Die Berichtssaison für das 1. Quartal 2023 hat ihren Hochpunkt durchschritten und die meisten börsennotierten Unternehmen haben relativ positive Zahlen berichtet. Offensichtlich halfen die Verbraucher den Unternehmen, die Realisierung der düsteren Gewinnprognosen zu vermeiden, mit denen die Aktienbären wegen zunehmender Sorgen über eine Konjunkturabkühlung gerechnet hatten. Die bisherigen Quartalsergebnisse zeigen relativ klar, dass die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen größtenteils ungebrochen ist, selbst wenn Unternehmen Preise erhöhen. Ein Paradebeispiel dafür ist der Konsumgüterhersteller Procter & Gamble: Das Unternehmen übertraf die Gewinn- und Umsatzerwartungen und erhöhte sogar seine Umsatzprognose. Entsprechend schoss der Aktienkurs nach oben. Auch der Sektor Zyklische Konsumgüter, der im Jahr 2022 noch unter Inflationsdruck litt und Gewinnspannen unter Druck sah, ist noch im Aufwind. Die Gewinnrezession scheint hier den Analystenschätzungen und Aktienkursentwicklungen zufolge noch weit entfernt zu sein.
Deutliche Steigerung von Umsatz und Gewinn
Ein Paradebeispiel für diese Situation ist die Porsche AG. Analysten hatten zwar scheinbar noch mehr von den sehr soliden Quartalszahlen erwartet, aber der Sportwagenbauer steigerte im 1. Quartal sowohl den Umsatz als auch den Gewinn deutlich. Auch Chipotle als größter börsennotierter TexMex-Fast-Food-Anbieter überzeugte die Anleger mit außergewöhnlich guten Zahlen, denn steigende Margen sind das Thema in der Fast-Food-Branche: Auf der einen Seite heben die Unternehmen die Verkaufspreise an, auf der anderen Seite sinken die Preise der Inputkosten. Bei Chipotle waren es insbesondere niedrigere Einkaufspreise bei Avocados und tiefere Lieferkosten, da wieder mehr Kunden direkt in die Filialen kamen. Die Konsequenz: Die operative Marge explodierte förmlich von 9% auf 16%. Das Unternehmen machte 84% mehr Gewinn pro Aktie als im Vorjahresquartal.
Derweil erläuterte Mastercard-CEO Michael Miebach in einer Telefonkonferenz, dass das starke Umsatz- und Gewinnwachstum des 1. Quartals die robusten Verbraucherausgaben und die Erholung des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs spiegele. Konkurrent Visa äußerte sich ähnlich, während American Express über seine Plattform Rekordbuchungen für Restaurantreservierungen meldete. Und die US-Fluggesellschaft United Airlines betonte, dass eine Zunahme der Interkontinentalflüge die Gewinne beflügeln werde. Von einer Krise ist zumindest hier dank der ausgabefreudigen Konsumenten noch keine Spur zu sehen.
Im Technologie-Sektor starten vor allem die großen Unternehmen durch
Von den elf Sektorgruppen des S&P 500 haben nur zwei in diesem Jahr besser abgeschnitten als der Sektor Zyklische Konsumgüter, nämlich diejenigen, die von Big-Tech-Aktien angetrieben wurden. An der Spitze standen Microsoft und Meta. Ein krasser Kontrast zu den vermeintlichen Hiobsmeldungen vom 1. Quartal, dass Meta, Apple, Google & Co. Mitarbeiter entließen, die sie im Jahr 2022 zu viel eingestellt hatten. Auch Apple veröffentlichte Gewinn- und Umsatzergebnisse über den Analystenerwartungen, vor allem dank hoher iPhone-Verkaufszahlen. Damit steht fest: Big is beautiful again. Bei den kleineren Tech-Unternehmen sieht man hingegen erste Zeichen der Zurückhaltung der Verbraucher und die Aktienkurse von Pinterest, Snap & Co. sanken als Reaktion auf mageres Umsatzwachstum.
Am Aktienhorizont zeigen sich erste dunkle Wolken
Diese überwiegend positiven Nachrichten aus der aktuellen Berichtssaison sind aber erstens ein Blick in den Rückspiegel und zweitens zeichnen einige Unternehmensergebnisse ein differenziertes Bild. Amazon beispielsweise meldete zwar einen Quartalsgewinn, der die Analystenschätzungen übertraf, teilte aber zugleich mit, dass Kunden nach Möglichkeiten suchten, Geld zu sparen. Umsatz und Gewinn von McDonald's übertrafen ebenfalls die Schätzungen, aber CEO Chris Kempczinski zufolge kaufen die Kunden nun weniger Artikel pro Restaurantbesuch. Und der US-Automobilkonzern General Motors meldete zwar einen Umsatzanstieg in den USA und hob die Prognose für das Gesamtjahr an, warnte jedoch, dass die Preissetzungsmacht bei einigen Modellen nachlasse. Auch die Hotelketten Hilton und Marriott gaben trotz starker Ist-Zahlen eher vorsichtige Ausblicke für die kommenden Quartale. Am Aktienhorizont zeigen sich erste dunkle Wolken.
Verstärkt wird dieser Eindruck durch das neue Lieblingswort von Vorständen, das in dieser ersten Berichtssaison 2023 bereits häufiger als während der Finanzkrise 2008/2009 gefallen ist: Credit Tightening (Kreditverknappung). Unter dem Strich scheint es zwar für eine mögliche Gewinnrezession mindestens ein Quartal zu früh zu sein. Offenbar haben die Leitzinsanhebungen der Notenbanken noch nicht vollständig auf die Realwirtschaft durchgeschlagen. Sollten die makroökonomischen Frühindikatoren von BANTLEON aber auch diesmal recht behalten, dürfte es bereits im nächsten Quartal auch an den Aktienmärkten mehr Anzeichen dafür geben, dass der private Konsum unter Druck kommt. Spätestens dann werden auch die breiten Aktienindizes deutlich nachgeben.
Von Oliver Scharping, Portfolio Manager für alternative Aktienstrategien, BANTLEON