnetz unabdingbar. Weil Versorger mit einem wachsenden Fokus auf alternative Energien wesentlich zum Erreichen der Klimaziele beitragen, ist die notwendige Infrastruktur ein wichtiges Puzzlestück auf dem Weg zur Klimaneutralität. Aufgrund der hohen CO2-Emissionen meiden die meisten nachhaltigen Investmentfonds jedoch diesen Bereich. Ein Nachhaltigkeitsfokus kann aber gerade dort eine sehr große Wirkung auf dem Weg zur Klimaneutralität erzielen: Mehr als 70% der globalen CO2-Emissionen werden allein durch den Energiesektor verursacht, während immer noch mehr als 80% des globalen Energiebedarfs mit fossilen Energieträgern gedeckt werden. Der starke Anstieg der Energiepreise und die damit einhergehende Rallye der Aktien von Öl- und Gasunternehmen sollte vor diesem Hintergrund nur als Punktsieg des konventionellen Energiesektors gewertet werden. Mittel- und langfristig überwiegen hier jedoch die Risiken, was zumindest langfristig die Erträge und damit die Aktienkurse dieses Sektors belasten sollte. Grüne Energieversorger hingegen haben eine glänzende Zukunft vor sich.
Johannes Maier, Portfolio Manager Globale Infrastruktur-Aktien, Bantleon
Bantleon bewirtschaftet Infrastruktur-Aktien im Publikumsfonds Bantleon Select Infrastructure, der 2021 mit einem €uro FundAward ausgezeichnet wurde sowie von MSCI mit einem Nachhaltigkeitsrating von »AAA« eingestuft wird und damit zu den nachhaltigsten Fonds zählt.