Vierte 75-Bp-Zinserhöhung in Folge und Anpassung beim Leitzinsausblick
Zum vierten Mal in Folge beschloss die US-Notenbank die Leitzinsen um 75 Bp anzuheben. Zusammen mit der 25-Bp-Erhöhung im März und dem 50-Bp-Schritt im Mai summieren sich die Zinsanhebungen in diesem Jahr auf 375 Bp – der steilste Zinserhöhungszyklus seit Jahrzehnten. Die Leitzinsbandbreite liegt nun mit 3,75% bis 4,00% immer deutlicher über dem neutralen Niveau, das von der Fed auf rund 2,50% veranschlagt wird.
Wie in den schriftlichen Erläuterungen zum Zinsentscheid zum Ausdruck kommt, vertritt der Offenmarktausschuss nach wie vor die Auffassung, dass weitere Anhebungen nötig sind. Das »Statement«, das zum allergrößten Teil wörtlich von der September-Sitzung übernommen wurde, erfuhr aber eine auffallende Ergänzung. So wird der Ausblick auf künftige Zinsschritte nun etwas präzisiert. Neu heißt es – bei der Frage, wie weit die Leitzinsen noch angehoben werden müssen –, sollen sowohl das Ausmaß der bisher erfolgten Straffungen als auch deren Wirkungsverzögerungen berücksichtigt werden.
Fed sieht sich noch lange nicht am Ziel ...
In seinen Ausführungen im Rahmen der Pressekonferenz stellte Notenbankpräsident Jerome Powell klar, dass die Fed mit dem Verweis auf den großen Umfang der bisherigen Straffungen und deren zeitverzögerte Wirkungen keine Pause bei den Zinserhöhungen nahelegen will. Er erklärte, die Fed trete vielmehr in eine neue Phase der geldpolitischen Steuerung ein. Am Beginn des Erhöhungszyklus hätte im Vordergrund gestanden, die Fed-Funds-Rate möglichst schnell anzuheben. Nun, da der Leitzins ein klar restriktives Niveau erreicht habe, gehe es weniger um das Tempo, sondern mehr darum, wie weit die Leitzinsen angehoben werden müssten. Und hier präsentierte er einen klaren Ausblick: Es sei noch ein weiter Weg zu gehen, bevor ein ausreichend restriktives Niveau erreicht wäre. Er begründete diesen Kurs vor allem damit, dass sowohl die Inflations- als auch die Arbeitsmarktdaten zuletzt nach oben überrascht hätten. Wegen dieser Entwicklung würden die Offenmarktausschussmitglieder nun den Leitzinshöhepunkt nicht mehr wie im September auf 4,6%, sondern höher veranschlagen.
... steuert aber auf eine langsamere Gangart zu
Der Schwenk des geldpolitischen Fokus weg vom Tempo der Zinserhöhungen hin zu dem anzustrebenden Leitzinshochpunkt spricht in unseren Augen dafür, dass die Fed die beispiellose Serie von 75-Bp-Schritten nicht fortführen möchte. Gleichzeitig will sie aber nicht missverstanden werden, mit solch einer Anpassung würde bereits das Ende der Zinserhöhungen eingeläutet. Vielmehr haben die Währungshüter ein Szenario vor Augen, wonach die Leitzinsen nach einer 50-Bp-Anhebung im Dezember Anfang des kommenden Jahres weiter erhöht werden sollen. Und zwar so lange, bis eindeutige Signale einer Abkühlung des überhitzten Arbeitsmarktes und einer nachlassenden Inflation auszumachen sind.
Wir sehen uns damit in unserer Erwartung bestätigt, wonach die Fed das Tempo der Zinserhöhungen bei der letzten Sitzung in diesem Jahr tatsächlich verlangsamt, nicht zuletzt weil wir mit zunehmenden Hinweisen auf eine Abschwächung bei der Inflation und am Arbeitsmarkt rechnen. Anfang des kommenden Jahres sollte dann unserem skeptischen Konjunkturausblick zufolge mehr und mehr zu erkennen sein, dass die US-Wirtschaft – anders als von der Fed angenommen – nicht nur etwas an Schwung verliert, sondern in eine ausgewachsene Rezession abrutscht. Entsprechend dürften die Währungshüter immer weniger unter Druck stehen, mit weiteren Anhebungen der Leitzinsen die Wirtschaft zusätzlich einbremsen zu müssen. In unserem Basisszenario gehen wir daher weiterhin davon aus, dass die Fed bereits bei der ersten FOMC-Sitzung 2023 Anfang Februar die Leitzinsen nicht mehr anhebt. Als Risikoszenario halten wir einen letzten 25-Bp-Schritt für möglich, sollte sich der Arbeitsmarkt und die Inflation langsamer als von uns unterstellt abkühlen. Zum Sommer hin rechnen wir unverändert mit dem Beginn von Zinssenkungen.
Dr. Andreas A. Busch, Senior Economist der BANTLEON AG