Ökonom Jörg Angelé: EZB erhöht Leitzinsen um 25 Bp und behält Tightening Bias bei

BANTLEON | 05.05.2023 09:36 Uhr
Jörg Angelé, Senior Economist der BANTLEON AG / © e-fundresearch.com / BANTLEON
Jörg Angelé, Senior Economist der BANTLEON AG / © e-fundresearch.com / BANTLEON

Die wichtigsten Ergebnisse der Sitzung

  • Anhebung der Leitzinssätze um 25 Bp
  • Tightening Bias mit Hintertür
  • Reinvestitionen aus dem APP werden per Juli eingestellt

Unsere Einschätzung

Wie von uns und den meisten Analysten im Vorfeld erwartet, hat der EZB-Rat die Leitzinsen um 25 Bp angehoben. Der Einlagensatz steigt mithin auf 3,25%, der Hauptrefinanzierungssatz auf 3,75%. Wie schon im März wird zwar ein Tightening Bias zum Ausdruck gebracht, eine Vorfestlegung auf weitere Zinsanhebungen gibt es jedoch abermals nicht. Der künftige Zinspfad soll weiterhin von Sitzung zu Sitzung in Abhängigkeit der jeweils vorliegenden Daten bestimmt werden. Es gibt allerdings erste Anzeichen, dass der EZB-Rat sich nahe des Zinsgipfels sieht. So wird in der Pressemitteilung erstmals darauf verwiesen, dass die bis dato erfolgten Zinsanhebungen stark auf die Finanzierungs- und die monetären Bedingungen im Euroraum durchschlagen. Die Geldpolitik wirkt mithin bereits erkennbar restriktiv. Zudem betonte Notenbankpräsidentin Christine Lagarde mehrfach, dass der Tightening Bias nur unter der Annahme des Eintreffens des im März formulierten Basisszenarios für Konjunktur und Inflation gilt. Das lässt die Tür offen, diesen Bias in Anbetracht der im Juni aktualisierten Projektionen anzupassen.

Lagarde hob ebenfalls hervor, dass die bisherige geldpolitischen Straffung um 375 Bp seit Juli 2022 merkliche Auswirkungen auf das Banken- und Finanzsystem hat. Um dies zu unterstreichen, verwies sie auf die am 2. Mai veröffentlichte Bank Lending Survey. Derzufolge haben sich die Kreditvergabestandards im 1. Quartal verschärft und die Nachfrage nach Krediten schwächt sich ab. Diese Entwicklung dürfte sich in den kommenden Monaten noch verstärken. Zum einen belastet die inverse Zinskurve die Ertragsaussichten der Banken. Zum anderen stellen die verschärften Finanzierungskonditionen immer mehr Schuldner vor Probleme. Infolgedessen dürften Banken die Kreditvergabe weiter einschränken.

Diese ungünstigen Perspektiven sprechen unseres Erachtens dafür, die Geldpolitik nicht weiter zu straffen, insbesondere da die bisherigen Zinsanhebungen ihre volle Wirkung erst noch entfalten werden. Zumal das vorrangige Ziel der EZB, die Nachfrage zu dämpfen, bereits erreicht ist. Die realen privaten Konsumausgaben sind im 1. Quartal 2023 offenbar erneut geschrumpft, nachdem sie bereits im Schlussquartal 2022 um 0,9% gegenüber dem Vorquartal zurückgegangen waren – und damit stärker als je zuvor seit Datenverfügbarkeit im Jahr 1995, lässt man den temporären coronabedingten Einbruch einmal außen vor. Eine rasche Wende zum Besseren ist nicht in Sicht. Die bis dato vorliegenden Tarifabschlüsse deuten darauf hin, dass dem Gros der Beschäftigten in der Eurozone trotz der teils erheblichen Lohnsteigerungen reale Einkommensverluste bleiben. Die Gefahr einer sich kräftig belebenden (Konsum-)Nachfrage, die den Preisauftrieb erneut anheizen würde, schätzen wir daher als gering ein.

Davon abgesehen wird die Inflation in den kommenden Monaten erheblich zurückgehen. Wir rechnen im 4. Quartal mit Inflationsraten zwischen 2,5% und 3,0%. Auch die Kerninflationsrate wird im 2. Halbjahr spürbar sinken. 2024 sollte der Preisauftrieb weiter nachlassen. Die Aussicht hierauf nimmt ebenfalls den Druck, die Leitzinsen anheben zu müssen.

Schließlich führen auch die Einstellung der Reinvestitionen im Asset Purchase Programme (APP) ab Juli sowie die Rückführung großer Summen aus den TLTRO bis Ende des Jahres zu einer Verschärfung der Finanzierungskonditionen.

Fazit

Wir gehen davon aus, dass sich das konjunkturelle Umfeld in den nächsten Quartalen entgegen den Erwartungen der EZB nicht erkennbar aufhellt, sondern sogar eintrübt. Das wird den bereits erkennbaren Disinflationsprozess verstärken. Beides sollte sich in den Juni-Projektionen der EZB widerspiegeln. Zudem könnte die Fälligkeit von 477 Mrd. EUR aus TLTROs im Juni nicht so glatt über die Bühne gehen, wie von der EZB offenbar erwartet. Der größte Teil der Summe entfällt auf italienische Banken, die der Mittelabfluss vor Probleme stellen könnte. Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass das Leizinsniveau nicht weiter steigt. Sollte sich der EZB-Rat allerdings auf die infolge statistischer Effekte bis zum Sommer stark erhöhte Kerninflationsrate fokussieren, könnte im Juni ein letzter Zinsschritt um 25 Bp folgen.

Von Jörg Angelé, Senior Economist der BANTLEON AG

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