Die hohe Inflation in der Eurozone und die Aussicht auf steigende Leitzinsen haben zu einem Ausverkauf an den Anleihenmärkten geführt. Im Zuge der gestiegenen Renditen vergrösserte sich auch der Risikoaufschlag italienischer Staatsanleihen verglichen mit Bundesanleihen markant. Hinter dieser Spreadausweitung steht die Sorge, Italien könnte angesichts seiner Staatsverschuldung in Höhe von etwa 150% des nominalen BIP von der steigenden Zinslast erdrückt werden.
In einem Szenario dauerhaft erhöhter Inflationsraten und Zinsen nähme die Zinsbelastung für Italien in den kommenden Jahren zwar erheblich zu, gemessen an den Staatseinnahmen wird allerdings kein kritischer Wert erreicht. Darüber hinaus hat Italien in der Vergangenheit bewiesen, über lange Zeiträume Primärüberschüsse erzielen zu können. Die Schuldentragfähigkeit wäre aus wirtschaftlicher Sicht somit nicht gefährdet. Italien könnte seinen Verpflichtungen nachkommen.
Davon abgesehen dürften die übrigen Euroländer, die EU und die EZB im Zweifel alles daransetzen, Italien vor Zahlungsschwierigkeiten zu bewahren. Mit dem ESM steht dazu bereits jetzt ein Instrument zur Verfügung. Darüber hinaus stellt der EU-Wiederaufbaufonds unserer Ansicht nach den Einstieg in eine Schuldenvergemeinschaftung dar, womit auch das Thema Eurobonds noch nicht vom Tisch ist. Das Hauptrisiko mit Blick auf die italienischen Staatsschulden liegt unserer Ansicht nach daher nicht bei der Zahlungsfähigkeit, sondern bei der Zahlungswilligkeit. Steueranhebungen und Ausgabenkürzungen bedeuten, die Wählerschaft zu belasten. Es ist durchaus möglich, dass künftige Regierungen hierzu nicht bereit sind. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die EU-Mitgliedsländer und die EZB auch dann bereit sind, Italien zur Seite zu springen.
Jörg Angelé, Senior Economist der BANTLEON AG
Finden Sie hier die gesamte Analyse.