Schon seit geraumer Zeit steht die chinesische Wirtschaft unter Druck. Die Nulltoleranzstrategie bei der Pandemiebekämpfung und die anhaltenden Probleme am Immobilienmarkt bremsen das Wachstum deutlich. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn die Regierung nun gleich ein ganzes Bündel an Stützungsmaßnahmen auf den Weg bringt. So wurden unter anderem die Leitzinsen gesenkt. Zusätzlich sollen 1 Bio. Yuan (entspricht rund 150 Mrd. Euro beziehungsweise knapp 1% des BIP) in die Wirtschaft gepumpt werden. Daneben nimmt ein Sicherungsfonds Gestalt an, der die systemrelevanten Banken im Krisenfall stützen soll. Kommt jetzt also endlich das von manchen erhoffte große staatliche Hilfspaket?
Ein genauerer Blick auf die Maßnahmen führt hier schnell zu Ernüchterung. Von den 1 Bio. Yuan entfällt allein die Hälfte auf bereits seit Langem zu Verfügung stehende Quoten für die Emission von Staatsanleihen auf Provinzebene. Es handelt sich also nicht um zusätzliches Geld, sondern um Geld, mit dem die Lokalregierungen ohnehin schon rechnen, das nun aber schneller in Infrastruktur-Projekte fließen soll. Letztlich beträgt damit der zusätzliche fiskalische Stimulus der neuen Maßnahmen nur 500 Mrd. Yuan, was knapp 0,5% des BIP entspricht und folglich keinen Durchbruch darstellt.
Auch von dem im Aufbau befindlichen Financial Stability Fund sollte nicht zu viel erwartet werden. Dieses Sicherungsinstrument als Lender of Last Resort für die systemrelevanten Finanzinstitute wird nicht staatlich finanziert. Vielmehr müssen die potenziellen Nutznießer selbst das Geld bereitstellen, mit dem sie im Falle eines Falles gestützt werden sollen. Ein Befreiungsschlag ist also auch diese Maßnahme nicht.
Alles in allem lässt der große Wurf bei der Ankurbelung der chinesischen Wirtschaft – vor allem bei der Stabilisierung der unter Druck stehenden Bauwirtschaft – weiter auf sich warten. Mit Blick voraus dürfte sich daran aus strukturellen Gründen auch nichts ändern. Denn der übergeordnete Trend am Immobilienmarkt hat inzwischen nach unten gedreht. Unter anderem führen die schrumpfende Bevölkerung und der nachlassende Schwung bei der Urbanisierung zu einem geringeren Bedarf an zusätzlichem Wohnraum.
Anders als während der globalen Finanzkrise 2008/2009, als der Hunger nach Wohnraum unstillbar schien, würden aktuell große staatliche Stimuli somit allenfalls kurze Strohfeuer entfachen. Gleichzeitig würde die Immobilienblase erneut angeheizt und das langfristig notwendige Zurückdrängen der Bauwirtschaft konterkariert. Deshalb dürfte die chinesische Regierung sich auch künftig darauf beschränken, lediglich eine nochmalige Eskalation der Immobilienkrise zu verhindern. Entsprechend sind von der Bauwirtschaft in den kommenden Quartalen keine kräftigen Wachstumsimpulse zu erwarten.
Wir halten daher trotz der zuletzt lancierten Stützungsmaßnahmen an unserem skeptischen Konjunkturausblick für das Reich der Mitte fest. Im laufenden Jahr dürfte der BIP-Zuwachs bei rund 3,0% liegen und 2023 nur leicht darüber, womit der Durchschnitt der Vor-Corona-Zeit deutlich unterschritten wird. Wer auf eine dynamische Wirtschaftsentwicklung in China als Ausgleich zu den Rezessionen in Europa und in den USA hofft, sollte enttäuscht werden. Auch die Finanzmärkte können von dieser Seite keine Entlastung erwarten.
Dr. Andreas A. Busch, Senior Economist der BANTLEON AG