Der US-Dollar hat in diesem Jahr auf breiter Front aufgewertet: Gegenüber dem Euro um fast 11%, handelsgewichtet gegenüber einem breiten Korb von Währungen um 10%. Treiber waren die falkenhafte Notenbankpolitik der Fed, die dynamisch den Zinsunterschied zugunsten des US-Dollars verschob, sowie die geopolitischen Spannungen in der Ukraine und in Taiwan. Weil die Fed nun aber das Tempo der Zinserhöhungen drosselt und nach Aussage von Jerome Powell in eine neue Phase der geldpolitischen Steuerung eintritt, stellt sich die Frage, ob der US-Dollar weiter aufwerten kann.
Entscheidend für die weitere Entwicklung des US-Dollars dürfte die Geldpolitik von Fed und EZB sein. Die amerikanische Notenbank will die Leitzinsen nach einer Anhebung um 50 Basispunkte im Dezember im nächsten Jahr so lange weiter erhöhen, bis eindeutige Signale einer Abkühlung des überhitzten Arbeitsmarktes und einer nachlassenden Inflation auszumachen sind. Damit wird sie jedoch nicht weit kommen. Anfang 2023 sollte mehr und mehr zu erkennen sein, dass die US-Wirtschaft – anders als von der Fed angenommen – nicht nur etwas an Schwung verliert, sondern in eine ausgewachsene Rezession abrutscht. Diese Entwicklung dürfte die Fed zwingen, spätestens im 1. Quartal 2023 zu pausieren und im weiteren Jahresverlauf die Leitzinsen sogar wieder zu senken. Damit verliert der US-Dollar die Dynamik aus dem Leitzinsanstieg, gleichzeitig sollte der Greenback aber zumindest bis zur Jahresmitte weiter einen deutlichen Zinsvorteil gegenüber den meisten anderen Währungen haben.
Dass weltweit, aber vor allem in der Eurozone, aufgrund der massiven Belastung durch die gestiegenen Energiepreise ein Konjunktureinbruch droht, räumte zuletzt auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde ein. So wird auch die EZB nicht umhinkommen, nach einer weiteren Leitzinsanhebung um 50 Basispunkte im Dezember 2022 zunächst eine längere Pause einzulegen. Zinssenkungen wie in den USA stehen aber nicht im Raum, da die EZB mit einem Leitzinssatz von 2,0% nur ein neutrales Zinsniveau erreichen konnte und sich das Inflationsniveau erst gegen Ende 2023 dem EZB-Ziel deutlich nähern dürfte. Weil die amerikanische Notenbank in der Regel die Führungsrolle im Zinszyklus übernimmt, wird sich der Zinsunterschied zugunsten des Euros entwickeln, sobald die Fed von der konjunkturellen Schwäche zu einem Kurswechsel gezwungen wird und den Leitzins wieder senkt.
Auch wenn der US-Dollar mit Veröffentlichung der Oktober-US-Inflationsdaten einen Schwächeanfall erlitten hat, bleibt der absolute Zinsvorteil gegenüber dem Euro bestehen. Für die Prognose des Wechselkurses bedeutet dies, dass der US-Dollar kurzfristig abhängig von den US-Konjunkturdaten noch Aufwärtspotenzial von etwa 3% bis 4% hat – ausgehend vom aktuellen Niveau bei 1,0180 USD/EUR. Dafür spricht auch, dass in den kommenden zwei Quartalen das Wirtschaftswachstum in der Eurozone auf annualisierter Basis um 1,5%-Punkte tiefer ausfallen wird als das der USA. Erst im 2. Halbjahr 2023 sollte die Eurozone wieder kräftiger wachsen.
Sobald jedoch der Kurswechsel der Fed deutlicher in Sichtweite rückt, wird der Euro gegenüber dem US-Dollar wohl markant aufwerten. Die Marktpositionierung weist gemessen an den an der Chicagoer Börse (CME) notierten Währungsfutures auf eine sehr einseitige Positionierung der Investoren hin, auch wenn sie noch nicht auf historischen Extremniveaus notiert. Eine Erholung sollte jedoch spätestens im Bereich zwischen 1,0550 und 1,0850 enden, was einer Aufwertung vom aktuellen Niveau aus von 4% bis 7% entspricht.
Diese Niveaus sollte man dann auch zum Wiedereinstieg in US-Dollar-Investments nutzen. Einerseits hat Europa mit dem Ukraine-Krieg einen geopolitischen Krisenherd vor der Haustür, der noch Jahre dauern kann. Andererseits dürfte die Handelsbilanz der Eurozone, die aufgrund der gestiegenen Energiepreise auf tiefrote Niveaus gefallen ist, das Defizitargument gegen den Euro auf längere Zeit stützen. Dagegen bietet der US-Dollar-Raum aufgrund der gestiegenen Zinsen eine attraktive Verzinsung. Und viel wichtiger ist noch, dass ausgehend von dem höheren Zinsniveau nach einem Kurswechsel der Fed hohe Kursgewinne bei US-Staatsanleihen zu erzielen sind, sofern unsere Zinsprognose von 2,50% für 10-jährige Laufzeiten per Ende 2023 eintrifft.
Von Tobias Frei, Senior Portfolio Manager, BANTLEON