Die wichtigsten Ergebnisse der heutigen Sitzung:
- Die Leitzinsen bleiben unverändert
- Die aktuelle geldpolitische Ausrichtung wird wie bei der vergangenen EZB-Sitzung als ausreichend restriktiv bezeichnet
- Keine Anpassung bei den Reinvestitionen des PEPP in Sicht
Unsere Einschätzung:
- Wie erwartet brachte die heutige EZB-Sitzung grundsätzlich wenig Neues. Nachdem die EZB im Rahmen des vorangegangenen Treffens den Einlagensatz auf 4,00% und den Hauptrefinanzierungssatz auf 4,50% angehoben hatte, hielten die Währungshüter wie angekündigt zum ersten Mal nach zehn aufeinanderfolgenden Zinserhöhungen still. Gleichzeitig wurde bei der Erläuterung des aktuellen Zinsentscheids die Kernaussage beibehalten, wonach die Leitzinsen auf den aktuellen Niveaus wesentlich zur Rückkehr zum 2%-Inflationsziel beitragen sollten, wenn sie ausreichend lang so hoch bleiben. Welcher Zeitrahmen damit gemeint ist, liess Christine Lagarde auf Nachfrage indes offen. Sie betonte vielmehr, dass es aktuell nicht angebracht sei, einen konkreten Leitzinsausblick im Sinne einer »Forward Guidance« zu geben. Vielmehr betonte die EZB-Präsidentin einmal mehr, künftige Leitzinsentscheidungen würden von der Entwicklung der eingehenden Wirtschaftsdaten abhängen.
- Gänzlich im Fahrwasser der September-EZB-Sitzung bewegte sich Lagarde dann aber doch nicht. Beim Wachstumsausblick war ein skeptischerer Ton als noch vor sechs Wochen zu vernehmen. Damals hiess es, steigende Realeinkommen sollten zu einer wirtschaftlichen Belebung führen. Jetzt wird auf die sich verschlechternde Situation in der Industrie und im Servicesektor als Reaktion auf die verschärften Finanzierungskonditionen verwiesen. Eine Besserung ist hier in den Augen der EZB bis zum Jahresende nicht zu erwarten.
- Der zuletzt von einigen EZB-Vertretern angesprochenen vorzeitigen Beendigung der PEPP-Reinvestitionen erteilte Lagarde eine Absage. Darüber sei im EZB-Rat nicht diskutiert worden, ebenso wenig über eine mögliche Anhebung der Mindestreservesätze.
Unser Ausblick:
Wir sehen durch den heutigen geldpolitischen Entscheid und die Ausführungen Lagardes unsere Einschätzung bestätigt, wonach der Leitzinserhöhungszyklus inzwischen seinen Höhepunkt erreicht hat. Vor allem der Verweis auf die aktuelle wirtschaftliche Abschwächung zeigt, dass sich der EZB-Rat der wachsenden Konjunkturrisiken bewusst ist und entsprechend vorsichtiger agieren wird. Wir gehen davon aus, dass die Wirtschaft der Eurozone nicht nur im 3. Quartal geschrumpft ist, sondern auch in Q4 einen BIP-Rückgang verzeichnen wird. Gleichzeitig bleiben wir bei der Einschätzung, dass die EZB ihre Inflationsprognose in den kommenden Monaten weiter nach unten korrigieren muss, weil sie das Tempo des Inflationsrückgangs nach wie vor unterschätzt. Ganz im Sinne der von Lagarde betonten Datenabhängigkeit spricht daher in unseren Augen vieles dafür, dass die EZB die Leitzinsen schon in der ersten Hälfte des kommenden Jahres senkt – schneller und umfangreicher als derzeit von der EZB und den Geldterminmärkten erwartet.
von Dr. Andreas A. Busch, Senior Economist des Asset Managers BANTLEON