Die wichtigsten Ergebnisse der heutigen Sitzung:
- Die EZB hält an der Beendigung der PEPP-Anleihenkäufe per Ende März fest. Ausserdem wurde bekannt gegeben, die Netto-Anleihenkäufe im Rahmen des APP voraussichtlich schon im Lauf des 3. Quartals einzustellen und nicht erst Ende des Jahres. Zudem sollen die Käufe im 2. Quartal nur bei 90 Mrd. EUR liegen und nicht wie bisher erwartet bei 120 Mrd. EUR. Es wird jedoch betont, mit grösstmöglicher Flexibilität auf etwaige Auswirkungen des Kriegs gegen die Ukraine zu reagieren. Das kann auch die erneute Aufstockung der Anleihenkäufe bedeuten.
- Darüber hinaus adaptierte die Notenbank ihre Forward Guidance mit Blick auf die Leitzinsen in zwei Punkten. Zum einen wurde der Easing-Bias aufgegeben. Das heisst, der EZB-Rat geht nun nicht mehr davon aus, dass die Leitzinsen nochmals gesenkt werden könnten.
- Zum anderen ist nun nicht mehr davon die Rede, mit Leitzinsanhebungen zu beginnen, kurz nachdem die Netto-Anleihenkäufe eingestellt wurden. Stattdessen sollen die Leitzinsanhebungen einige Zeit nach Beendigung der Anleihenkäufe starten und anschliessend in massvollem Tempo erfolgen. Mit dieser Entscheidung verschafft sich die EZB mehr Flexibilität, da das Ende der Netto-Anleihenkäufe von der Frage nach Zinsanhebungen entkoppelt wird. Die erste Zinsanhebung kann, muss aber nicht kurz nach dem Ende der Wertpapierkäufe erfolgen.
Unsere Einschätzung:
Wir werten die Entscheidungen der EZB als eher falkenhaft. Das gilt insbesondere für die schnellere Rückführung der Wertpapierkäufe, auch wenn EZB-Präsidentin Christine Lagarde mehrfach auf die Datenabhängigkeit dieser Entscheidung hinwies. Zwar birgt der russische Überfall auf die Ukraine auch enorme konjunkturelle Risiken für die Eurozone, offenbar gewichten die Währungshüter diese jedoch weniger stark als die Inflationsrisiken, was sich auch in den aktualisierten Projektionen widerspiegelt (vgl. folgende Tabelle). Die Inflationsrate in der Eurozone liegt bereits seit einem Dreivierteljahr über dem Zielwert von 2,0% und erklimmt immer neue Höhen. Dabei war der Anstieg auf 5,8% im Februar kaum beeinflusst von den im Zuge des russischen Angriffs in die Höhe geschnellten Energiepreisen. Diese werden die Inflationsrate schon im März auf etwa 6,5% treiben, bevor im weiteren Jahresverlauf Werte von knapp 7,0% wahrscheinlich sind. Folgerichtig merkte auch Lagarde mehrfach an, das Inflationsziel sei nun erreicht und es bestünden sogar weitere Aufwärtsrisiken für die eigenen Prognosen. Gleichzeitig sinkt die Arbeitslosenquote in der Eurozone in atemberaubenden Tempo. Im Januar fiel sie auf das Allzeittief von 6,8%. Das sind 0,6%-Punkte weniger als unmittelbar vor Ausbruch der Pandemie. Darüber hinaus berichten immer mehr Unternehmen von einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Diese Mischung bildet den optimalen Nährboden für spürbare Lohnzuwächse und damit den Beginn einer Lohn-Preis-Spirale. Es wäre mithin höchste Zeit, die noch immer ultraexpansive Geldpolitik zügig zurückzuführen. Entsprechend gehen wir tatsächlich davon aus, dass die EZB einerseits die Anleihenkäufe wie nun avisiert zurückführt und andererseits am Jahresende zur Tat schreitet und den Einlagensatz anhebt.
Der EZB-Rat sieht die Risiken für den wirtschaftlichen Ausblick eindeutig nach unten gerichtet, erwartet aber ebenso wie wir, dass die negativen Auswirkungen des Kriegs gegen die Ukraine die Konjunktur der Eurozone nicht in eine Rezession stürzen. Sollte sich diese Annahme in den kommenden Monaten jedoch als falsch erweisen, dürfte die EZB ihre Optionen neu bewerten, was die EZB-Präsidentin mehrfach hervorhob.
| 2022 | 2023 | 2024 |
Wachstum in %* | 3,7 (4,2) | 2,8 (2,9) | 1,6 (1,6) |
Inflation in %* | 5,1 (3,2) | 2,1 (1,8) | 1,9 (1,8) |
Kerninflation in %* | 2,6 (1,9) | 1,8 (1,7) | 1,9 (1,8) |
Jörg Angelé, Senior Economist der BANTLEON BANK AG