Gold hat sich im laufenden Jahr bisher kaum zur Vermögensmehrung geeignet. Dass nach dem Höhenflug im vergangenen Jahr mit einem Preiszuwachs von 25% eine Atempause bevorstand, war jedoch abzusehen. Aus Sicht eines Anlegers aus der Eurozone steht per Ende November aber immerhin ein passables Plus von rund 2% in der Anlagebilanz, aber auch nur, weil die Aufwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro den Preisrückgang des gelben Metalls überkompensiert hat. Unabhängig davon erforderten Investitionen in Gold in diesem Jahr starke Nerven: Unter Schwankungen von bis zu 10% bewegte sich der Preis seitwärts. Mitte November erholte sich der Preis für eine Feinunze sogar in Richtung 1860 US-Dollar, gab aber bald darauf wieder in Richtung 1800 US-Dollar nach. Kurzfristig ist mit einer Fortsetzung der Seitwärtsbewegung zu rechnen, mittelfristig hat das Edelmetall aber deutliches Aufwärtspotenzial.
Es besteht ohne Zweifel ein sehr enger Zusammenhang zwischen dem allgemeinen Zinsniveau, der Inflationsrate und dem Goldpreis: Fallende oder negative Realzinsen, also die Renditen lang laufen-der Staatsanleihen abzüglich der Inflationsrate, sind eng mit dem Goldpreis korreliert. Auch in diesem Jahr war dieser enge Gleichlauf zu beobachten. Steigende Nominalrenditen sind in der Regel nachteilig für Gold, außer wenn die Inflationserwartungen noch stärker steigen und damit die Realrenditen drücken. Genau daher kommt auch die Volatilität im laufenden Jahr: Phasenweise waren sehr starke, nominale Zinsanstiege zu beobachten, bei gleichzeitig noch moderater Inflation – beispielsweise aufgrund von Öffnungseuphorie und dem damit einhergehenden Abbau von Pandemie-Stimuli. Diese Phasen wurden abgelöst von Perioden stark anziehender Inflationserwartungen – getrieben zum Beispiel von stark steigenden Rohstoffpreisen und gestörten Lieferketten – was wiederum zu rückläufigen Realzinsen führte.
Weitere Variablen sind die Politik der Zentralbanken und die konjunkturelle Entwicklung: Positiv aufgenommen werden Nachrichten, die auf noch mehr Inflation hindeuten und solche, die die Zentralbanken von Zinserhöhungen abhalten. Deshalb sehen die Kapitalmarktteilnehmer jede Äußerung kritisch, die auf eine Verknappung der Liquidität und damit steigende Renditen schließen lässt. Daten, die auf eine Konjunkturabschwächung hindeuten, werden von Goldhändlern entsprechend positiv aufgenommen, weil sie den Zinserhöhungsspielraum der Zentralbanken beschränken.
Der aktuelle Anstieg der Infektionszahlen auf der Nordhalbkugel und das Auftreten einer neuen Virusvariante dürfte die Zentralbanken auf absehbare Zeit von Zinserhöhungen abhalten, da erneute Lockdowns die konjunkturelle Erholung negativ beeinflussen würden. An den Finanzmärkten könnte ein solches Szenario wiederum zu einer erneuten Phase der Unsicherheit führten und damit den Goldpreis unterstützen. Andererseits sollten sich in den nächsten Monaten Verspannungen der globalen Lieferketten wieder auflösen und damit temporär den Inflationsanstieg bremsen.
Neben der Geldpolitik spielt aber auch die Nachfrage nach Gold in physischer Form eine wichtige Rolle. Im bisherigen Jahresverlauf war die Nachfrage von börsengehandelten Rohstoffen (ETC) rückläufig. Das lässt sich mit der Abschwächung der Pandemie bis Mitte November und dem des-halb nachlassenden Sicherheitsbedürfnis der Anleger erklären. Gleichzeitig hat auch die Nachfrage der Industrie wieder angezogen, liegt aber noch deutlich unter den Niveaus der Jahre bis 2019. Stabil hingegen ist die Nachfrage nach physischen Münzen und Barren. Auch einige Zentralbanken kaufen wieder Gold – knapp 400 Tonnen im laufenden Jahr. Das entspricht ungefähr dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Insgesamt ist die Goldnachfrage aufgrund der Mittelabflüsse aus ETC aber etwas niedriger als im Vorjahr.
Das Angebot an physischem Gold ist im Vergleich zu 2020 nahezu unverändert. Einem leichten Plus in der Produktion steht ein Rückgang beim Recycling in gleicher Größenordnung entgegen. Somit trifft ein unverändertes Angebot auf eine leicht rückläufige Nachfrage, was die derzeitige Entwicklung am Goldmarkt gut erklärt.
Aus technischer Sicht zeigt das gelbe Edelmetall durchaus Stärke: Trotz steigender Zinsen im dritten Quartal tendierte der Goldpreis seitwärts und durchbrach im November den seit Juli 2020 bestehen-den kurzfristigen Abwärtstrend in Richtung 1900 US-Dollar. Auch wenn der Ausbruchsversuch noch nicht von Erfolg gekrönt war, sichert aktuell die 200-Tage-Linie zusammen mit weiteren technischen Indikatoren den Goldpreis nach unten ab. Auch eine Abschwächung des US-Dollars nach der jüngsten Rallye dürfte den Goldpreis vor dem Jahreswechsel stützen. Auf Sicht mehrerer Jahre kann man sogar eine charttechnische Konsolidierungsformation ausmachen, die für das aktuelle Jahrzehnt noch eine sehr positive Entwicklung verspricht.
Unter dem Strich ist wohl unmittelbar nicht mit einer erneuten Rallye des Goldpreises zu rechnen. Mittelfristig orientierte Anleger können Schwächephasen aber zum Aufbau von Positionen nutzen. In den kommenden Jahren sollte Gold in keinem Portfolio fehlen. Inflation und Unsicherheit werden die Märkte weiter begleiten und das Interesse an Anlagen, die zumindest ein Gegengewicht zur Geldentwertung bieten, wird weiter zunehmen. Im kommenden Jahr halten wir einen Angriff auf das historische Kurshoch von etwa 2000 US-Dollar je Feinunze für möglich.
Alexander Posthoff, Senior Portfolio Manager, Bantleon