Die Ratingagentur Fitch hat in der vergangenen Woche mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA von »AAA« auf »AA+« massive Verunsicherung an den Finanzmärkten ausgelöst. Seitdem wird unter Analysten und Investoren heftig darüber diskutiert, ob die Entscheidung gerechtfertigt ist. Die US-Regierung zeigte sich verständlicherweise wenig erfreut und sah in dem Downgrade eine »willkürliche« Maßnahme. Dass die USA nicht mehr zum Kreis der besten Schuldner gehören, zeigt aber eine Zahl sehr deutlich: Während das Niveau der US-Staatsschulden Fitch zufolge auf 120% des BIP zusteuert, liegt die Quote in den übrigen Staaten mit einem Rating von »AAA« gerade einmal bei durchschnittlich 40%.
Insgesamt mag der Zeitpunkt des Downgrades unglücklich erscheinen, in der Sache ist die Maßnahme jedoch gerechtfertigt. In der Nachkriegszeit hatte sich der öffentliche Budgetsaldo der USA lange Zeit im Einklang mit dem Konjunkturzyklus bewegt: Im Abschwung fiel er tief ins Negative, im Aufschwung erholte er sich wieder. Die Konsolidierung in den Boomphasen hat dazu beigetragen, dass die Schulden nicht aus dem Ruder gelaufen sind.
Dies hat sich jedoch spätestens 2018 geändert. Damals hatte die Regierung Donald Trump umfassende Steuersenkungen beschlossen – mitten in der Hochkonjunktur. Die Folge war ein Budgetdefizit von gut 5% des BIP. Seitdem hat sich der Staatshaushalt nicht mehr erholt. Die Regierung von Joe Biden lancierte in den vergangenen Jahren ebenfalls billionenschwere Fiskalpakete. Somit zeichnet sich auch für 2023 trotz rekordtiefer Arbeitslosigkeit ein Haushaltsdefizit von über 6% des BIP ab – und eine Besserung ist nicht in Sicht. Angesichts des anstehenden Präsidentschaftswahlkampfs und der globalen Herausforderungen – Klimawandel, Konflikt mit China und Russland – scheint eine Sparpolitik ausgeschlossen.
Die ausufernden Schulden werden dazu beitragen, dass die Staatsanleihenrenditen ihren übergeordneten Aufwärtstrend in den nächsten Jahren fortsetzen. Renditeniveaus von 6% bis 7%, wie sie in der Vergangenheit bei 10-jährigen US-Treasuries üblich waren, sollten zurückkehren.
Im Gegensatz zu diesem langfristigen Ausblick dürften die Treasury-Märkte jedoch über die nächsten zwölf bis 18 Monate nochmals eine Renaissance erleben, denn für die kürzere Frist ist nicht der strukturelle Rahmen – wie der Trend der Staatsverschuldung –, sondern der Konjunkturzyklus entscheidend. In dieser Hinsicht ziehen für die US-Wirtschaft dunkle Wolken auf. Die stark restriktiven Impulse der Geldpolitik dürften erst in den nächsten Monaten ihre volle Kraft entfalten und die USA in eine Rezession stürzen. Und sobald die größte Volkwirtschaft der Welt hustet, ist dies ein globales Warnsignal, das eine Flucht in die sicheren Häfen auslöst. US-Treasuries sind hierbei – auch aus Mangel an Alternativen – nach wie vor die erste Wahl. Bevor die Renditen also ihren Höhenflug fortsetzen, werden sie noch einmal abtauchen. Ungeachtet aller langfristigen Probleme dürften Anleger mit US-Staatsanleihen somit in den nächsten Monaten attraktive Kursgewinne einfahren.
Von Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt bei BANTLEON