Zyniker haben Merger Arbitrage in der Vergangenheit gerne mit dem »Aufsammeln von Pfennigen vor einer Dampfwalze« umschrieben. Man sammele viele kleine Gewinne an, bis ein großer Deal platze und die Gewinne erstmal wieder verloren seien. Was in der Theorie einleuchtet, entsprach jedoch nie der Realität. Vielmehr erwies sich Arbitrage bei Fusionen und Übernahmen in den vergangenen Jahrzehnten als besonders zuverlässiges Anlagesegment und Renditegarant. So verzeichnete das Segment in den vergangenen zehn Jahren kein einziges Verlustjahr, nicht einmal im Krisenjahr 2022. Getrübt wird das positive Bild lediglich durch den holprigen Jahresstart 2023: Seit Jahresanfang liegen viele Investmentfonds mit dem Fokus auf Merger Arbitrage im Minus – trotz boomender Aktienmärkte.
Geldmarkt war zeitweise attraktiver für Investoren
Der holprige Jahresstart von Merger Arbitrage ist aber keineswegs der Anfang vom Ende für die Jahrzehnte alte Anlagestrategie, die wenig korreliert ist mit den Aktien- und Anleihenmärkten. Im Gegenteil: Was wir aktuell sehen, ist wohl die größte Chance für das Segment seit mehreren Jahren – abgesehen von der Corona-Pandemie sogar seit Jahrzehnten. Die Gründe für die schlechte Performance von Merger Arbitrage seit Jahresanfang sind der rasante Zinsanstieg und regulatorische Eingriffe. Der Zinsanstieg ist bekanntlich ein temporäres Phänomen und traf vor allem laufende M&A-Deals. Eine sichere Übernahme, die sich länger hinauszog als erwartet, bekam plötzlich Konkurrenz vom Geldmarkt: Wieso sollte man in einer sicheren US-Übernahme für eine Rendite von 3% investiert bleiben, wenn sich am Geldmarkt 5% verdienen lassen. Die Folge: Der genannte M&A-Deal wird abverkauft, der Spread weitet sich, investierte Arbitrageure haben auf dem Papier bis zum Abschluss des Deals einen Verlust stehen. Derselbe Deal wird zwar nun vielleicht mit 8% vergütet, der Anteil kann aber oft aus Portfoliogesichtspunkten nicht weiter ausgebaut werden. So geschehen in den vergangenen Monaten bei vielen laufenden Fusionen und Übernahmen.
Was schmerzhaft in der jüngeren Vergangenheit war, ist in naher Zukunft jedoch vor allem eins: seit langer Zeit wieder die Chance auf eine hohe Performance in den nächsten Quartalen und Jahren. Auf ähnliche Episoden folgten bisher die besonders fetten Jahre für Arbitrageure.
Westliche Aufsichtsbehörden greifen hart durch
Der zweite Stolperstein im Jahr 2023 waren die Wettbewerbshüter. Das galt für die Fusion zwischen PGA Tour und LIV Golf ebenso wie für die Übernahme des Videospielgiganten Activision Blizzard durch Microsoft. So haben die westlichen Aufsichtsbehörden zuletzt bei großen Deals hart durchgegriffen – oder es zumindest versucht. Allein der Versuch führt in der Regel schon zum Abverkauf von Transaktionen. Zum Beispiel bei der 28 Milliarden US-Dollar schweren Übernahme von Horizon Therapeutics durch den Pharmakonzern Amgen. Denn selbst ohne eine wirkliche Schadenstheorie im Fall des Zustandekommens der Transaktion mangels Produktüberschneidungen beider Unternehmen versucht die oberste US-Wettbewerbshüterin Lina Khan, gegen eine weitere Konsolidierung in der Pharmaindustrie vorzugehen. Ihre Argumente werden von vielen Rechtsexperten als zweifelhaft angesehen und sollten vor Gericht (vor einem Donald Trump nahestehenden Richter) kaum Bestand haben. Wie der Fall ausgehen wird, entscheidet sich aber erst in einigen Monaten. Selbst wenn dann für Arbitrageure endlich Zahltag ist, haben sie bis dahin den Verlust (beziehungsweise das Kurspotenzial) weiter in den Büchern.
Ineffizienzen führen zu Renditen von 20% bis 30%
Obwohl nicht alle Deals im Fadenkreuz der Aufseher sind, hat das aggressive Vorgehen der Behörden den gesamten Markt für Fusionen und Übernahmen aufgeschreckt. Entsprechend gibt es derzeit im Segment Merger Arbitrage viele Marktpreisineffizienzen, obwohl der breite Aktienmarkt in der Regel effizient ist. So handelte zum Beispiel noch Ende Mai das Übernahmeangebot für die Aareal Bank durch ein Private-Equity-Konsortium wegen unbegründeter Ängste vor Bedenken der EZB zu einer Rendite von mehr als 20%. Das ist etwa das Vierfache einer üblichen Rendite für eine solche Übernahme. Ähnlich ungerechtfertigt waren die vom Markt eingepreisten Bedenken, dass das deutsche Bundeskartellamt die Übernahme des ehemaligen TecDAX-Unternehmens Va-Q-Tec durch Private-Equity-Bieter EQT verbieten könnte. Hier boten sich annualisierte Renditen im Bereich von 20% bis 30%. Die Krux: Aufgrund bestehender Positionen konnten bisher nur die wenigsten Arbitrageure diese Ausweitung nutzen. Für bereits seit 2022 in diesen Deals investierte Arbitrageure bedeutete die Ausweitung auf diese Renditeniveaus vielmehr vor allem eins: schmerzhafte temporäre Verluste. Die gute Nachricht ist, dass dies nicht die letzten derartigen Ineffizienzen bleiben werden und dass viele Arbitrageure diesmal zuschlagen können, weil sie noch nicht investiert sind.
Arbitrageure lassen sich Risiken entsprechend vergüten
In den USA reduzieren die Aktivitäten der Wettbewerbsbehörde die Zahl der Fusionen und Übernahmen; in diesem Jahr ist sie bereits um rund ein Fünftel geschrumpft. Langfristig wird diese Taktik jedoch kaum Erfolg haben. Vielmehr zeigen sich Vorstände entschlossener als je zuvor, gegen die teils immer weiter hergeholten Argumente der Biden-Regierung anzukämpfen. So geschehen bei Activision und Microsoft: Beide Unternehmen kämpfen gemeinsam gegen die scheinbare Willkür der Wettbewerbshüter und für den rechtmäßigen Vollzug der Übernahme. An solche Situationen sollten Investoren sich gewöhnen, weil Arbitrageure sich die damit verbundenen Risiken entsprechend vergüten lassen.
Transaktionen im Small- und Mid-Cap-Bereich besonders attraktiv
Höhere Zinsen bedeuten dauerhaft höhere Spreads zwischen aktuellem Aktienkurs eines Zielunternehmens und dem Übernahmepreis. Weil zudem die Risiken regulatorischer Anfechtungen – insbesondere bei Megadeals – gestiegen sind, haben sich die Spreads zusätzlich ausgeweitet. Derzeit können oft Arbitrage-Renditen erzielt werden, die Aktien und Anleihen absolut sowie relativ große Konkurrenz machen dürften. Zwar gibt es auch zahlreiche relativ sichere Deals mit einer Rendite von weniger als 10%, aber die Zahl der Deals im Renditebereich von 10% bis 30% p.a. ist zuletzt wieder auf Niveaus geklettert, die es während der Corona-Pandemie gab: Fast ein Viertel der Deals bietet derzeit eine annualisierte Rendite zwischen 10% und 30%. Ein diversifiziertes Merger-Arbitrage-Portfolio kann bei so hohen Renditen Rückschläge durch weitere angefochtene Transaktionen auffangen und mit den übrigen Transaktionen einen attraktiven Ertrag erzielen.
Besonders gut positioniert sind derzeit kleinere Fonds, die sich auch bei Transaktionen im Small- und Mid-Cap-Bereich engagieren können. Die Spreads dieser Deals haben sich ähnlich stark ausgeweitet wie die Spreads größerer Transaktionen und profitieren ebenfalls 1:1 vom höheren Zinsniveau als wesentlichem Bestandteil des zu erntenden Spreads zwischen aktuellem Kurs und Übernahmepreis. Allerdings sind diese kleineren Transaktionen meist nicht im Blickfeld der Wettbewerbshüter. Im Vergleich zum Sommer 2022 bieten sich damit deutlich höhere Renditechancen bei faktisch gleichem Risiko.
Warren Buffet als Vorbild
Unabhängig von der Höhe der Rendite sind Investoren bei der Strategie Merger Arbitrage in guter Gesellschaft: Berkshire-Hathaway-Chef Warren Buffett ist selbst ein erfahrener Arbitrageur und hat in seiner 80-jährigen Karriere regelmäßig erfolgreich im großen Stil in Merger-Arbitrage-Situationen investiert. Jüngsten Angaben zufolge hält seine Investmentgesellschaft, die er mit Charles Munger führt, weiterhin Anteile an Activision, Hersteller des beliebten Videospiels Call of Duty. Die Aktie des Unternehmens wird trotz des bestehenden Übernahmeangebots von Microsoft in Höhe von 95 US-Dollar zu nur rund 80 US-Dollar gehandelt. Der Grund: Die britischen Regulierungsbehörden haben sich gegen die Transaktion ausgesprochen, weil sie meinen, dass Microsofts Stärke im Bereich Cloud Computing dem Unternehmen einen unfairen Vorteil verschaffen könnte, da Videospiele künftig in die Cloud verlagert werden. Der Markt geht davon aus, dass der Deal nur noch eine Chance von 1:3 hat, dennoch zustande zu kommen.
Für viele reinrassige Arbitrageure ist die Transaktion damit erstmal vom Tisch. Doch die Activision-Aktie könnte auch dann punkten, wenn der Deal scheitert. Die jüngsten Quartalsergebnisse waren exzellent und das Unternehmen könnte bis Ende 2023 auf Nettobarmitteln von mehr als 15 US-Dollar pro Aktie sitzen, einschließlich einer sogenannten Break-Fee von 3 Mrd. US-Dollar. Ein Win-win-Szenario, das exemplarisch für interessante Konstellationen steht, die sich derzeit im weiteren M&A-Umfeld bieten.
Merger Arbitrage bei Bantleon
Neben Spezialfondsstrategien bewirtschaftet Bantleon die Strategie Merger Arbitrage als Beimischung im alternativen Aktienfonds Bantleon Event Driven Equities (LU1989517906), der im Juni 2019 aufgelegt wurde. Der auf Fusionen und Übernahmen fokussierte Fonds erhielt im Jahr 2022 erneut einen €uro FundAward und wurde als Most Innovative Merger Arbitrage Fund 2022 in Europa gekürt sowie Ende 2021 mit dem Worldwide Finance Award als bester Nachwuchsfonds ausgezeichnet. Bantleon Event Driven Equities hat das Ziel einer überdurchschnittlichen, weitestgehend marktunabhängigen Rendite und investiert dazu in verschiedene unternehmensspezifische Event-Kategorien.
Von Oliver Scharping, Portfolio Manager für alternative Aktienstrategien bei BANTLEON